BEING GABRIEL

Denis Gagné über seinen Job als Sänger der Genesis-Tribute-Band The Musical Box

Denis Gagné, 1993 haben Sie in Montreal die Genesis-Coverband The Musical Box mitgegründet. Heute treten Sie weltweit auf, sind bekannt dafür, die komplexen Liveshows der frühen Siebziger bis ins letzte Detail nachzuempfinden – und haben von der Originalband sogar eine offizielle Lizenz erhalten. Verstehen Sie sich eher als Sänger oder als Schauspieler?

Schwierige Frage. (lacht) Eher als Rocksänger, weil für uns bei allem Theaterhaften die Musik die entscheidende Rolle spielt.

Trotzdem spielen Sie eine Rolle: Sie sind Peter Gabriel.

Genau. Ich gehe bei unseren Shows zwei Stunden lang in dieser Person auf. Das ist mein Ziel, meine Aufgabe. Ich kann Sie aber beruhigen: Sobald ich die Bühne verlassen habe, ist das vorbei.

Wie kopiert man die Stimme von Peter Gabriel?

Ich höre seine Musik jetzt seit fast 30 Jahren, ununterbrochen. Schon als Teenager hatte ich den Wunsch, mit dieser Stimme singen zu können. Um Peter Gabriel zu studieren, habe ich nicht nur gut zugehört, sondern auch genau hingeschaut. Dabei habe ich herausgefunden, welche seiner Mundbewegungen zu welchen Klängen führen. Ich kann anhand eines Konzertfotos erkennen, wie sich seine Stimme in diesem Moment angehört hat. Seine Stimme ist mehr als nur Ton. Mimik und Gesten, Worte und Masken – all das spielt eine Rolle.

Ergibt denn für Sie der Peter Gabriel zu Genesis-Zeiten ein stimmiges Gesamtbild?

Das wiederum nicht, nein. Vieles bleibt ein Geheimnis. Es gibt Gesten, die in keinem Zusammenhang zur Musik stehen, und Texte, die auch für mich unergründlich bleiben.

Schade, wir hatten gehofft, Sie könnten uns die definitive Interpretation von „The Lamb Lies Down On Broadway“ liefern …

Pardon, aber da muss ich passen. Und genau so hat sich Peter Gabriel das gewünscht: eine Story zu erfinden, die keiner deuten kann – sodass sie jeder für sich deuten muss.

Bei einer Ihrer Shows war Gabriel selbst im Publikum. Mit seinen Kindern.

Dabei wäre ich auch ohne seinen Besuch nervös gewesen, denn es handelte sich um unseren allerersten Besuch in England. Ein paar dahergelaufene Frankokanadier kamen also nach England, um den Briten eine Lektion in britischer Musik zu erteilen – und dann sitzt der Originalsänger genau in meinem Blickfeld.

Glauben Sie, dass er Sie kontrollieren wollte?

Nein, ich glaube, er wollte sich amüsieren. Ich traf ihn am nächsten Tag, und wir einigten uns darauf, dass die Situation für ihn noch merkwürdiger war als für mich. Ich hatte schließlich einen Job zu erledigen, auf den ich mich konzentrieren konnte. Er hingegen muss-te zwei Stunden lang damit klarkommen, sich noch einmal live als jungen Mann zu erleben.

Was für Leute kommen sonst zu Ihren Konzerten?

Die Hardcore-Fans, die besonders kritisch sind. Dazu viele, die in den 70er-Jahren Genesis gehört hatten, irgendwann das Interesse an der Band oder der Musik im Allgemeinen verloren und unsere Shows als nostalgischen Ausflug zurück in ihre Jugend genießen. Fantastisch ist zudem, dass ich sehr viele junge Leute im Publikum entdecke. Tendenz steigend.

Was findet die Jugend daran so interessant?

Was Genesis gemacht haben, ist bis heute einzigartig. Wer heute Musik dieser Art live erleben möchte, hat keine andere Chance, als zu uns zu kommen.

Das gilt auch für die Bühnenkostüme. Vom Fuchs im roten Kleid bis hin zum sogenannten Slipperman (siehe Bild Seite 77) – Sie müssen tragen, was Gabriel getragen hat.

Es ist ein wichtiger Teil der Show, und ich kann nicht einfach sagen: Wir rekonstruieren die Musik bis aufs kleinste Detail, lassen aber den Slipperman weg, weil mir die acht Kilo, die auf meinen Kopf drücken, zu viel sind.

Basteln Sie sich die Kostüme selber zusammen?

Ja, wobei ich mir für den Slipperman einen Experten für Special Effects beim Film gesucht habe, mit dem ich ein paar Wochen lang bis zu zehn Stunden am Tag daran gearbeitet habe, damit wirklich alles am richtigen Platz sitzt. Hat funktioniert: Kurz nach unseren ersten Shows gab Peter Gabriel ein TV-Interview, in dem er über seine Originalfiguren sprach. Die Fernsehleute blendeten dazu Fotos ein. Der Slipperman, den sie zeigten, war ich – und er hat es nicht gemerkt.

Es gibt kaum einen, der Gabriels Genesis-Kompositionen so genau kennt wie Sie. Ganz ehrlich: Welchen Song hätte er besser nicht geschrieben?

Ich kann mich eigentlich nur über einen Song beschweren – wobei ich ihn mittlerweile einigermaßen lieb gewonnen habe: „Back In N.Y.C.“ Wenn Sie den vier Abende in Folge gesungen haben, können Sie danach gut ohne ihn leben.

The Musical Box führen derzeit die Show zu „The Lamb Lies Down On Broadway“ auf. Am 29. Januar 2012 treten sie in Zürich auf, im Februar folgen dann acht Termine in Deutschland, u.a. Essen, Hamburg, Berlin und Frankfurt. Alle Termine und Tickets unter www.wiventertainment.de.

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