Bikerfreuden
Auf Promo-Reise für sein neues Buch besuchte Barger die deutsche Dependance
Das war ein Leben, Mann, so wie ein Jungentraum, aus dem man bloß nie wieder aufwacht. Immer das Gedröhn schwerer Zweizylinder im Ohr, das Gefühl von Freiheit im Herzen und die Polizeisirenen im Rücken. Wer die Erinnerungen des Ralph „Sonny“ Barger liest, verfallt selbst welchen: an frühe Lesetage mit dem Schut und dem Olprinzen, mit Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Das aber war Spaß, und immer zog das Gute im THumphzug von dannen.
Berichtet indes Barger von Blut und früh verblühtem Leben, dann stand er wahrhaftig gleich daneben und war zuweilen auch schon mal der Täter. Mit den Taten prahlt er jetzt – wie auch, am Ende seiner Autobiographie „Hell’s Angel“ – mit all den Monaten im Knast. Zuletzt hat es ihn 1987 erwischt, da wanderte er für fünf Jahre hinter Gitter. Dafür und aus hundert anderen Gründen pilgerten an einem heißen Sommertag gut tausend Verehrer in ein wenig romantisches Gewerbegebiet bei Lübeck, um sich vor dem „Biker’s Cafe“ mit dem frisch erworbenen Buch zur Audienz und Autogrammstunde anzustellen. Barger residierte auf der Veranda im ersten Stock, nur über eine steile, von Bodyguards gesäumte Treppe zu erreichen. Wie scheißgefährlich so ein Leben als Outlaw ist, daran sollte hier gar nicht erst der leiseste Zweifel aufkommen. „Das Leben als Hell’s Angel“, krächzt Barger und drückt mit dem Daumen auf ein Pflaster am Hals, hinter dem ein Ventil den Kehlkopf ersetzt, „hat sich absolut nicht verändert in all den Jahren. Nur die Zeit ist vergangen – und bei Harley haben sie dreimal den Motortyp gewechselt.“ Jedesmal musste er sich umgewöhnen, denn die Entscheidung für die US-Legende auf zwei Rädern haben die Angels nie revidiert. Eigentlich haben sie sowieso nie Entscheidungen revidiert Barger schreibt in seinem Buch, er führe eigentlich lieber einen japanischen Reisbrenner – aber er darf halt nicht.
Was Sonny sonst noch zu erzählen hat, auf immerhin 300 Seiten, ist haarsträubend und frappierend unvorsichtig. Die Rolling Stones werden zur Tuntentruppe – zu weich und wattig, um in Altamont die Aktionen der „echten“ Angels zu würdigen. Und da jener Meredith Hunter letztlich am eigenen Übermut gestorben sei, war das Ganze nur „ein normaler Tag im Leben eines Hell’s Angel“. Höhepunkte seiner Vita sehen ganz anders aus. Wenn etwa der Qub einen „Run“ ins Feindesland unternimmt Oder wenn Barger & Co. der Polizei beim Verprügeln der Vietnam-Gegner helfen.
Sympathie für den Qub will Barger mit seinem Buch um keinen Preis erbetteln. Ein Plätzchen auf dem Olymp der US-Volkshelden aber wäre ihm durchaus recht. Wer die wenig poetische Legitimation hierfür lesen möchte, dem sei Bargers Buch wärmstens empfohlen.