Bildband „H.R. Giger“: Albträume, Albträume, Albträume
Leben und Werk des Surrealisten H.R. Giger
Hans Rudolf Giger verstarb 2014 im Alter von 74 Jahren. Es war leider nicht mehr die Ära, in der sein Schaffen gewürdigt wurde, wie er es bis zu seinem Lebensende verdient hätte. Er erschuf sensationelle Albencover, für Debbie Harry, Danzig oder Emerson, Lake & Palmer. Für Vinyl-Hüllen. Nur im Großformat, nicht im Klein-Klein von CD-Hüllen sind die Details der Arbeiten des Schweizer Surrealisten zu erkennen. Deshalb bedeutete der Aufschwung des Digitalen auch das Ende der Wahrnehmung seiner Person.
Auch im Kino war H.R. Giger auf Handhabbarkeit angewiesen. Auf Puppen und Kostüme. Seine bekanntesten Schöpfungen sind das „Alien“ (1979), der Sexwurm aus „Possession“ (der in Berlin-Kreuzberg lebte!, 1981) und ein weiterer Wurm aus („Poltergeist II“, 1986). Bei „Species“ von 1995 war Giger im Spezialeffekte-Team involviert. Aber digitale, visuelle Effekte beeinflussten bereits Aussehen und Bewegung dieses weiblichen Monsters, das über Begattung tötet. Sein „Alien“ aus „Alien“ war letzten Endes ein „Man in a Suit“, aber Reißmaulzunge und Kuppelschädel erzielten ihre widerliche Wirkung.
H.R. Giger: Suggestive Schlitze in Maschinen
H.R. Giger war der Hieronymus Bosch der Neuzeit. Er nutzte nicht nur Pinsel, Airbrush und Stift. Er klebte und bastelte auch. Er lebte in Angst vor nuklearem Armageddon. Schon der junge Hans Rudolf war erschrocken und fasziniert von der Atombombe, deren ungeahnte Kraft Menschen zerstäubt und die Körper der Überlebenden verformt.
Biomechanoiden (der Begriff klingt viel zu harmlos), also Mischwesen aus Maschine und Mensch, prägten viele seiner Arbeiten. Der Taschen-Band „H.R. Giger“, nun auch als 175-Euro-Edition erhältlich, führt die Albträume des Giger, die sich mühelos auf den Betrachter übertragen, vor Augen. Kreaturen, die sich Rohre in den Mund schieben. Suggestive Schlitze in Maschinen. Man fühlt es sofort. Sogar die Spiegelneuronen im Unterleib melden sich.
Es gibt aber auch Bilder, die man nicht versteht. Der Pilot aus „Alien“ etwa. Regisseur Scott ließ das nicht los. Drehte fast 40 Jahre später einen Film über den Flieger (und scheiterte mit „Promotheus“ spektakulär).
Giger hat keinen Nachfolger, weil keiner mehr so arbeitet. Nicht für die Musikindustrie, nicht für Hollywood. Er konnte zornig sein. Als Regisseur James Cameron ihn für den Xenomorphen-Nachfolger „Aliens“ nicht konsultierte (und das Wesen an vielen Kostümpunkten abändern ließ), begann sein langsamer Rückzug aus Amerika.
Am Ende seines Lebens lebte H.R. Giger wieder in der Schweiz. Dort hatte er sein Gruselmuseum. Und einen Mini-Zug in seinem Garten. Auf dem er dennoch Platz nehmen konnte. Er wirkte dann noch größer. Ein Gigant, in jeder Hinsicht.
TASCHEN
HR Giger
Hardcover in einer Box, 29 x 39.5 cm, 6.20 kg, 506 Seiten
175 Euro