Billie Eilish live in Bonn: Alles andere als „lost“ – und sie küsst die Ukraine-Flagge
Eilish absolvierte am 1. Juni im Telekom Forum in Bonn eine Akustik-Show vor kleinem Publikum. Die Bühne teilte sie sich mit ihrem Bruder Finneas, gemeinsam bestritten die beiden ein Set, das mit Akustik-Versionen ihrer größten Hits wie „bad guy“ oder „ocean eyes“ glänzte.
Billie Eilish steht wie keine andere Musikerin unserer Zeit für die Generation Z der Post-Millennial, die oft als „lost“ dargestellt wird. Doch an diesem Abend wirkte die Musikerin, die bereits mit 14 Jahren ihren ersten Plattenvertrag in der Tasche hatte, keinesfalls verloren. Ganz im Gegenteil, zeigte sich Eilish im Telekom Forum in Bonn vor „nur“ 2.000 Fans als in sich ruhende, aber auch verletzliche junge Frau, die vor allem dankbar ist: dankbar dafür, Musik machen zu dürfen, vor ihren Fans spielen zu können und auch für ihren Bruder Finneas, der sie auf der Bühne begleitete. Mit ihm an ihrer Seite, hatte die Sängerin schon zu Beginn ihrer Karriere stets betont, fühle sie sich sicher und könne ganz sie selbst sein. Dass das auch nach vielen Jahren im Showbusiness weiterhin gilt, war nicht zu übersehen. Das Lächeln verließ ihr Gesicht während der gesamten Darbietung kaum.
Billie Eilish strahlte von Anfang an Dankbarkeit aus
In einer 45-minütigen intimen Akustik-Show erlebte man den Superstar außergewöhnlich ruhig. „Schlicht“ lautete das Motto des Abends, den Eilish – in schwarzem Sweatshirt und Baggy Pants – mit dem von ihrem Debütalbum „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ stammenden Titel „everything i wanted“ eröffnete. Schon damals widmete sie den Song ihrem Bruder, was die Wahl des Auftakts umso dankbarer und emotionaler wirken ließ.
Dass erst der zweite Song „Billie Bossa Nova“ auch die hinteren Reihen der Halle richtig abholte, liegt wohl in der Natur der beiden Titel. Doch auch schon zu Beginn zeigte sich, dass die Superfans der Musikerin in den vorderen Reihen zu finden waren, während sich im hinteren Teil des Raumes auch Menschen befanden, die ihre Musik eher ohne zwischenzeitliches Gekreische genießen wollten. Zu sehen bekamen sie die Musikerin trotz eingeschränkter Sicht durch die zahlreichen erhobenen Smartphone-Bildschirme. Eilish würdigte beide Fan-Gruppen gleichermaßen, indem sie den Saal von ihrer Crew beleuchten ließ. Sie wolle sich alle Gesichter ansehen, um diese „bewundern“ zu können, ließ sie das Publikum wissen.
Wiederkehrende Hilfsbereitschaft: Eilish erbat Security-Einsatz
Auch im Laufe der Show war die Sängerin stets am Wohlergehen ihrer Zuschauer*innen interessiert. Schon mehrfach hatte sie vergangene Konzerte kurzzeitig unterbrochen, um Fans zu helfen. So geschah es auch in Bonn: Da es einem Fan nicht gut ging, wies Eilish mitten in „idontwannabeyouanymore“ die Security an, Wasser zu organisieren. Schließlich wandte sie sich aufmerksam an ihr gesamtes Publikum mit dem Appell, füreinander da zu sein und bei Problemen auf sich aufmerksam zu machen. Danach ging es weiter, als wäre nichts passiert – mit ihren 20 Jahren ist sie bereits ein Vollprofi auf der Bühne.
Zu Wort meldeten die Zuschauer*innen sich später dann aber nur noch gesanglich, während Akustik-Versionen von Billie Eilishs Megahits „when the party’s over“, „ocean eyes“ – der von den meisten Mitsingenden unerreichbare Tonhöhen abverlangte – und ihrem wohl bekanntesten Titel „bad guy“. Obwohl dieser Song im Original mit Synthesizern und wummernden Bässen ausgeschmückt ist, funktionierte der Megahit auch stripped down.
Vielleicht eine der letzten Chancen, Eilish so unmittelbar zu erleben
Das Konzert zeichnete sich gerade durch den Verzicht jeglicher, bei größeren Gigs für sie typischen, elektronischen Spielereien aus und überzeugte durch die Nähe zwischen Künstlerin und Publikum. Eine derart private Atmosphäre hätte in einer größeren Halle nicht entstehen können – und war vielleicht hierzulande eine der letzten Chancen, die Sängerin so unmittelbar zu erleben. Während „Getting Older“ ließ es sich Billie Eilish daher auch nicht nehmen, ihren Zuschauer*innen in der ersten Reihe ganz nah zu kommen und sie singend zu umarmen. Die Ukraine-Flagge, die ihr auf die Bühne geworfen wurde, würdigte sie ebenfalls gebührend, indem sie diese nicht nur vom Boden aufhob und präsentierte, sondern auch küsste.
Grand Finale mit „Happier Than Ever“
Das Highlight des Abends war dann aber wohl für all die, die nicht das Glück hatten, von Eilish umarmt zu werden, der letzte Song. Während „Happier Than Ever“ erreichte die Stimmung im Telekom Forum ihren Höhepunkt: Den rockigen Part des Tracks trug die Musikerin so energisch wie keinen anderen Song an diesem Abend vor.
So bewies Billie Eilish mit ihrer Akustik-Show in Bonn, dass ein gefeierter Popstar im Jahr 2022 auf der Bühne weder eine Gefolgschaft aus Tänzer*innen noch eine aufwendige Light-Show oder eine ausgeklügelte Choreografie braucht. Ein solch schlichtes Konzept geht aber wahrscheinlich nur auf, wenn der Konzertsaal eine gewisse Größe nicht übersteigt. Auf ihrer kommenden Europa-Tournee wird Billie Eilish Hallen mit Kapazitäten von über 15.000 Menschen füllen und dann wohl auch wieder wie gewohnt herumspringen.
Das Konzert wurde am Abend von der Telekom live übertragen und kann auch im Nachhinein noch sechs Monate über Magenta TV oder Magentamusik.de gestreamt werden.