Birgit Fuß fragt sich durch: Wie hat Jake Bugg seinen frühen Triumph so gut verkraftet?
Jake Bugg – auf 50 Jahre Ruhm angelegt
Zum Jahreswechsel wird ja immer viel zurück und nach vorn geschaut, da fiel mir wieder Jake Bugg ein. Dessen Debüt, das einfach „Jake Bugg“ heißt, feierte 2022 sein Zehnjähriges. In Deutschland jubelte leider kaum jemand mit – ein Jammer, zumal die Jubiläums-Edition mit zwei zusätzlichen Alben voll wunderbarer Demos und Live-Tracks aus der Royal Albert Hall 2014 (mit Michael Kiwanuka und Johnny Marr) daherkommt. Das hätte mehr Aufmerksamkeit verdient.
Als ich Jake Bugg Ende 2012 zum ersten Mal traf, war er noch ein Junge, 18 Jahre alt. In seinem breiten Akzent hörte man die Sozialsiedlung in Clifton/Nottingham, in der er aufgewachsen war, doch sein Leben hatte sich schon verändert: Buggs Debüt war in Großbritannien auf Platz 1 geschossen, wie der „Lightning Bolt“, von dem er im Auftakt des Albums singt. Es folgen so herrliche Stücke wie das schwermütige „Simple As This“ und die wilde Messerstechergeschichte „Seen It All“. Die Hymne für die Ewigkeit ist „Two Fingers“: Noch heute möchte ich sofort aufspringen und mein Leben umkrempeln, wenn ich es höre. Ob die zwei Finger das britische Fuck-you-Zeichen an die Vergangenheit sind oder doch das Victory-Symbol – egal. Auf jeden Fall geht es um einen Neustart: „So I kiss goodbye to every little ounce of pain/ Light a cigarette and wish the world away/ I got out, I got out, I’m alive and I’m here to stay …“
Manchmal schien Bugg etwas zu schlingern in den vergangenen Jahren hin und wieder wurde ihm wohl eingeredet, er müsse jetzt mal moderner klingen. Doch im Kern ist und bleibt er ein klassischer Songwriter. 2012 sagte er, dass er keine 50 Minuten Ruhm wolle, sondern 50 Jahre. Sind also noch 40 übrig. Ob er selbst diese Zahl heute ein wenig beängstigend findet? Die ersten zehn Jahre fühlen sich ja bereits an wie eine Ewigkeit.
Das ist das Schicksal der früh Triumphierenden: Den Rest ihres Lebens werden sie am ersten Erfolg gemessen, von ihrem eigenen Ego und allen anderen Menschen. Boris Becker gewann 1985 Wimbledon, er wurde den „17-jährigen Leimener“ mit der Siegerfaust niemals los. Macaulay Culkin war nie wieder so süß wie in „Kevin – Allein zu Haus“, Robbie Williams hat mit 48 schon graue Haare, aber er hat wenigstens überlebt. Aaron Carter ist gerade mit 34 Jahren gestorben, ein Vierteljahrhundert nach seinem ersten Pop-Hit „Crush On You“.
Jake Bugg spielte mit 17 auf dem Glastonbury-Festival, sein zweites Album nahm er gleich mit Rick Rubin in Kalifornien auf. Er ging mit Supermodels aus, freundete sich mit Noel Gallagher an – und all das schien ihn kaum zu beeindrucken. Wegen dieses Selbstbewusstseins traue ich ihm locker ein paar weitere Dekaden zu.
Schon bei unserem zweiten Treffen, im Oktober 2013 in einem Londoner Pub, zeigte er eine faszinierende Souveränität bei gleichzeitiger Abwesenheit von Arroganz. Er nutzte jede freie Minute zwischen Interviews, um rumzuklampfen – er konnte dann den Rummel komplett ausblenden. Als es an der Zeit war, zur Brixton Academy zu fahren, wo er eines von drei ausverkauften Konzerten spielen sollte, teilte sein Promoter ihm mit, das Auto sei noch nicht da. „Ist doch nur zwei Straßen weiter“, sagte Bugg. Er nahm den Gitarrenkoffer und nickte mir zu: „Wir laufen!“ Bevor irgendwer widersprechen konnte, waren wir schon draußen. Jake Bugg kann gut auf sich selbst aufpassen.