Birgit Fuß fragt sich durch: Was hält Paare lange zusammen?
Seine Tour heißt „Too Close For Comfort“, Nähe fürchtet Alice Cooper – bald seit 50 Jahren verheiratet – aber nicht.
Nur Bequemlichkeit kann es nicht sein. Alice Cooper wusste schon 1975, dass Ehen nicht unbedingt ein gemütlicher Hafen sind – er hat es in „Only Women Bleed“ überzeugend ausgeführt: „Man makes your hair gray, he’s your life’s mistake/ All you’re really looking for’s an even break/ … / She cries alone at night too often/ He smokes and drinks and don’t come home at all/ Only women bleed.“
Dieser Frauenversteher, der so brutale Texte singt und sich auf der Bühne gern köpfen lässt, ist gerade auf Tournee. „Too Close For Comfort“ nennt er sie, doch der Privatmensch Vincent Furnier hat offensichtlich keine Angst vor Nähe: Er feiert in zwei Jahren Goldene Hochzeit mit seiner Choreografin Sheryl Goddard.
Wie hat er das geschafft? Wider spricht das nicht allen Regeln des Musikgeschäfts? „Virtue never tested is no virtue at all“, sang Billy Bragg einst – und die Versuchungen für Rockstars sind so mannigfaltig, dass Ehen schwer durchzuhalten sind. Okay, 1983 wollte sich auch Goddard mal kurz scheiden lassen, weil Alice’ Alkoholkonsum außer Kontrolle geraten war, doch dann rauften sie sich zusammen – ein ähnlich langlebiges Paar wie Jon Bon Jovi und sein Highschool-Sweetheart Dorothea (seit 1989 verheiratet). Zum Thema (Un)Treue erzählt einem Bon Jovis „Bed Of Roses“ fast zu viel, aber Ehrlichkeit ist wohl ein entscheidender Faktor in diesen Beziehungen.
Wenn man erst mal anfängt, da rüber nachzudenken, fallen einem etliche Musiker ein, die sich sehr früh festgelegt haben. Als Billie Joe Armstrong (Green Day) vor dreißig Jahren seine Frau Adrienne heiratete, wollte er dem Chaos in seinem Leben etwas entgegensetzen, das hat ganz gut geklappt. Bono traf Ali schon in der Schule, mit dreizehn. Seit 1976 gehen sie miteinander aus, 1982 heirateten sie. Liebe sei vor allem eine Entscheidung, sagt der U2-Sänger – nicht die einfache Lösung zu suchen, die Wegrennen zu sein scheint, wenn es schwierig wird. Sondern sich ständig aufs Neue klarzumachen, was man an der Partnerin hat: „Are we ready to be swept off our feet/ And stop chasing every breaking wave?“ (Siehe auch Braggs „Chasing Rainbows“.)
Nicht gemeint ist damit, um jeden Preis durchzuhalten. Wenn Bono und Ali sich ansehen, ist da immer noch viel Liebe zu spüren – aus Leidenschaft muss also keine bloße Gewohnheit werden, der Zauber kann halten. Eine wunderbare Vorstellung – deshalb waren so viele so gerührt, als ein Live-Video von The Cure auftauchte, in dem Robert Smith den „Lovesong“ direkt an seine Frau gerichtet singt. „However long I stay/ I will always love you“ ist hier kein leeres Versprechen: Smith lernte seine Mary 1973 mit vierzehn kennen, sie war ein paar Monate älter als er. Als ich ihn einmal traf und nach ihrem Geheimnis fragte, sagte er lachend: „No kids“, dann aber einfach: Es passt. Und dass Mary seine beste Freundin ist, weil sie genauso seltsam ist wie er.
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Im HipHop gibt es übrigens einige ähnliche Fälle: Snoop Dogg, LL Cool J und Kendrick Lamar sind mit ihren Frauen zusammen, seit sie Teenager waren. All diese Männer wissen auch, dass sie nie wie der jemanden kennenlernen können, der sie ohne jeden Zweifel nur um ihrer selbst willen liebt – und nicht, weil sie reich und berühmt sind.
Oder wie Bono es in „A Man And A Woman“ formuliert: „I could never take a chance/ Of losing love to find romance.“ Beides auf einmal ist natürlich am besten, wenigstens die ersten fünfzig Jahre.