Berlinale-Tagebuch: Die schönen, leeren Menschen von L.A und das tragische Leben des Kurt Cobain
Im Programm: Terrence Malicks "Knight Of Cups", die Cobain-Doku "Montage Of Heck" sowie "Queen Of Earth" von Alex Ross Perry
Aufgeregt, “hier hier” schreiende Fotografen, Journalistinnen, die sich über die faltenfreie Stirn von Nicole Kidman austauschen und schmachtende Fans, die in der Kälte warten. Die richtigen Weltstars sind bei der Berlinale am Wochenende eingetroffen. Zur Premiere von “Queen of the Desert”, dem neuen Film von Werner Herzog, gab es am Freitag Hollywood-Feeling. So fanden sich Damian Lewis (bekannt als Nicholas Brody in „Homeland“), neben Nicole Kidman und James Franco (der gleich in drei Filmen des Wettbewerbs mitspielt) um den sichtlich entspannten Regisseur Werner Herzog ein. Am Sonntag ging es weiter mit den Staraufgebot mit Christian Bale und Natalie Portman, die im neuen, von allen Filmkritikern erwarteten Film “Knight Of Cups” von Terrence Malick („Tree of Life“) mitspielen. Bale war bei der Pressekonferenz etwas wagemutig und hatte Spaß daran bei Fragen, die er nicht persönlich beantworten wollte, den Spieß einfach umzudrehen und so ein paar Journalisten in ernsthafte Erklärungsnot zu bringen.
Nur Robert Pattinson, der in Herzogs Film einen kurze Auftritt als Lawrence von Arabien hat, wird erst heute zur Premiere von Anton Corbijns neuem „Life“: einem Biopic über James Dean, den Weg durch kreischende Twilight-Mädchen-Massen zum Potsdamer Platz finden.
Knight of Cups – “Terrence Malick” – Verloren in LA
Terrence Malick ist der Mann für die großen Fragen des Lebens. Jetzt hat sich der Ausnahme-Regisseur in seinem neuen Film “Knigh Of Cups” der oberflächlichen Welt der Stars angekommen. “Knight of Cups” folgt in Form einer Märchenerzählung der Sinnsuche eines Schauspielers (Christian Bale) in der glamourösen Scheinwelt von Los Angeles. Malick legt somit zum ersten Mal einen Fokus auf einen spezifischen Ort, dessen unbeschreiblich anziehende Leere nicht besser hätte festgehalten werden können.
Malick fordert den Zuschauer in den eigenen Vorstellungen von der Welt immer wieder heraus. Die Stärke von “Knight of Cups” liegt deshalb neben der herausragenden Bildwahl auch in den Voice-Over-Texten, die in ihrer Tragik eine fast Bukowski-artige Größe bekommen: “Treat this world as it deserves – there are no consequences only circumstances.” Mit dieser Aussage folgt man Bale dabei, wie er sich durch eine Scheinwelt treiben lässt, in der durch die fehlenden Konsequenzen alles möglich zu sein scheint. Der amerikanische Traum in seiner albtraumhaften Reinform “Anything goes”, das in seinem leeren Versprechen fast schon zu einer Bedrohung wird und sich meisterhaft in den Aufnahmen von Venice Beach, der Küstenstadt der Verrückten, wiederspiegelt.
Mit den für Malick typischen, beeindruckenden Naturaufnahmen wird das Gefühl der Leere der schönen Models mit dem kontaktfreudigen, nach Aufmerksamkeit lechtzenden Glamourvolks immer wieder kontrastiert. Die Menschen, die in diesem Film nach Perfektion streben, werden die Form der Vollendung, die in den Aufnahmen der Natur sichtbar ist, nie erreichen und doch streben sie unermüdlich danach. Und so begibt sich auch Bale auf die Suche nach dem Ich, das schon lange abhanden gekommen ist. Dieses Narrativ wiederholt sich in “Knight Of Cups” kaleidoskopartig in den verschiedenen kleinen Szenen, die durch ihre Perfektion beeindrucken. So sieht man beispielsweise eine Unterwasseraufnahme, bei dem ein Ball ins Wasser fällt, Hunde hinterher springen und mit den Zähnenn nach den Ball schnappen und ihn doch nicht erreichen – und gleichzeitig wird die Suche nach dem verloren Ich zum metaphorisch unerreichbaren Ball für Bales Charakter. Schade ist an diesem Film allerdings nur, dass die Frauen meistens auf ihre Schönheit und Oberflächlichkeit reduziert werden. Hier hätte man sich gewünscht, dass Malick seine Figuren etwas mehrschichtiger ausarbeitet, so wie man es in Ansätzen im Charakter von Cate Blanchett sieht, die als starke Ärztin und Ex-Frau auftritt.
Zur Schönheit der inszenierten Zufälligkeit hat auch Bale beigetragen, der von Malick zu Beginn der Dreharbeiten eine Go-pro Kamera geschickt bekam, mit der einfach ein paar Szenen filmen sollte. Diese lockere Art des Drehens erkennt man auch in der schauspielerischen Leistungen von Christian Bale, Cate Blanchett und Natalie Portman, denen man das Vertrauen in die Regiefähigkeiten von Malick anmerkt. Wie Natalie Portman bei der Pressekonferenz so schön erklärt: “filming with Terry is about embracing the unknown and searching for something beautiful every day.”
Am Ende hat man das Gefühl, dass Malick der Scheinwelt Hollywoods ein Denkmal gesetzt hat, oder wie es ganz zu Beginn heißt: “The palmtrees tell you, you can be anything you want.” Die verführerische Kraft und der Sog dieser Welt wird einem besonders bewusst, wenn die Kamera Malicktypisch aus dem fahrenden Auto in den Himmel zeigt und über einem die Palmenwipfel eines Boulevards in L.A. endlos vorüberziehen. Am Ende dann das Bild einer Straße, die entweder zum Ziel oder weiter ins Nirgendwo führt – alles ist möglich.
Cobain: Montage of Heck
Über kaum einen anderen Musiker gibt es so viele Mythen, Geschichten und fragmentarische Erinnerungen wie über Kurt Cobain, den Helden aller unglücklichen und missverstandenen Teenager. Doch obwohl man alles zu wissen glaubt, ist man der Person Cobain bisher nie richtig nahe gekommen. Mit „Montage of Heck” von Brett Morgen, der nach einem Mixtape von Cobain benannten Dokumentation, ist dies jetzt also der Film geworden, den man sich mit 14 als Nirvana-Fan mit grünen Haaren und rebellischer Attitüde immer gewünscht hat. Ein Film, der nicht nur beschreibt, sondern behutsam und nicht wertend versucht zu verstehen, wie aus dem geliebten “golden Boy“ , der am meisten gehypte, aber gleichzeitig unglückliche junge Mensch der Grunge-Generation werden konnte.
“Kurts brain was just constantly on”, sagt Cobains Mutter direkt am Anfang des Films. Diese Erklärung ist vielleicht die aller einfachste, die den bis heute unverständlichen Freitod von Cobain erklärbarer macht. Das im Film vielfach thematisierte, konstante Denken und Reflektieren steht für den kometenhaften Aufstieg des Nirvana-Sängers, aber auch für die Überforderung und den viel zu frühen Tod dieses Ausnahmetalents mit nur 27 Jahren. Wenn Tracy, die ehemalige Freundin von Cobain, erklärt, “Did Kurt find the underground or did the underground find him? – Well they’ve probably found each other” versteht man, das dieser Erfolg von Nirvana am Ende zwar für die Grunge-Bewegung eine der größten musikalischen Bedeutungen hatte, für Cobain aber gleichzeitig das Todesurteil war.
Brett Morgen hat an seinem Film fast sieben Jahre gearbeitet und wurde dabei als erster Filmemacher von Kurt Cobains Familie unterstützt, die ihm am Ende aber trotzdem die gesamte Schnitt-Freiheit eingeräumt haben. Cobains Tochter Frances Bean ist Co-Produzentin des Films und hat ihrem Vater somit eines der herausragendenen Denkmäler gesetzt, die man sich vorstellen kann. Morgens Film lebt vor allem davon, die Vielschichtigkeit von Cobains Talent zu zeigen. Mit kurzen Animationssequenzen, Zeichnungen und Tagebucheinträgen, die immer wieder in die Story eingeflochten werden, hat man am Ende das Gefühl, dass sich das kurze Leben von Cobain, Fragment für Fragment, immer mehr zu einem Puzzle zusammenfügt.
Am Ende hallen einem dann allerdings erneut die Worte von Kurts Mutter in den Ohren, die ihrem Sohn nach dem ersten Hören des Nirvana-Albums einen Rat mit auf den Weg gibt: “You better buckle up, cause you are not ready for this.” Wie tragisch, das sie am Ende recht behalten hat.
Queen of Earth
Catherine (gespielt von Elizabeth Moss, “Mad Men”) hat es nicht gut getroffen: Erst stirbt ihr Vater, ein hochangesehener, aber depressiver New Yorker Künstler, und dann wird sie auch noch von ihrem Freund verlassen. Nach diesen Katastrophen sucht sie Zuflucht in einem Haus am See bei ihrer besten Freundin Virginia (Katherine Waterston, “Steve Jobs”, “Michael Clayton”). Alex Ross Perry hat mit “Queen of Earth” einen Film über eine Freundschaft geschaffen, der so bedrohlich beunruhigend ist, wie ein Eisberg, bei dem man nur die Spitze sehen kann. Die Gedanken und Gefühle, die sich unter der Oberfläche der beiden Hauptdarstellerinnen befinden, offenbaren sich nie und sind dennoch in ihrer unsichtbaren Massivität stets präsent. Das von außen golden erscheinende Leben, in dem man nicht arbeiten muss, weil die Eltern reich sind, glänzt am Ende vielleicht doch nicht so golden, wie man im ersten Moment denken würde. In “Queen of Earth” passiert insgesamt nicht viel, trotzdem setzt sich ein Gefühl von Beklemmung fest, wenn man dabei zusieht, wie Catherine langsam den Verstand und dann sich selbst verliert. Auch wenn die Story vielleicht etwas mehr Ausarbeitung hätte verdienen können, bleiben die schauspielerischen Leistungen von Moss und Waterston herausragend. Wenn man eine Freundschaft wie diese beiden starken Frauen hat, dann braucht man am Ende wirklich keine Feinde mehr.