„Bestes adaptiertes Drehbuch“: Drehen die Oscars jetzt völlig durch?
„Maverick“, „Barbie“: Actionfiguren und Puppen sind jetzt Vorlage für „beste adaptierte Drehbücher“
Die am heutigen Dienstag (23. Januar 2024) bekannt gegebenen Oscar-Nominierungen „hielten einige Überraschungen parat“, klar, das tun sie jedes Jahr. Greta Gerwig wird nicht für die „Beste Regie“ nominiert. John Williams erhält eine „Original Score“-Nominierung für „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“, obwohl er darin nur seine eigenen Temp-Musik nutzt (Mica Levi fiel raus). „Past Lives“ und „Anatomie eines Falls“ erhalten keine Oscar-Nominierungen als „bester internationaler Film“, obwohl sie die besten Kritiken von allen erhielten – dafür Jonathan Glazers „The Zone of Interest“, den Polen zwar co-produziert hat, der überwiegend aber eine amerikanisch-britische Produktion ist. Irre, das alles, oder.
Aber es geht noch ein ganz klein wenig irrer. Wie schon 2023 scheint für die Kategorie „bestes adaptiertes Drehbuch“ eine äußerst komische Sonderregel zu gelten. Bis zum vorvergangenen Jahr war das so: Infrage kamen nur Filme, deren Drehbuch eine Literaturvorlage adaptiert oder aber, seltener, ein Sachbuch, was aber voraussetzen würde, dass die Umsetzung keine bis wenige fiktionalen Anteile erhält. Gute Regelung.
Das vergangene Jahr hat einiges durcheinander gewirbelt, ohne dass die Academy das je erklärt hatte (sonst mir bitte mailen, liebe Leserinnen und Leser). Nominiert wurde 2023 etwa das Drehbuch von „Top Gun: Maverick“, mit der stolzen Begründung, dass die Figur des Piloten Maverick ja Teil eins, „Top Gun“ von 1986, entlehnt worden sei. Eine interessante Begründung. Demnach können wir uns bald ja vielleicht auf „Bestes adaptiertes Drehbuch“-Nominierungen für „Mad Max: Furiosa“, „Mando und Grogu“, und „Star Wars: Rey“ freuen, da sie auf bereits existierenden Charakteren aufbauen. Ähnlich kurios war 2023 übrigens die Nominierung für „Glass Onion: A Knives Out Mystery“, ebenfalls „based on characters created by“. Das bedeutet übrigens auch: Kein Fortsetzungsfilm, so genial dessen Drehbuch auch ist, kann je mehr als „Original Screenplay“ in Betracht gezogen werden. Sind schließlich stets Figuren drin, die man aus einem vorangegangenen Teil kennt.
Das Jahr 2024 führt diesen bemerkenswerten Trend fort. Neben drei „based on the novel“-Nennungen gibt es eine, „Oppenheimer“, die auf der viel gerühmten „American Promotheus“-Biographie von Kai Bird und Martin J. Sherwin beruht. Man kann hier beide Augen zudrücken, trotz solcher – nicht im Buch vorhandenen – Szenen, in denen Oppy seiner Geliebten Jean Tatlock ausgerechnet beim Sex aus der Bhagavad Gita vorträgt. Aber „Barbie“? „Basierend auf Charakteren von Ruth Handler?“ Handler erfand die Spielzeugpuppe. Als Autorin für „Barbie“-Geschichten jedoch, die sich „adaptieren“ ließen, war sie nicht wirklich bekannt. Gut, von einer Drehbuch-Nominierung für den Super-Mario-Film blieben wir verschont (von einer Nominierung für den Teenage-Mutant-Ninja-Turtles-Film aber leider auch, der war nicht schlecht).
Die mutigste Adaption in diesem Jahrgang stammt von Jonathan Glazer, der „The Zone of Interest“, deutsch „Interessensgebiete“, umsetzte. Glazer entzog Martin Amis‘ Romanvorlage jedes gute Herz. Im Buch gibt es – neben den Schurken – zwar auch feige Opportunisten, aber auch zwei Helden, sogar deutsche Helden. Bei Glazer ist davon, was alles in allem richtig ist, nichts übrig geblieben.
Warum aber kann sich die Academy nicht auf die fünf besten Adaptionen von Büchern einigen? Was haben Spielzeugpuppen und Maverick in dieser Kategorie zu suchen? Mir fallen dafür nur zwei Gründe ein. Entweder, es gibt keine guten Bücher mehr, die adaptiert werden können.
Kann ja eigentlich nicht sein.
Oder, schlimmer: Das Oscar-Gremium hat keine Lust mehr Bücher zu lesen.