Beirut live in Berlin: Uftata im Riesenplanschbecken
Die Band Beirut um das einstige Weltmusik-Wunderkind Zach Condon hat mit ihrem vierten Album „No, No, No“ ihr bisher heiterstes Werk herausgebracht. In der ausverkauften Berliner Columbiahalle spielte das Kollektiv ihr erstes Deutschlandkonzert seit fast vier Jahren
Die bittersüße Balkanmelancholie – sie ist nicht mehr. Zach Condon, kreativer Kopf hinter der Band Beirut, hat die Leichtfüßigkeit für sich entdeckt. Nach Zusammenbruch, Scheidung und Krankenhausaufenthalt gelang es dem Amerikaner nun sich der lichten Seite des Lebens zuzuwenden – und veröffentlichte, frisch verliebt, mit dem vierten Langspieler „No, No, No“ kürzlich das beschwingteste Werk seiner bisherigen Karriere. Und das wollten einen Haufen Fans hören. Das erste einzige Deutschlandkonzert von Beirut seit beinahe vier Jahren ist an diesem Sonntagabend in der Berliner Columbiahalle ausverkauft. Draußen stehen sich die Leute die Beine in den Bauch. Tickets werden noch schnell verhökert.
Eine Stunde später als geplant, um 21 Uhr, betritt Condon mit seiner sechsköpfigen Band die Bühne. Der Fernweh-Folk ist nun reduzierter. Condons durchdringender Bariton, seine Sonntagsstimme, die zugleich kräftig und andächtig klingt, wird vom Gesang des Trompeters und des Posaunisten untermalt.
Zwei Höhepunkte des Abends: Der „Serbian Čoček“, ein traditioneller Balkantanz (als Cover der US-Band A Hawk and a Hacksaw) und das Finale von „The Shrew“, das sich zu mexikanischer Volksmusik hochschraubt. Die rot leuchtenden Scheinwerfer entflammen die Stimmung. Man möchte mitschwingen, aber man steht so gedrängt, dass einem der Geruch der Haare seines Vordermanns in die Nase steigt. Dafür wird nach jedem Lied gejubelt und geklatscht wie bei einer Stadionrockband.
Condon schreitet ohne viele Worte durch das Programm. Er und seine Musiker spielen exzellent – von einer „Show“ kann jedoch eher weniger die Rede sein. Aber Condon ist auch kein Mann großer Gesten. Er trötet und zupft und klimpert in seiner Jeans-und-T-Shirt-Wuschelhaarigkeit, als sei er gerade eben erst aus der Uni-Kantine gestolpert. Bescheiden bringt das einstige Weltmusik-Wunderkind, heute 29, auf Deutsch ein „Dankeschön“ heraus. Die Musik ist für die Fans Spektakel genug.
Irgendwie passt das Bühnenbild zum Understatement: Ein überdimensionales Bettlaken hängt unmotiviert hinter einer aufblasbaren Riesenplanschbecken-Halbkugel, die immerhin manchmal wie eine untergehende Sonne leuchtet. Aber naja, wen interessiert schon das Bühnenbild, wenn vorne Condons Kapelle Uftata töst. „Er kann gefühlt 17 Instrumente spielen. Ich möchte ihn heiraten!“, wird eine Besucherin beseelt nach dem Konzert sagen. Nach gut einer Stunde verabschiedet sich Condon knapp mit „Thank you, good night“ – lässt sich aber nicht lumpen, eine zwanzig Minuten starke Zugabe aus dem Ärmel zu schütteln.
Die gipfelnde Begeisterung bei Klassikern wie „Nantes“ verdeutlicht: Die Fans vergöttern das alte Beirut. Von den zwanzig Songs stammen nur sechs vom neuen Album. Fast schon schade, dass Condon jetzt so heiter klingt. Die Schwermut hat ihm gut gestanden.