Birgit Fuß fragt sich durch: Gegen die Gleichgültigkeit
Kann Musik uns das Leben retten? Oder wenigstens bei der Suche nach dem Sinn helfen? Fangen wir mit Bob Geldof an ...
Kann Musik unser Leben retten? Seit Jahrzehnten werden Listen angefertigt, die das insinuieren: „25 albums that saved my life“, all die Platten für die einsame Insel (auf die wir vielleicht besser was zu essen und ein scharfes Messer mitnehmen sollten). Zu seinem 60. Geburtstag stellte Bono „60 songs that saved my life“ vor, und dann ist da natürlich noch „Last Night A DJ Saved My Life“. Wollen wir mal nicht übertreiben, doch was Musik auf jeden Fall kann: in vielen Momenten Freude bringen und in manchen Trost spenden, und sie füttert Herz und Hirn. Darum soll es hier gehen: Was erzählen uns bestimmte Alben über große Lebensthemen, wie geben sie uns vielleicht einen Wink in die richtige Richtung, womit helfen sie uns durch schwere Zeiten und lassen die leichten noch schöner sein?
Wie Bono kann auch ich mir ein Leben ohne U2 und R.E.M., Bruce Springsteen und Bob Dylan kaum vorstellen, aber machen wir es uns nicht gleich zu einfach. Fangen wir mit Bob Geldof an! Seit 35 Jahren verteidige ich den Mann, man könnte meinen, es würde mal langweilig werden, doch als ich eben „The Vegetarians Of Love“ (1990) gehört habe, wusste ich sofort wieder, warum er es wert ist. Es ist ein Album über Romantik, Leidenschaft und die kleinen Wunder des Alltags (die wir natürlich all-zu oft übersehen), über Verzweiflung, Befreiung und das Ende der Welt (wenn wir nicht besser aufpassen).
Vom Messias-komplex und Helfersyndrom
Es geht um alle Aspekte der Liebe: zu anderen Menschen, zur Erde, zum Leben an sich. Was diese Songs, die mal ausgelassen, mal abgeklärt klingen, niemals sind, ist: gleichgültig. Viele Menschen sagen, das Gegenteil von Liebe ist nicht der Hass, sondern die Angst, und damit haben sie wahrscheinlich recht. Vielleicht ist es aber auch die Gleichgültigkeit. Geldof sah1984 eine Reportage über die Hungersnot in Afrika, und wenig später gab es Band Aid und Live Aid. Er musste einfach etwas tun. Möglicherweise ein Messias-komplex oder ein Helfersyndrom. Wenn diese Dispositionen Menschen wie Bono, Billy Bragg oder eben Bob Geldof hervorbringen, dann nur her damit.
Und das soll nicht heißen, dass nun jeder ständig Gutes tun und darüber reden muss. Natürlich darf man auch mal zu einem Thema keine Meinung haben, das ist sogar eine gute Idee, wenn man zum Beispiel zu wenig darüber weiß oder einfach gerade keine Lust hat, sich zu streiten. Was einem niemals egal sein sollte, sind andere Menschen. Das definitive Lied darüber ist „The Great Song Of Indifference“. Zu der schmissigen Folkpopmelodie lässt sich das mantraartig wiederholte „I don’t mind“ prima mitsingen, die Strophen bleiben einem allerdings im Hals stecken: „I don’t care if the Third World fries/ It’s hotter there, I’m not surprised/ Baby, I can watch whole nations die/ And I don’t mind at all.“
Lieber peinliche Idealisten als eitle Zyniker
Wie oft habe ich gehört: „Aber dieser naive Idealismus ist doch peinlich.“ Mal abgesehen davon, dass „peinlich“ keine sinnvolle Kategorie für menschliches Verhalten ist, weil es dabei nur um die Außenwirkung geht, nicht ums Eigentliche: Mir ist jeder peinliche Idealist viel lieber als all die eitlen Schwätzer und Zyniker, die die Welt von oben herab betrachten – und nichts tun, um sie zu verändern.