Birgit Fuß fragt sich durch: Gibt es Nostalgie-Rock ohne Gejammer?
Hören wir –endlich mal wieder – Better Than Ezra …
Es gibt gar nicht so viele Menschen und noch weniger Bands, die mir sofort gute Laune machen, wenn ich sie höre. Die paar weiß ich deshalb sehr zu schätzen. Eine davon ist Better Than Ezra. Leider haben die sich zuletzt sehr rar gemacht – zu Hause in den USA touren sie viel, aber zehn Jahre lang gab es kein neues Album. Jetzt ist endlich das neunte da: „Super Magick“.
Das Trio aus New Orleans gibt es seit 1988, mit dem zweiten Album, „Deluxe“ (1993), bekamen sie einen Major-Vertrag, und das fast noch bessere „Friction, Baby“ bewies 1996: Unter den vielen guten College-Rockbands waren BTE eine der besten. Und sie waren praktisch die Einzigen, die zwar ordentlich melancholisch, aber nie am Jammern waren. Eine Erleichterung zwischen den (freilich auch famosen) Counting Crows und den drögen Hootie & The Blowfish.
Ein paar Jahre nach dem Grunge-Höhepunkt konnte ein bisschen Heiterkeit nicht schaden – zumal sie bei Songwriter Kevin Griffin nie oberflächlich schien. Keine große Überraschung, dass seine Lieblingsband R.E.M. war. (Mit der B-Seite „Road Trip To Athens“ haben sie das ganz offiziell zugegeben.)
Zurück ins Jahr 2024: „Mystified“ heißt der erste Song, und ein bisschen irregeführt vom Leben zeigt sich Griffin hier jetzt schon: „Now you’re sixteen again in a summer dress/ Choking on a cigarette/ Then life came along and ruined it, yeah.“ Sie ist wohl nicht Miss America geworden, er kein Quarterback. So kann’s gehen. Wenn man erst mal 55 ist, sind selten alle Träume wahr geworden, alle Hoffnungen erfüllt. Blöderweise erinnert man sich aber noch genau daran, welche es mal waren.
Blöderweise? Nein, zum Glück! Wie traurig (nicht nur für ihre Kinder), wenn Leute sagen: „Ich weiß gar nicht mehr, wie ich als Teenager gedacht habe.“ Griffin hat immer groß geträumt, und auch wenn die Zeiten härter geworden sind, besteht er in „Live A Little“ darauf, dass das Leben ein Zauberwürfel ist und wir nicht aufhören sollten, neugierig alle Seiten anzugucken: „We all need a taste of glory/ So don’t bore us, hit the chorus/ Go big, get loud or go home …“
Das Leben wartet, bloß nicht zu viel Geduld
Es sind keine unbekannten Weisheiten, doch so schön werden sie selten gesungen: Wer brennen will, muss bereit sein, sich anzünden zu lassen. Das Leben wartet, bloß nicht zu viel Geduld! Auf die zart tastende Ballade „This Time“ folgt sofort „Contact High“ mit einer fast außerirdischen, mindestens aber sehr berauschenden Begegnung am Bartresen: „Whatever shit that you’re on/ I got a contact high.“
Mehr von Birgit Fuß
- Ist Warten Zeitverschwendung? Das sagen Element of Crime
- Was machen die Barenaked Ladies?
- Warum macht Talent nicht glücklich?
- Wie weit darf ein Songwriter im Namen der Wahrhaftigkeit gehen?
- Wie fühlt sich das Musical „Hair“ heute an?
- Clueso, Kunze – Was ist das nur für eine Crux mit diesem Charisma?
- Gegen das Vergessen von Will Johnson
- Hat Kid Rock uns Lynyrd Skynyrd nachhaltig verdorben?
- Wie schafft es Natalie Merchant, so alterslos zu bleiben?
- „Songs of Surrender“ von U2: Walk On, Bono!
Dabei brauchen BTE gar keine Hilfsmittel, ihre Melodien machen auch nüchtern selig. Und Humor gab es bei ihnen schon immer gratis obendrauf (etwa bei „Extra Ordinary“ oder „Crazy Lucky“). Nach der Hymne „Grateful“ und den Twisted Love Songs „Fuzzy“ und „Omens“ endet „Super Magick“ mit „Killing It“ – und der Aussicht, dass es am konsequentesten wäre, in dreißig Jahren einfach direkt auf der Bühne zu sterben.
Jetzt aufzuhören lohnt sich gar nicht mehr! Zumal Better Than Ezra wissen, was sie können – auch das eine angenehme Abwechslung zu all den Selbstzweiflern und den Vorspielern von Bescheidenheit. „We could have called it quits/ We’ve had girlfriends breaking up the band times/ Spending all our last dimes/ On the misses and the hits/ But we’re still killing it!“ Stimmt ja.