Berlin, Texas
In den 70er Jahren mischte er als Outlaw die texamsche Country-Szene auf, dann zog es KINKY FRIEDMAN nach New York City, wo er beschloß, Schriftsteller zu werden. Seither macht er als Autor burlesker und nicht selten bizarrer Kriminalromane von sich reden. Held dieser humorvollen Stories ist ein ehemaliger Country-Sänger, der umgesattelt hat auf Privat-Schnüffler: der Kinkster selbst.
Es braucht schon Ego-Blähungen der unappetitlichen Art, gepaart mit Koketterie und einem gerüttelt Maß Einfalt, bis sich einer nicht entblödet, von sich selbst in der dritten Person zu sprechen. Kicker Matthäus, Kraftfahrer Schumacher, Kanzler KohL Pfeifen, die sich allzeit in die Brust werfen und auch vor dem pluralis majestatis nicht zurückschrekken würden, so er ihnen geläufig wäre. Eine einzige Ausnahme nur von dieser ehernen Regel ist bekannt, und man muß schon genau hinhören, um herauszufinden, warum Kinky Friedmans Sympathiewerte sogar noch steigen, wenn „The Kinkster“ zum Subjekt wird und zum Kronzeugen der abstrusesten, skurrilsten Geschichten diesseits des Rio Grande. Selbstironie? Sicher, aber mehr als das. Der Kinkster ist eine Kunstfigur, die Einblicke ins Seelenleben des Richard Friedman verbaut. Ein Freund, der Neugierige abwimmelt. Ein Sarkast, scheinbar unverwundbar. „Under The Double Ego“ hatte Kinky sein viertes Album seinerzeit genannt, als seine Musiker-Karriere schon keine mehr war und das Schreiben kulturpessimistischer, widerborstiger, grotesk-witziger, zotiger, sakrilegischer und stets politisch absolut unkorrekter Crime Fiction noch keine lukrative Alternative.
Über seinen aufhaltsamen Aufstieg und Fall als Country-Outlaw in den Siebzigern und die so unverhoffte wie unaufhaltsame Laufbahn als Krimi-Autor seit den Mitt-Achtzigern mag Kinky, sagt er, nicht räsonieren. Und tut’s dann doch. „Es ist ungleich schwieriger, einen guten Song zu schreiben als ein gutes Buch“, erklärt er ernst und nuckelt an der obligaten Zigarre. „Damit nicht genug. Du gibst das Buch deinem Verleger, und das war’s. Der Song jedoch will arrangiert sein, eingeübt, im Studio aufgenommen und der Plattenfirma angedient. Dann brauchst du ein Dutzend davon für eine Platte, die sich wiederum nicht von selber verkauft. Du mußt Auftritte, absolvieren, dich hier krümmen und da beißen. Seit die Branche in der Hand von Anwälten ist und sich alles nur noch ums Geld dreht, ist es fast aussichtslos geworden für den Kinkster.“ Ein Fall von born too latil „Yeah, schon möglich. Aber kein Grund, in Selbstmitleid zu zergehen.“ Nostalgie tut’s auch. „Ohne magic midnight show/ She taught me how it feels/ Once, oh so long ago/ When rock’n’roll was real“ Zeilen, die Friedman live mit geschlossenen Augen singt, die seinem Song „Autograph“ entstammen und die er als Widmung seinem Schmöker „When The Cat’s Away“ vorangestellt hat.
So feierlich geht es freilich selten zu in Friedmans Texten, ob sie nun zur literarischen oder musikalischen Verwertung bestimmt sind. Wahr ist, daß seine Songlyrik stärkerer Tobak zu sein scheint, schärfer, pointierter. Es braucht nicht allzuviel Phantasie, um sich vorzustellen, was Kinky Friedman damals im Lone Star State lostrat, als er mit seinen Texas Jewboys einritt, auf dem Stetson der Davidstern, auf den Lippen anstößige Lieder. Einen Tick zu realitätsbezogen waren Rassismus und Antisemitismus in „We Reserve The Right To Reserve Service To bu“ oder „They Ain’t Makin‘ Jews Like Jesus Anymore“. Nicht nur,
daß diese dubiose Bande ihren Namen an den gebenedeiten des Nationalheiligen Bob Wills 8C His Texas Playboys anlehnte, nein, diese seltsame Kreuzung zwischen Groucho Marx und Tommy Duncan selig hatte ein ungesund loses Mundwerk, vor dem nichts sicher war. Am wenigsten die bigotten „good old boys“, der vorurteilsbeladene Bodensatz der Flatlands. „A redneck nerd in a bowling shirt was guzzlin‘ Lone Star beer…“ begann so eine Country-schunkelige, durchaus Texas-typische Weise. Darauf folgt ein surrealer Wortwechsel, der eskaliert und in eine Saloon-Schlägerei mündet. Dabei hatte der Redneck seinen militanten Judenhaß so anständig relativiert wie nur irgend möglich: „You know, you don’t look Jewish, he said, near as I could figure/ 1 had you lamped for a slightly anemic, well-dressed country-nigger.“
Provokation ist bei Friedman eher Stilmittel, nie Selbstzweck. „Ich bin mir ja meist selbst nicht geheuer“, wehrt er die Frage nach seiner Moral entrüstet ab, „ich bin voller Scheiße und wirklich der letzte, der den Zeigefinger heben darf.“ Daß er es doch tut, mit vitriolischem Vergnügen und mit all der Häme, die er aufbieten kann, hat zwei Gründe. Der erste ist offenkundig: Humor. Doppelbödiger, knochentrokkener, bärbeißiger, tollwütiger, hinterfotziger, leider nicht selten kalauernder und krasser Humor. Es ist kein Zufall, daß man des Kinksters Werk vor allem dort schätzt, wo eine Kultur gewachsen ist, die alles Denunziatorische unkomisch findet und statt dessen dem Individuum erlaubt, über sich selbst zu lachen, ohne sich der Lächerlichkeit preiszugeben: in Großbritannien, in Australien, in – so Kinky nicht ohne Stolz – Südafrika.
Der zweite Grund: „Egal, wieviel geistigen Müll du mit dir herumschleppst, es gibt immer Leute, die dich darin spielend übertreffen.“ Was natürlich den Ehrentitel „Male Chauvinist Of The Year“ evoziert, der Kinky vor fast 25 Jahren von verbiesterten Frauenrechtlerinnen verliehen worden war, für seine Song-Spiegelfechterei „Get Ybur Biscuits In The Oven And bur Buns In The Bed“. Women’s Lib als verläßliches gesellschaftliches Äquivalent zum Pavlovschen Hund. „Die haben das überhaupt nicht kapiert, brauchten aber dringend ein weiteres Feindbild, und so stand ich gern zu Diensten.“ Vor ein paar Monaten hat Kinky Friedman den feministisch inkriminietten Song an lcd. lang geschickt, mit der Bitte, ihn doch für ein Kinkster-Tribute-Album zu covern. „Sie hat nicht mal geantwortet“, klagt er, während die Zigarre no hands! – von einem Mundwinkel zum anderen wandert, „das hat mich verblüfft“. Soviel zum Realitätssinn des inzwischen in New brk zum Bestseller-Autor avancierten Texas Jewboy.
Auch als Privatschnüffler in den Straßenschluchten von New brk bleibt Kinky er selbst, ein liebenswert vulgärer Stinker, ein großmäuligen zivilisationsmüder, traumtänzerischer und chaotischer Grantier, der sich mit wechselvollem Erfolg durch sein ebenso popeliges wie pittoreskes Leben schlägt „Three cigars and half a bottle of Jameson later, the only thing that really seemed to be clicking was the lesbian dance dass.“ So oder ähnlich beginnen die Kapitel der selten logisch konstruierten Geschichten. Plausibilität und Dramaturgie gehören nicht zu Friedmans Stärken, doch sind seine Formulierungen so fulminant und seine Charaktere so plastisch, daß man auf den Plot pfeift und bloß noch wissen will, wie sich der Kinkster wohl aus dieser oder jener prekären Situation herausmanövriert Friedman macht auf hard-boiled, doch ohne Jim Thompsons Lakonie oder James Ellroys Schock-Taktik. Und so richtig brutal wird es nie. Davor bewahren uns Kinkys abgeklärter Slang und sein unkonventioneller, arhythmischer Erzählstil, der hart an Slapstick grenzt. Haarsträubend, aber urkomisch. „Dear Kinky, Ihare now read aüyour books“, schrieb ihm sein Freund und Fan Bill Clinton, ein Mann, der selbst hin und wieder Verwendung hat für eine stattliche Zigarre. Bills Bitte: „More please. Ireally needthe laughs.“ Glauben wir gern.
In Berlin will Kinky in den Spuren Clintons wandeln und dieselben Orte aufsuchen wie der Präsident bei seiner Staatsvisite. „Clinton ist mein Pen PaL wir stehen in Verbindung. He’s afunny man, veryfunny.“ Es ist Sommer, und Kinkys Kumpel hängt noch nicht am Haken der republikanischen Inquisition. Der Starr-Report wird die Sensation von morgen sein, heute wundern wir uns, daß Friedman nach all den Jahren der Aversion aus der Ferne den Deutschen einen Besuch abstattet. Seinem zweitliebsten Volk, wie er bei jeder Gelegenheit betont, nie ohne den erhellenden Zusatz, daß Platz eins in seinem Herzen vom Rest der Welt belegt werde. Ein ortsansässiger Fan, der Kinky auf dessen Echo Hill Farm in Texas besucht und nach Berlin eingeladen hatte, war schuld an des Kinksters Kommen. Zwei ausverkaufte Konzerte und die lange Schlange eingeschworener Friedman-Fans, die vor dem Buchladen „Hämmert“ seiner harren, um sich Berge von Schallplatten und Büchern signieren zu lassen, tragen das ihre dazu beu den Künstler gnädig zu stimmen. Da sitzt er nun, den unvermeidbaren kubanischen Stinkstengel und ein breites Grinsen im Gesicht, schreibt geduldig Widmungen und schäkert mit der holden germanischen Weiblichkeit „Keine Ahnung, was ich erwartet habe“, sagt er später gut gelaunt, „aber ich bin angenehm enttäuscht Natürlich habe ich früher schon Deutsche kennengelernt junge Rucksacktouristen meist, die ausnehmend nett waren. Und unter den vielen deutschstämmigen Nachbarn, die wir bekamen, als wir 1952
von Chicago runter nach Texas zogen, gab es etliche anständige Leute. Sicher, ein paar schnürten sich die Stiefel nach Nazi-Art, aber es waren dennoch Texaner und somit Amerikaner. It all gets fucked up anyway.“ Fußnote: Das Nest, das die Friedmans nach dem Krieg zu ihrer neuen Heimat erkoren, heißt Palestine. Palestine, Texas. „Was nur beweist“, konstatiert der Kinkster nicht ohne eine gewisse Zerknirschtheit, „daß Namen nichts bedeuten und du deine Identität dorthin mitnimmst, wohin es dich verschlägt.“ Welcome to Berlin, Texas.
Im texanischen Palästina der 50er Jahre kam der junge Friedman bereits sehr früh auf Tuchfühlung mit Country Music „Meine Eltern hörten hauptsächlich Paul Robeson oder klassische Sachen, und so bekam ich einiges davon mit auf den Weg. Aber ich liebte Jimmie Rodgers und Ernest Tubb, und Hank Williams‘ Tod hat mich sehr beeindruckt, obwohl ich noch keine zehn Jahre als war. Elvis war wichtig, klar, aber ich war zu jung zum Tanzen und zum Techtelmechteln, und so ging der Rock’n’Roll-Kelch, fürchte ich, an mir vorüber. Erst später habe ich Carl Perkins kennengelernt und bin mit Jerry Lee Lewis aufgetreten unter dem Banner ,The Killer 8C The Kink‘. Thal was pretty damn wild.“‚ Kontaminiert mit Honky Tonk, noch bevor er Kinksize erreicht hatte, war es nur eine Frage der Zeit, bis Friedman zur Gitarre griff. Zuerst mußten Don-Gibson-Songs dran glauben. Später, nach mehr als drei Jahren Freiwilligendienst beim Peace Corps in Borneo, war Merle Haggard dran, dessen proletenhaftpatriotische Anti-Hippie-Hymne „Okie From Muskogee“ von Kinky quasi umgepolt wurde., J’m Proud To Be An Asshole From El Paso“ hieß der Gassenhauer jetzt, ganz offenkundig nicht weniger over the top als das Original. Trotzdem durfte Friedman seinen drolligen Gegenentwurf nicht veröffentlichen. „Merle hatte nichts dagegen, he lored it‘ Der Mann hat Klasse. Es war Bück Owens, dem die Publishing-Rechte gehörten, der sein Veto einlegte.“
In Owens habe er sich getäuscht, doch könne er sonst seiner Menschenkenntnis durchaus trauen, behauptet Kinky. Nur eine einzige große Fehleinschätzung sei ihm in den letzten Jahren unterlaufen. „/ never liked Dwight Yoakant, I thought he was a phony.
Warum sonst sollte ein Intellektueller zu singen versuchen wie ein Hinterwäldler? He didn ‚t mean it, he didn’t live it, das war mein Eindruck. Ein Gauguin, kein Van Gogh. Sicher kein Townes Van Zandt, eher ein Garth Brooks. Aber ich gebe zu meiner Schande zu, daß ich meilenweit daneben lag mit meiner Meinung. Eines Tages sah ich ihn in der Whoopie-Goldberg-Show, und dort sagte er, .Musical Chairs‘ sei das beste Buch, das er seit langem gelesen hätte. Nun bin ich nicht ganz so egozentrisch, daß das allein schon gereicht hätte, mein ursprüngliches Urteil über den Haufen zu werfen. Doch dann begann er, ziemlich kluge Dinge zu sagen, wirklich durchdachtes Zeug, und ich beschloß, ihm auf den Zahn zu fühlen. Die Gelegenheit kam wenig später in Austin, und was soll ich sagen, Dwight and I really hit it off. Heute sind wir eng befreundet, arbeiten zusammen und telefonieren mehrmals die Woche. Dwight ist ein großartiger Kerl, sehr sensibel. He ’s real. Hast Du gewußt, daß der Junge in seinem ganzen Leben noch keinen Tropfen Alkohol angerührt hat, daß er nie geraucht hat und seit 25 Jahren Vegetarier ist? Unglaublich, wenn ich bedenke, daß ich sonst nur mit Verlierern zu tun kriege. Oder mit Leuten, die eine ausgeprägte destruktive Ader haben, John Belushi, Keith Moon, Iggy Pop. Typen mit einer ungesunden Attitüde, either dead or death bound. Dwight hat diese Macht, mir die Augen zu öfihen. Indem er ,Saginaw, Michigan‘ singt, daß man für Momente sogar Leftys Original vergißt Oder indem er einfach nur diese unbändige Lebenskraft ausstrahlt Dabei hass ich ansonsten junge Menschen, ich meide den Umgang mit ihnen. / don ‚t need it. Like I don ‚t need fuckin‘ childreti. Ich mag Menschen, die gelebt haben. Und Tiere. Armadillos, Katzen, Kolibris.“
Das paßt prächtig zum Misanthropen-Image, das Friedman liebevoll in seinen Songs und mit beängstigender Hingabe in seinen Romanen kultiviert. Als Amateur-Detektiv vagabundiert der Kinkster so waghalsig durch das Village und angrenzende Bezirke, daß die eh schon dünnen Handlungsstränge nur mittels bizarrer Vorkommnisse und Verwicklungen mühsam hingezwirbelt werden. Dann, das räumt Kinky ein, zerfließen die Grenzen zwischen Fiktion und Faktischem vollends, Irritation macht sich breit, und es ist höchste Zeit für einen für gewöhnlich witzig formulierten, aber alles in allem doch recht ordinären Rundumschlag gegen die Welt an sich, die Technik und den ganzen schnöden Fortschritt Das gibt Kinky, dem Schreiber, und Kinky, dem Schnüffler, Zeit zum Luftholen. Und um sich irgendwie wieder einzufädeln in die havarierte Handlung. „Ich lasse mich doch nicht zum Sklaven einer Scheiß-Handlung machen“, pflegt der Krimiautor dann in die Defensive zu gehen, „das ist doch langweilig. Wann immer ich das Gefühl habe, daß irgendetwas nicht synchron läuft und die Geschichte auf der Stelle tritt, wird nicht lange am Knoten herumgenestelt, sondern er wird sauber durchtrennt Das behindert womöglich ab und an den Lesefluß, aber um so befriedigender ist es doch, wieder Anschluß
zu finden an die Story.“ Vom gordischen Knoten zur berüchtigten Friedmanschen Dramturgie in zwei dialektischen Schritten. Dem Amateur ist nichts zu schwör.
Ähnlich sprunghaft verlief Kinkys Echtzeit-Leben in den Sixties. Einer Party-Band namens The Three Rejects folgte ein kurzer Flirt mit Surf bei den semi-legendären King Arthur & The Carrots, und mehr oder weniger parallel dazu der kaum ernsthaftere Versuch, an der Uni Sinn zu stiften oder doch immerhin zu finden. Ein Psychiater erkannte in dem unruhigen Friedman den unstillbaren Drang, Gutes zu tun. Er empfahl das Peace Corps. „Irgendwo Leuten helfen, denen es dreckig ging, schien eine Menge Sinn zu machen, besonders wenn man bedenkt, was gleichzeitig in Vietnam geschah. Ich glaube, es war JFK, sein Beispiel, das mich ausreichend motivierte, den Schritt zu wagen. Eigentlich wollte ich nach Afrika, hatte sogar schon Suaheli gelernt, aber dann schickten sie mich nach Borneo. Die Sixties werden heute gerne verklärt, es fallen Worte wie Rebellion und Emanzipation. But we werejust innocent fuckin‘ idiots. Wir wußten es nicht besser, auf keiner Seite. Und das Peace Corps machte niemanden zu einem besseren Menschen. Wer davor ein Bürokraten-Arschloch war, blieb eins und füllte daheim dieselbe beschissene Rolle aus, kaum daß er zurückkehrte aus dem Entwicklungsland, in dem er seinen menschenfreundlichen Dienst verrichtet hatte. Die Leute ändern sich nicht so einfach, leider.“
Auch Kinky Friedman wechselte nicht die Farbe, als er um eine wertvolle Erfahrung reicher aus Borneo zurückkehrte, doch er blühte auf. „Ich entpuppte mich als ausgesprochener Spätentwickler. For years I had beert in a State of arrested derelopment. So nennt man das, glaube ich.“ Die Beatles und Stones hatten in seinen Gehirnwindungen zwar Spuren hinterlassen, aber chemische Reaktionen blieben aus. ,J didn ‚t really get into that kind of mttsic. Die Haight-Ashbury-Szene machte Schlagzeilen, rauschte jedoch völlig an mir vorbei. Ich nahm keine Drogen. Auf dem Weg nach Borneo blieb ich ein paar Tage in San Francisco. Ich hab Dope geraucht und bin sofort eingeschlafen, hab einfach nicht darauf angesprochen. Dann verbrachte ich zwei verdammt lange Jahre im Dschungel, und in dieser Zeit ist ’ne Menge passiert. Bobby Kennedy und Martin Luther King wurden umgebracht, die Jugend probte den Aufstand, Chicago, Abbie Hoftimann, all that shit happened. Einiges davon habe ich aus der Ferne mitbekommen, vieles überhaupt nicht. Zeitungen, die uns eher zufällig erreichten, waren gewöhnlich vom Vormonat. Und wenn der Monsun-Regen kam, waren wir wochenlang völlig abgeschnitten. Auf einem Markt entdeckte ich einmal einen Stapel Zeitschriften, mit denen der Händler seine Waren einwickelte, aber sie waren chinesisch und von 1948. Ein paar sogenannte Errungenschaften der Neuzeit drangen allerdings schon zu uns durch.
,Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band‘ zum Beispiel, das ich unter den gegebenen Bedingungen sehr lustig fand, und, wenn ich ehrlich bin, bis heute mag, obwohl es doch gar nicht viel mehr ist als eben lustig.“
Friedman verpaßte Flower Power und Psychedelia, wofür es dankbar ist. JEs hätte nicht zu mir gepaßt / missed out on fun my whole fuckin‘ life. Andere lernten zur Gitarre zu singen, um Mädchen ins Bett zu kriegen. Bob Dylan etwa, der sehr gut darin war. Nicht ich. Meine Motivation war eine andere, ich wollte meinen Ideen Ausdruck verleihen (lacht lauthals). Zu komisch, aber leider wahr. Andererseits hatte ich Country Music. Hank, Charlie Walker, Elton Britt. Sehr lohnend. Ich war ganz vernarrt in dieses Konzept des einsamen Country-Sängers. Die tragische Dimension traf mich volL Hank rührte an mein Innerstes. Und Lefty. Das konnte mir die modische Musik nicht geben. Dwight schafft es manchmal, er versteht, worum es eigentlich geht“
In der Isolation und Abgeschiedenheit des asiatischen Dschungels begann Friedman Songs zu schreiben, einige seiner besten, wie er heute sagt. Songs
wie „Make My Coflfee Blue“, der „eines George Jones würdig“ wäre, der es aber nie zur Auffuhrung brachte. Zurück in Texas, formierte Kinky die Texas Jewboys, machte eine Platte für Vanguard, ohne jemals groß getourt zu haben, und der Rest ist vielleicht nicht Rock’n’Roll-History, aber doch bestens dokumentierte Oudaw-Folklore. „Es ging dann alles sehr schnell, wenn auch nicht ohne Rückschläge. Chet Flippo schrieb um 1972 im ROLUNG SIONE eine Story über uns – mit der Headline: JBand Of Unknowns Fails To Emerge‘.“
Vier Alben für ebensoviele Labels, dazwischen eine Latte verpaßter Chancen. Wilüe Nelson und Leon Russell wurden 74 einbezogen und die Zukunft schien rosig, dann zog ABC Records den StöpseL And theflopsjust kept on Coming.
Der Kinkster zog nach New brk, mischte Manhattan auf und spielte Gigs im „Lone Star Cafe“, über die noch heute gesprochen wird, obwohl sie oft genug wild waren und kein Ende fanden, oder vielleicht gerade deswegen. Als Kinkys Wasserloch im „Lone Star“ versiegte, zappelte er eine Weile wie ein Fisch im Trockenen, zog sich pleite ins Private zurück und blies Trübsal, wenn er nicht gerade Songs schrieb: „If you’re too New brk for Texas, too Texas for LA/ You’ve been chasing trends like rainbow ends/ But you’re always just a song away“.
Glaubt man Friedman, war es von da nur ein kleiner Schritt zur Schriftstellerei. „Ich dachte, ich versuche es mal. Und es hat funktioniert. Die Jewboys waren eine Country-Band mit sozialem Gewissen. Das konnte nicht lange gutgehen. Wir eckten ja überall an, nicht nur bei den Reaktionären und Rednecks, sondern auch bei allen anderen Ideologen, bis hin zurJewish Defense League. Bad vibes überall, wohin wir kamen. Das zermürbt dich auf Dauer, und du brauchst zuviel Peruvian Marching Powder (Kinkys Euphemismus für Kokain, das während der späteren New Yorker Eskapaden eine immer beherrschendere Rolle für die texanischen Desperados spielte), um dich da durchzukämpfen. Das Absurde ist, daß dich die Leute als Schriftsteller besser behandeln, wenn du ihnen dieselben Dinge in Buchform um die Ohren haust. Als ob sie mehr Respekt für vor dir kriegen, wenn dein Name erst mal auf einem Buchdeckel prangt Die gleichen Typen, die mich zuvor kumpelhaft ansprachen oder wie einen Fußabtreter traktierten, je nachdem, wie sie drauf waren, machten plötzlich einen tiefen Kotau vor dem Kinkster. Was mich rasend macht, wenn ich daran denke, daß die meisten Schriftsteller nichts weiter sind als aufgeblasene, hohlköpfige Wichtigtuer und Idioten.“
Hochachtung und Zuneigung empfindet der Kinkster nur für eine höchst exklusive Schar von Suspense-Spezialisten. Georges Simenon etwa schätzt er für seine zügige, gerade Erzählweise. „My all-time farourite is Miss Marple „, erklärt Friedman ernst, und gibt zu, des öfteten in Agatha-Christie-Romanen gewildert zu haben, doch sei dies für einen Crime-Writer fast unumgänglich. Und Conan Doyle käme nicht weit dahinter: „Sherlock Holmers“, mein Friedman verschmitzt, „ist ein ewiger Quell der Inspiration.“ Natürlich liebt er Jim Thompson, Elmore Leonard, Raymond Chandler, überhaupt „people who write ruthless“. Carl Hiaasen? „Über Carl rede ich nicht gern. Wir haben dieselbe Agentin, aber er verdient viele Millionen und ich nicht so viele.“
Finanziell hat Kinky Friedman sein Schäfchen freilich längst im Trockenen, obwohl er keinen Schimmer haben will, wie gut seine Bücher verkaufen. Er lebe Tbmpall Glasers Traum, der für seinen alten Compadre bis heute jedoch unerfüllt blieb: im Schlaf Geld verdienen. „Es ist eine Belohnung von ganz oben“, grinst er unverschämt, „dafür, daß ich stets fest in meinem Glauben geblieben bin. Es ist ein einfacher, aber starker Glauben: Wenn du dein Leben nicht damit verschwendest, Geld anzuhäufen, sondern Mensch und Tier Gutes tust, und hilfst, sie glücklich zu machen, dann wird der Herr dich reich endohnen und mit Geld überschütten“.
Der Kinkster lehnt sich zurück und schließt genußvoll die Augen. „It works.“