Besuch vom Teufel
Auf die Kauzigkeit von MODEST MOUSE kann man sich verlassen, doch Bandkopf Isaac Brock gesundet langsam
Wer rettet den Indie-Rock?“ Beinahe kann man die Uhr danach stellen, dass diese Frage in regelmäßigen Abständen aufgeworfen wird. Galten anfänglich Pavement, später Built To Spill und zuletzt die Flaming Lips als die Erlöser, sind nun Modest Mouse an der Reihe.
Und Isaac Brock (Gitarre/Gesang), Eric Judy (Bass) und Jeremiah Green (Drums) haben gut lachen: Das letzte reguläre Album „The Lonesome Crowded West“ verkaufte sich in ihrer Heimat, den USA, mehr als 100000-mal. Da ist es kaum noch vonnöten, dass der befreundete Built To Spill-Mastermind Doug Mansch das Trio aus dem amerikanischen Nordwesten protegiert, denn die 15 Songs des aktuellen Werkes „The Moon & Antarctica“ sprechen für sich. Isaac Brock dagegen scheint das Sprechen über seine Band nicht gerade zu seinen Lieblingsbeschäftigungen zu zählen: „Tut mir leid, wenn ich nicht so viel über unsere neuen Songs sagen kann. Aber mir fehlt noch der nötige Abstand, und über die Texte soll sich am besten der Hörer selbst Gedanken machen. Auch der Titel unserer aktuellen Platte ist ein kleines Rätsel, über das ich lieber nichts sagen möchte.“
Immerhin entspricht Isaac mehr als die meisten anderen Musiker aus dem Gitarren-Underground dem Klischee des kauzigen, wortkargen, aber nichtsdestotrotz bescheidenen und sympathischen Indie-Rockers. Da darf auch eine ordentliche Portion Melancholie und Depression nicht fehlen. Auf den gespenstischen Track „The Gold Part“ angesprochen, gibt Brocks nicht nur zu, dass es sich dabei um sein Lieblingsstück handelt, sondern verrät auch freimütig, wie er sich während des Schreibens fühlte: „Ich bin nicht unbedingt ein trauriger Typ, doch ich habe eine lausige Zeit durchgemacht. Ich bekam Besuch vom Teufel und hatte immer wiederkehrende Halluzinationen. Fast ein ganzes Jahr lang war ich nicht ganz richtig im Kopf.“ Aus diesem Grund hat Isaac seinen Drogenkonsum auf „verschiedene Schmerzmittel und gelegentlich Kokain“ eingeschränkt und ist nach Florida übergesiedelt, wo es ihm nun schon seit längerer Zeit um einiges besser geht als im ominösen Jahr 1998, als er an eben den Songs schrieb, die nun auf „The Moon & Antarctica“ zu hören sind.
Modest Mouse sind einerseits ruhiger, andererseits vielschichtiger geworden. Das signifikante, besonders komplexe Stück hört diesmal auf den Namen „The Stars Are Projectors“, dauert beinahe zehn Minuten und ist für Isaac Brocks nichts wirklich Besonderes. Er weiß auch nicht so recht, wie das seiner Band immer passiert: „Es ergibt sich einfach, dass unsere Stücke manchmal so lang werden. Das hat aber nichts mit Progressive Rock zu tun.“ Und damit gleich gar keine Missverständnisse aufkommen, differenziert er den Begriff noch ein wenig: „Wenn Du damit so etwas wie Genesis meinst, muss ich Dir sagen, dass ich mich immer so weit wie möglich von Phil Collins entfernt befinden will. Pink Floyd vielleicht, aber ansonsten liegen meine persönlichen Einflüsse beim Blues, den Pixies oder The Cure.“
Was sich doch bereits wieder vertraut anhört. So vertraut wie die angenehm schrulligen Songtitel, auf die man sich bei Modest Mouse traditionell freuen kann. Was damals „Jesus Christ Was An Only Child“ oder „Heart Cooks Brain“ waren, sind heute „Tiny Cities Made Of Ashes“ und „I Came As A Rat“. Komische Käuze. Aber verlassen kann man sich auf sie.