Billy Idol: Spielplatz mit Fitneßraum
Nach zwölf harten Jahren will Billy Idol endlich wieder Aufsehen erregen - mit seinem ureigenen Rock'n'Roll, der auf brillante Weise dumm sein darf.
Komisch ist das schon. Billy Idol hat sich gar nicht verändert. Er hat ein paar Falten mehr, aber immer noch denselben Haarschnitt, dieses bleiche Gesicht und den drahtigen Körper. In ein paar Monaten wird er 50 Jahre alt, aber das ficht ihn nicht an. Der Mann will rocken. Sein letztes Studioalbum erschien 1993, hieß „Cyberpunk“ und war ein ordentlicher Flop. Daß er jetzt mit „Devil’s Playground“ wieder zurückkommt, grenzt an ein kleines Wunder.
Idol weiß selbst, daß er mehr Glück als Verstand hatte. Er überlebte 1990 einen schweren Motorradunfall, 1994 eine Überdosis – es war nicht die einzige in seinem Leben. Er zeugte ein paar Kinder, schauspielerte ein bißchen – und hoffte, daß die 90er Jahre schnell vorbeigehen. „So lange wollte ich gar nicht verschwinden, aber ich mußte mir erst mal eine Band suchen. Und eine Plattenfirma, die mir nicht sagt, wie Billy Idol klingen soll“ Er spricht manchmal in der dritten Person von sich, als wäre dieser Billy Idol eine Kunstfigur. Im Grunde stimmt das ja auch. Er hat sich selbst zu einer Karikatur stilisiert, die aus Blondschopf, Leder und geballten Fäusten besteht und natürlich aus der hochgezogenen Lippe. Die kann er immer noch. Anfang der 80er Jahre hielt er an diesem Image fest, auch wenn man ihm zu einem Mainstream-Ruck riet. „Ich konnte meine Punkrockwurzeln nicht verbergen. In Amerika wollte man mich so David-Cassidy-mäßig vermarkten, aber ich dachte: Ich schreib meine eigenen Songs, also sag ich, wo’s langgeht“
Hier zu Lande trat Idol damals in „Thommys Pop Show“ auf. Viele 12-, 13jährige Mädchen saßen gebannt vor dem Fernseher und warteten auf ihn. Niedlich war er ja, auf all den „Bravo“-Postern. Und dann kam er, verschmierte ausgiebig die eigene Spucke im Gesicht – und ließ sämtliche Träume vom putzigen Punk zerplatzen. Auf diese Szene angesprochen, lacht Idol schallend und wiederholt die Geste. Netterweise mit weniger Spucke. „Ich fand’s damals wohl sexy. Und wenn du dich 20 Jahre später noch daran erinnerst, war es wohl gut.“ Idol-Logik.
Genau das ist ja das Faszinierende: Man hat ihn tatsächlich nicht vergessen. Sein „Greatest Hits“-Album ging 2001 sofort in die Top 20, danach tourte er fast ununterbrochen, auf der Suche nach der Band-Chemie und neuen Songs. Die meisten auf „Devil’s Playground“ hat er mit Schlagzeuger Brian Tichy geschrieben, einige auch mit Gitarrist Steve Stevens – mit dem er all die Hits von „Eyes Without A Face“ über „Rebel Yell“ bis „Sweet Sixteen“ komponiert hatte. Waren die beiden nicht heillos zerstritten? Idol winkt ab: „Steve war immer loyal, unsere Streitereien waren bloß drogenbedingt.“ Zusammen spielen sie jetzt Lieder, die „Super Overdrive“, „Rat Race“ oder „World Coming Down“ heißen und klassische Idol-Songs sind: dynamisch, kraftmeiernd, immer zwischen Pop und Rockabilly und Punk und allem, was richtig reinhaut. „Toller Rock’n’Roll muß auf brillante Weise dumm sein. Dieses primitive Element gehört dazu, aber auch ein ganzes Spektrum an Emotionen, da muß die Stimme funktionieren.“
Erstaunlicherweise hat Idols Organ unter seinen Eskapaden nicht gelitten. Nur so viel Durchhaltevermögen wie früher hat er nicht mehr: „Diese Massen an Energie fehlen mir. Früher schmiß ich mir Drogen und Alkohol rein und konnte zwei Wochen wachbleiben. Heute mache ich Fitness.“ Er schnaubt verächtlich. Aber wenn Idol vorsingt, wie er „Plastic Jesus“ erarbeitet, in welchen Tonlagen und Stimmungen er sich den Song vorgestellt hat, ahnt man, wie sehr er seinen „rock star job“ noch liebt. Und wie wenig ihn die Restwelt kümmert. Idol hört sich zwar an, was Green Day oder die Donnas so fabrizieren, aber viel mehr interessiert er sich zurzeit für Reggae-Platten von 1977 bis 1979 – die konnte er damals aus Geldmangel nur begierlich in den Händen halten, aber nie zur Kasse tragen. Heute kauft er Massen davon – und plant Dub-Mixes seiner Songs. Also doch ein vielschichtiger Mann, dieser Billy Idol? „Mir egal, wie mich die Leute sehen. Hauptsache, sie sehen mich!“