Beinahe wie aus Seattle: Sun wehren dem Opportunismus
Nein, ein Rockstar wolle er nicht werden. „Das hat man in der Schule bei Berufs-Fragebögen eingetragen“, kalauert Jörg Schröder, der Sänger von Sun. „Rooockstaar!“ Wer deren Album „XXXX“ hört, ist irritiert: Sie spielen Musik, die hierzulande kaum jemand kann, eher aus Seattle stammt und selbst Minderbegabte zum Ruhm führte.
Die Tantiemen sind gering, aber Schröder stellt nicht die Existenzfrage. „Es geht nur darum: Musik machen oder nicht Da fällt der Verzicht leichter.“ Sein größter Luxus ist ein altes Motorrad und die Kraft, auch bei der dritten Platte nicht am eigenen Schaffen zu zweifeln. Bassist Holger Seeling, auch Herausgeber der kleinen Zeitschrift „Westzeit“, kündigte jedoch zermürbt dem Ideal vom Rock-Diogenes.
Sun sollten mehr Aufmerksamkeit erhalten. Baß-Gewitter und Gitarren-Melodien fließen in einen düsteren, zähen Mahlstrom, den sie mit klassischen rhythmischen Riffs von lebenshungriger Leichtigkeit brechen. Dazu stimmt Schröder einen messianischen Leidensgesang an, der sich aus seinem verzweifelten Optimismus gegenüber dem Übel speist. Er ist jedem dankbar, der seine Texte mal nicht als „depressiv“ abtut. „Ich möchte trotz allem ein Ja zurücklassen.“ In knappen Zeilen reißt er Gedanken an, „die Dinge auf den Punkt bringen und doch Spielraum für Interpretationen lassen sollen. Ich bin kein Botschafter, denn es kann nur universelle Antworten geben. Ich will aber nicht abstreiten, daß Eitelkeit dabei ist, eine subjektive Wahrheit verbreiten zu wollen“.
Jörg Schröder ist ein angenehmer Mensch und denkender Musiker, der sich unfähig zum Opportunismus gegen Typisierung und typische Fragen wehrt Aber er kennt seine Grenzen und Selbstzweifel. „Ich habe bisher erst ein Liebeslied geschrieben. Da kann man eigentlich nur scheitern. Bei meinem hohen Anspruch an die Liebe traue ich mir es nicht zu.“ Schwer falle es dem eloquenten Sensibilisten auch, deutsch zu singen. Aber so wie seine Lyrik implizit die Liebe enthält, schätzt er gerade deshalb den Blumfeld-Sprachmagier und „Superstar Distelmeyer“.