Bela B Felsenheimer und „Fun“: Geschmacksverstärker Rammstein

Im neuen Rockband-und-Groupies-Roman „Fun“ soll es auf keinen Fall um die Berliner Kollegen gehen. Die Kritik sieht das anders.

Da hat ja Ärzte-Stehtrommler Bela B Felsenheimer für mächtig Wirbel gesorgt. Sein zweiter Roman „Fun“ ist gerade mal wenige Stunden erhältlich und es gehen bereits die Analyse-Wogen hoch, wie sein 368-Seiten-Schmöker nun genau zu deuten ist.

In einem Vorab-Interview des „Spiegel“ hakt der Reporter beharrlich nach, wie sehr die Vorfälle bei einer anderen Berliner Band zur Inspiration und Story-Folie für „Fun“ geworden sind. „Man kann das Buch nicht lesen, ohne die Rammstein-Geschichte vor Augen zu haben“, heißt es dort kategorisch. Schließlich schart die Fantasie-Rocktruppe nbl/nbl auf Backstage-Parties und Hotelzimmer-Orgien junge Fans (vormals: Groupies) um sich. Diese werden durch ein Recruiting-System mit „Ass“-Aufklebern versorgt. Ein doppeldeutiger Gag, auch sonst gibt es im weiteren Verlauf reichlich selbstgefälligen (und enthüllenden) Chauvi-Humor.

Groupies und patriarchale Strukturen

Medienprofi Bela B legt seinen Ansatz im „Spiegel“-Gespräch eher akademisch aus: Es ginge ihm vielmehr um „patriarchale Strukturen. Die Musiker, wie auch die meisten anderen Männer in meinem Buch haben ein gestörtes Verhältnis zur Sexualität“. Also eine Art Aufklärungsroman, der eine Art zugespitzte Essenz von 40 Jahren Tour- und Festival-Erfahrung ist. Schließlich haben sich Die Arzte nach ihren Funpunk-Jahren weit über das Indie-Segment, wo es backstage ganz überwiegend gesittet bis langweilig zugeht, hinausbewegt.

Es bleibt allerdings nur der Tageszeitung „Münchner Merkur“ überlassen, ihm auf seiner Mission eines komplett korrekten Rock´n`Roll zu folgen: „Mit „Fun“ leistet Bela B einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über Missstände im Musikgeschäft. Sein Buch könnte dazu beitragen, ein besseres Verständnis für die Probleme zu schaffen und die Rolle der Männer in der Bekämpfung von Sexismus und Machtmissbrauch zu stärken. Mit dem Titel ist die Diskussion eröffnet – und sie ist notwendig.“

Spaßig, aber eher nicht subversiv

Die „FAZ“ wiederum glaubt nach eingehender Lektüre in keiner Weise an die (vorgeschobene?) Enthüllungsarbeit. Als Fazit heißt es: „So mag man sein Publikum bei Laune halten, aber subversiv ist man damit nicht. Alles sei „viel zu funny“. Und selbst die Szene mit einer Doppelpenetration einer jungen Fan-Frau nach Alkohol-und Drogen-Konsum würde nicht den Ton einer Abgrenzung mit den Mitteln der Literatur treffen. Stattdessen obsiegt der Voyeur. Kurzum: Ein Schundroman. ROLLING-STONE-Autor Joachim Hentschel ist in der „Süddeutschen Zeitung“ zwar etwas gnädiger mit den „ledrig abgehangene Rockstarheinis“. Doch auch hier wird letztlich diagnostiziert, dass Felsenheimer das selbstgewählte Sujet um die Ohren fliegt.

Der vom Autor strikt abgestrittene Rammstein-Bezug wird dann beim „Tagesspiegel“ von heute Nachmittag (28.Januar) soweit festgeklopft, als ließe sich „Fun“ gar nicht anders lesen/deuten: „Es ist noch keine zwei Jahre her, dass die After-Show-Partys von Rammstein und deren Umgang mit Groupies ins Zwielicht gerieten und Missbrauchsvorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann erhoben wurden – und schon gibt es einen Roman darüber“.

Es wird sich zeigen, ob sich Felsenheimer über dieses Festnageln freut (von wegen Auflage) oder ob er sich demnächst wieder in abseitigen Provinz-Gefilde zurückzieht, wie in seinem ersten Roman „Scharnow“.

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