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Birgit Fuß fragt sich durchKolumne

Muss Liebe immer wehtun? Fiona Apple sieht das wohl so

Vielleicht liegt das Glück darin, sich trotzdem darauf einzulassen.

Fiona Apple war 18 Jahre alt, als im Sommer 1996 „Tidal“ erschien, ein sensationelles Debüt voller Klavierballaden, für die der Begriff „Pop“ viel zu billig ist. Der erste Satz, den sie singt: „I tell you how I feel, but you don’t care.“ Sie sagt sämtliche Träume ab und dem Narren, der alles ver­dorben hat, dass er sich jetzt bitte nicht anstellen und einfach gehen soll, weil ihr Verstand, ihr Körper und ihre Stimme endlich nicht mehr unterdrückt werden wollen. Und das geht wohl nur allein. Nach ein paar mehr solcher Songs stellt sich die Frage, ob Liebe denn immer wehtun muss – und wenn ja, sollten wir uns nicht trotzdem weiter darauf einlassen, weil Verbitterung viel schreckli­cher ist als Schmerz?

Fiona Apple sieht sich selbst als „Sullen Girl“: „He washed me ashore/ And he took my pearl/ And left an empty shell of me.“ Müssen schlechte Erfahrungen zwangsläufig zu viel Verdruss und noch mehr Selbst­zweifeln führen? „Once my lover, now my friend/ What a cruel thing to pretend!“, erklärt sie in „Shadowboxer“ – eine Freundschaft mit einem Mann scheint in dieser Gedankenwelt noch unmöglicher als eine er­freuliche Partnerschaft, sie sieht immer den potenziellen Feind. Dabei kämpft sie vor allem mit ihren eigenen Schatten. Mal be­zichtigt sie sich als „Criminal“, dann will sie den Geliebten „Slow Like Honey“ einwickeln, aber das Entscheidende ist: Sie erkennt sich selbst stets nur im Spiegel des  Gegenübers – zu dem sie keinerlei Vertrauen hat („Never Is A Pro mise“).

Keine Art von Liebe wird es je richten

Natürlich (weil sie ja clever ist) merkt Fiona Apple schließlich, dass keine Art von Liebe es je richten kann, solange sie nicht mit sich selbst klarkommt („The Child Is Gone“). Woher ken­nen wir das noch mal? 1977 hat es Linda Creed in einem Songtext auf den Punkt gebracht, der 1985 dank Whitney Houston berühmt wurde: „Learning to love yourself, it is the greatest love of all.“ „Tidal“ endet mit einem Song namens „Carrion“ (Aas), die letzten Worte sind: „All I want is to save you, honey/ Or the strength to walk away.“ Später hat sich Fiona Apple, so scheint es, selbst gerettet und sich weitgehend aus der Öffentlich­keit zurückgezogen – heute ist sie zufrieden damit, alle paar Jahre ein Album zu veröffentlichen und sich ansonsten auf ihren Tantie­men auszuruhen.

Auf dem gran­diosen „Fetch The Bolt Cutters“ schwankte sie 2020, mit 42, weiter­hin zwischen Anklagen und Selbstermächtigung – und klang immer noch nicht besonders glücklich. In einem Interview behauptete sie, sie verlasse ihr Haus eigentlich nur, um mit dem Hund Gassi zu gehen.

Ein Jahr vor „Tidal“ erschien das Debüt einer auch erst 20­jährigen Songschreiberin, die sich für einen anderen Weg entschied. Jewel singt auf „Pieces Of You“ von ähnlichen Themen: Sie beklagt die „Foolish Games“ zwischen Mann und Frau und leidet in „You Were Meant For Me“ an der Dummheit des Geliebten.


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Ist es möglicherweise doch gesün­der, einfach an die Liebe zu glau­ben?

Natürlich erwies sich Fiona Apple als das viel größere Talent, doch es ist erfrischend, wie schlicht Jewel Kilcher ihre Zart­heit als Stärke ausstellt: „I’m sensi­tive/ And I’d like to stay that way.“ Sie hat dann einen Cowboy ge­heiratet, die Ehe hielt nicht, aber Jewel strahlt unverzagt weiter. Möglicherweise ist es doch gesün­der, einfach an die Liebe zu glau­ben, trotz allem, leidenschaftlich und total unvernünftig. Wenn wir zu viel Angst haben, uns die Finger zu verbrennen, geht halt oft auch das Feuer im Herzen aus.

Dieser Text aus der Kolumne „Birgit Fuß fragt sich durch“ erschien erstmal im Mai 2021.

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