Roger Waters: Bizarres Gezerre um verschwundene Zitate
Die „Berliner Zeitung“ hat Interview mit dem Grummel-Veteran im Vorfeld der 2023er-Tour geschönt
Wenige Monate vor der letzten Tour von Roger Waters im Mai 2023, die von wilden Debatten und Verbots-Anträgen umgeben war, brachte die „Berliner Zeitung“ ein langes Interview mit dem mittlerweile 80-jährigen Pink-Floyd-Mitgründer.
Damals waren Chefredakteur Tomasz Kurianowicz und Freelance-Kulturschreiber Max Kühlem extra nach England zum „Hardtalk“ angereist. Die Basis für die spätere Veröffentlichung. Kühlem versorgte auch die „Süddeutsche Zeitung“ mit einer anderen Variante des brisanten Water-Stoffs.
Waters selbst wiederum veröffentlichte die zur Freigabe vorgelegte Version der „Berliner Zeitung“, rückübersetzt auf Englisch auf seiner Homepage.
Dem Kollegen Sebastian Leber vom „Tagesspiegel“ fiel später auf, dass sich die „Berliner“- von der Homepage-Fassung in einigen wesentlichen Punkten unterscheidet. Alle Passagen, in etwa denen der BDS-Vorturner, wie anderswo auch, Israel heftig verdammt, fehlen merkwürdigerweise.
Auch die „FAZ“ hat beide Versionen miteinander verglichen. Absent etwa die Stelle, beginnend mit der Frage: „Sie haben den Staat Israel einmal mit Nazideutschland verglichen. Stehen Sie immer noch zu diesem Vergleich?“ Auch die damalige Antwort, die mit der Aussage beginnt: „Ja, natürlich. Die Israelis begehen einen Völkermord.“ Andere Aussagen, die in der Waters-Version existieren, waren ebenfalls verschwunden.
Gegenüber der „FAZ“ bezieht Chefredakteur Kurianowicz aktuell dazu Stellung: „Die Berliner Zeitung bietet Kampfparolen, die dem Staat Israel Apartheid und Genozid vorwerfen, Israels Existenzrecht infrage stellen, Israel mit Nazi-Deutschland vergleichen und Israel Faschismus unterstellen, keine Plattform.“
„Tagesspiegel“-Journalist Leber, der die Sache mit der „Interview-Schönung“ entdeckt hatte, sieht die Sache anders: Nach seiner Lesart wollten die „Berliner“ nicht auf eine groß aufgemachte Doppelseite verzichten. Deshalb hätte man kurzerhand beschlossen, die kontroversen Passagen glattzubügeln, „um später nicht selbst in die Kritik zu geraten“. Das Feature in der „Berliner Zeitung“ würde damit den Eindruck vermitteln, so „schlimm“ wären Waters’ Ansichten ja gar nicht. Bedeutet auch: Die vielfach heftige Kritik an diesem Mann sei ohnehin übertrieben.
Im Wechselspiel „Berliner Zeitung“ und „Tagesspiegel“ (mit der „FAZ “als Außenbeobachter aus Frankfurt/M.) flogen diverse Giftpfeile hin- und her. In Gänze wirft die Interview-Causa mit Waters ein Schlaglicht auf den heiklen Interview-Freigabe-Modus bei schwierigen Popstar-Interviews. Zudem im Falle Waters die ganze Angelegenheit von Tour-Veranstaltern und/oder Management ermöglicht wurde; auch um die Wogen für die große Mai-2023-Tour und das Berliner Konzert in der Arena am Ostbahnhof einigermaßen zu glätten. Letztlich ging es vielleicht auch um den Abverkauf teurer Premium-Tickets …