Billy Bragg: Akustik-Session, Album-Stream, Interviews und Verlosung – alles über „Tooth & Nail“
Alles zu Billy Bragg und sein neues Album "Tooth & Nail": die Platte im Stream, eine exklusive Rolling-Stone-Session, Verlosung und Video.
Auf dieser Seite finden Sie sämtliche Informationen zu Billy Bragg und sein neues Album „Tooth & Nail“: die Platte im Stream, eine exklusive Rolling-Stone-Session, Verlosung und Videos.
Rolling-Stone-Redakteurin Birgit Fuß sprach mit Bragg über seine neue Platte „Tooth and Nail“:
Was unterscheidet „Tooth & Nail“ von deinen anderen Alben?
Billy Bragg: Die Leute machen immer so ein Gewese darum, dass die Songs jetzt persönlicher und weniger politisch sind, aber all meine Alben waren immer sehr persönlich. Eins hat sich allerdings geändert: In den letzten Jahren habe ich viele politische Lieder geschrieben und sie dann gleich auf meine Website gestellt, weil sie sich auf aktuelle Ereignisse beziehen. Lieder wie „Never Buy The Sun“. Die sind jetzt weg, und deshalb sind jetzt für das Album vielleicht eher nachdenklichere Lieder übrig.
Einer der neuen Songs heißt „No One Knows Nothing Anymore“. In den 80er-Jahren galtst du als Vorzeige-Sozialist. Wie sieht es heute aus?
Im 20. Jahrhundert sprachen wir vom Sozialismus, und es gab Beispiele dafür wie die DDR, die ein großes Fragezeichen hinter diese Ideen setzten. Der ideologische Ansatz, die Ausdrucksweise damals – das spricht heute keinen mehr an. Was machen wir nun mit all den Problemen, von denen ja eigentlich schon Marx berichtete? Der Turbo-Kapitalismus, der keine Verantwortung kennt. Was meiner Meinung nach den Sozialismus ersetzen wird: Verantwortung, im Sinne von Rechenschaftspflicht. Wir müssen Wege finden, nicht nur unsere Politiker haftbar zu machen, sondern auch Goldman Sachs. So wie es zuletzt lief, musste der Kapitalismus sich nicht gerade oft rechtfertigen. Beim Sozialismus ging es wiederum genau darum: Verantwortung zu fordern. Also: Obwohl wir heute anders reden, nicht mehr in der Sprache von Marx, und obwohl zum Glück die Berliner Mauer gefallen ist, und obwohl keiner diese Zeiten zurück will – die Ideen, um die wir gekämpft haben, leben weiter: Fairness. Verantwortung. Freiheit. Wir müssen nur eine neue Sprache dafür finden. Und die entscheidenden Wörter werden Rechenschaft und Verpflichtung; sein.
In Großbritannien gibt es gerade große Diskussionen um die EU. Fürchtest du einen Austritt?
Nein. Ich schätze, dass die Mehrheit des Volkes – anders als die konservative Regierung – doch die Vorteile der EU erkennt, auch wenn sie den Euro nicht haben will. Auf jeden Fall wäre es einfacher, die Menschen von den sozialen Vorteilen der EU zu überzeugen, wenn nicht so viele Zeitungen dauernd über Bürokratie, Kosten und so weiter schimpfen würden. Auch darum wird es zukünftig gehen: dass Leute wie Rupert Murdoch zur Rechenschaft gezogen werden. Die Kreditkrise hat freilich auch nicht geholfen, die Leute offener für Veränderungen zu machen. (Blickt auf die brennende Kerze auf dem Tisch.) Kapitalismus ist wie Feuer: Wenn man ihn reguliert, gibt er einem Wärme und Licht – wertvolle Dinge also. Wenn man ihn einfach laufen lässt, zerstört er alles, was man liebt. Man braucht starke Regulierungen, sonst kommt man schnell beim kleinsten gemeinsamen Nenner an – und der funktioniert nur für die obere Schicht, für alle anderen nicht.
Es gibt ja genug Themen für Protestsongs. Haben es politische Songschreiber heute trotzdem schwerer als früher?
Wir hatten unter Margaret Thatcher schon einmal eine harte Zeit, aber der Diskurs ist heute ein ganz anderer. Wenn ich damals einen Song über Gewerkschaften geschrieben habe, haben manche Journalisten das zwar vielleicht auch nicht goutiert, aber zumindest haben sie es ernstgenommen. Heute sind die meisten so zynisch-ironisch – es bricht mir das Herz, wenn ich sehe, wie jüngere Kollegen entweder verarscht oder ignoriert werden, sobald sie politische Themen ansprechen.
Du machst seit 35 Jahren erfolgreich Musik. Wie hält man so lange durch?
Manchmal frage ich mich, warum ich immer noch ausverkaufte Konzerte geben kann. Woran liegt das? Weil ich so viel kommunizieren, so viel Zeit mit den Social Medias bringe? Weil ich ein toller Songschreiber bin? Weiß nicht. Vielleicht liegt es daran, dass ich in meiner Musik Dinge thematisieren, die sonst eher nicht thematisiert werden. Prince Charles sagte mir mal, man soll name-dropping vermeiden, aber ich habe neulich diesen Songschreiber Plan B getroffen, und er erzählte von all dem Ärger, den er für seine politischen Ansichten abbekommt. Aber an seine Haltung zu den Riots in London wird man sich später vielleicht mal erinnern, nicht an einen kleinen Hit. Ich sage es mal so: Nach 30 Jahren bin ich immer noch hier, Haircut 100 nicht.
Kannst du auch mal abschalten?
Eher schlecht. Ich habe mal einen Song auf dem Weg zu einem Konzert geschrieben, mir an der Tankstelle Notizen gemacht, beim Soundcheck gesungen, im Hotel weitergeschrieben, dann das Konzert gegeben, danach bin ich todmüde ins Bett gefallen. Schlafen ging nicht, weil das Lied an meinen Kopf klopfte. Also musste ich aufstehen und es zu Ende bringen, damit es mich in Ruhe lässt. Meine Muse ist hartnäckig, und ich will sie auf keinen Fall verärgern.
„Tooth & Nail“ im Stream:
Wir verlosen die Platte. Einfach mailen und Name, Adresse und Telefonnummer angeben. Viel Erfolg!
Rolling Stone Session:
„Hello, I’m Bono! Have You Seen My Mullet?“ Bestens aufgelegt zeigte sich Billy Bragg bei seiner Rolling Stone Session im Berliner Ramones-Museum. Mit Blick auf die vielen Plakate dort – unter anderem mit U2-Konzertankündigungen – konnte Bragg sich den einen oder anderen Witz über Bonos Mantamatte aus den frühen Achtzigern nicht verkneifen.
Für uns spielte Bragg mit „No One Knows Nothing Anymore“ eine exklusive Rolling Stone Session:
So entstand das Album „Tooth & Nail“:
Ein Kurzfilm von Braggs New-York-Trip: