Bitte recht rnelancholisch!
Auf seinem fantastischen neuen Album "Retriever" hat Ron Sexsmith wieder mit Daniel Lanois gearbeitet: Der Star-Produzent schießt für ihn öfter die Cover-Fotos
Sie müssten diesen Pullover sehen. Undefinierbares Orange-Rot, darüber helle Querstreifen – wie aus einem Siebziger-Jahre-Schlussverkauf. Ron Sexsmith ever the shy guy – hockt in einer plüschigen Sitzecke der Hamburger „Weltbühne“ und wird nicht müde, sein neues Album „mein Rock-Album“ zu nennen. Was ex negativo ungefähr so ist, als würde der Kanzler-Tennispartner Klaus Meine behaupten, seine Scorpions seien ja sowas von Death Metal. Was dann aber nur der Gerd glauben würde.
Optisch zumindest ist der Kanadier mit seinem siebten Werk „Retriever“ wieder am Anfang angekommen. Daniel Lanois nämlich knipste das Cover, im Garten seines Hauses in den Hollywood Hills. Der Landsmann hatte schon die Fotos fürs erste, selbstbetitelte Major-Album gemacht, und bevor Sexsmith abends „Lebanon, Tennessee“ spielt, sagt er auf der Bühne der „Weltbühne“ den schönen Satz: „I never worked with him as a producer, but he’s a great photographer.“ Was despektierlicher und doppeldeutiger klingt, als es gemeint ist. Ron Sexsmith wuchs in St Katharins auf, nur eine halbe Autostunde entfernt von Lanois in Hamilton. Als Sexsmith später als Fußkurier in den Straßen Torontos unterwegs war, schickte er ein Exemplar seines 91er-Indie-Debüts „Grand Opera Lane“ auch an Lanois, der prompt sein Gefallen kundtat „Wir haben es zweimal versucht, aber jedes Mal kam etwas dazwischen bei ihm“, kommentiert Sexsmith das Studio-Malheur mit Lanois. Nämlich beim zweiten Album die Filmmusik zu Billy Bob Thorntons „Slingblade“ (wobei es immerhin für einen gemeinsamen Lanois-Sexsmith-Track reichte). Für „Blue Boy“ hatten sie sogar schon gemeinsam Demos gemacht, die dann Steve Earle verarbeiten durfte. Hatte Dylan gerufen? Sexsmith: „Ich möchte gern eine Platte mit Dan machen, aber es hängt von ihm ab. Wenn ich ihn mir gerade leisten kann (lacht).“ Und von den Songs. „Er fühlte sich immer zu meinen Moll-Balladen hingezogen. Davon gibt’s auf dieser Platte ja nicht so viele.“
Was Ron Sexsmith nicht daran hinderte, „Retriever“ auch Elliott Smith zu widmen. „Er war der erste Songwriter, der mich wirklich nervös machte, weil ich dachte: Wow! Ist der gut. Ich strenge mich mal lieber etwas an.“ Doch Smith hat ihn nicht nur eingeschüchtert „Ich dachte immer, ich sei schüchtern – bis ich ihn traf. Er war wirklich schüchtern. Und nicht der bestaussehendste Typ der Welt. Und zu sehen, das einer wie er mit seiner Filmmusik zu ‚Good Will Hunting‘ diesen Erfolg haben kann, war sehr ermutigend.“
Sexsmith kennt auch Kollegen, deren Songs von Norah Jones gecovert wurden. „Die haben finanziell ausgesorgt“, lacht Sexsmith, was ihm auch gefallen würde, jetzt wo er nach der Trennung von seiner Frau zwei Haushalte versorgen muss. Aber bei ihm hat es bisher „nur“ zu Rod Stewart, Nick Lowe, Sofie van Otter, Mary Black und Curtis Stigers gereicht. „Es muss ein großes Cover kommen – dann kommen andere hinterher. Weil dann viele denken, es sei cool, meine Songs zu singen.“ Und weil dann der Pullover egal ist. Vielleicht braucht auch Costello bald Songs von ihm. Der Draht zu Elvis ist zuletzt gerissen. Sexsmith ist schüchtern genug, den neuen Anfang nicht zu wagen. „Sag ihm das nicht“, flüstert er noch, als würde ich jeden Sonntag mit Elvis in der Kurve an der Anfield Road stehen, „aber ich fand ‚North‘ einfach schlecht. Ich dachte nur: Gib mir doch ein paar gute Melodien“ Die hat selbst sein so genanntes Rock-Album reichlich.