Beim Teensploitation-Trend aus High-School-Horror und Coming-of-Age-Komik pubertiert Hollywood mit Soap-Darstellern
Es begann mit dem Schrei von Drew Barrymore. In Wes Crevens High-School-Horror-Hymne „Scream“ wurde sie zwar nach wenigen Minuten von einem maskierten Messerstecher massakriert, ihr Kreischen aber echot noch heute durch die Filmstudios. Mit Ablegern wie „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“, „Scream 2“ oder „Düstere Legenden“ zieht ein Boom aus Schauerfabeln vom Schulhof und College-Campus kapitale Kreise, die sich nun auch hierzulande verdichten: Eine Million Leute sahen „Düstere Legende“, Anfang Mai belegten das Sequel „Ich weiß noch immer, was du letzten Sommer getan hast“ und „The Faculty“ die ersten beiden Plätze der deutschen Kino-Charts.
Die Erfolgsformel hat Kevin Williamson erfunden, ein bis zu „Scream“ unbeachteter Drehbuchautor, dessen Vita als Video-Junkie ähnlich kolportiert wird wie bei Quentin Tarantino. Williamson ist bereits 38 Jahre alt, hat Tausende von Kinofilmen konsumiert, vor allem Klassiker und Trash des Horrors, und sein Wissen über die Gesetze des Genres in einem ironischen wie funktionierenden Pop-Statement stilisiert. Als Beweis für die Gültigkeit seines Soft-Schockers legte er „I Know What You Did Last Summer“ sowie „The Faculty“ nach; mit zumeist nicht mal volljährigen Charakteren, die sehr smart und apart sind, coolen Chic von Gap, Calvin Klein oder Tommy Hilfiger tragen und die aktuellen oder kultigen Codes aus Kino und Popmusik kennen.
Es ist die von Werbern angepeilte Zielgruppe der 12- bis 20jährigen, die sich hier auf und vor der Leinwand trifft. Rund 60 Prozent von ihnen, so ermittelten Marktforscher, gehen häufiger ins Kino – und sollen gleich noch den Soundtrack kaufen mit Songs von Fatboy Slim oder Brandy, die sich sogar bei „Ich weiß noch immer…“ leicht bekleidet ängstigen darf. Für die Kompatibilität (und wegen des immensen Blutzolls) besetzen die Filmproduzenten diese Rollen mit erprobten, trotzdem auswechselbaren Darstellern der TV-Branche. So werden Soap-Starlets aus „Friends“, „Dawson’s Creek“ oder „Party Of Five“ für ein, zwei Sommer der letzte Schrei und einige auch in der nächsten Stufe dieses Teensploitation-Trends durchgereicht. Denn während dieser mit Sarah Michelle Gellar aus „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ als schulpflichtige Vampirjägerin der Serie „Buffy – Im Bann der Dämonen“ schon zum Fernsehen zurückgekoppelt wurde, pubertieren die Geister, die Williamson rief, in Hollywood zur Zeit immer heftiger.
Ausgehend von „Scream“, „Romeo & Julia“, „Clueless“ und „Shakespeare In Love“ kommen nun Komödien für das Girlie-Herz und auf Twen-Fallhöhe modernisierte Kostümstoffe. Zwar wissen Statistiker nicht erst seit letztem Sommer, daß der Großteil des jungen Publikums weiblich ist und durch den Action-Overkill vernachlässigt wurde.
Die Erbsenzähler der Studios aber haben das erst jetzt kapiert. Zumal nach den teilweise ruinösen Event-Elaboraten diese Teen-Stories die Chance bieten, kostspielige Gagen und Budgets konsolidieren zu können. Die romantische Komödie „Eine wie keine“ (ab LZ), in der ein Mauerblümchen wegen einer Wette vom Schulmacho angebaggert wird, kostete nur acht Millionen Dollar, spielte jedoch 60 Millionen ein. Und die Schauspieleleven werden nach Tarif entlohnt Trotzdem dürfen inzwischen auch etabliertere Jungstars ran wie Ciaire Danes („Romeo & Julia“) als Schuldetektivin in „The Mod Squad“ (ab 8.7.), eine Kinoversion der Serie „21 Jump Street“, bei der Johnny Depps Karriere begann. Und die dagegen bereits alte Tante Drew Barrymore drückt in der „Aschenputtel“-Variante „Never Been Kissed“ (ab 7.10.) als jungfräuliche Reporterin undercover wieder die Schulbank. Nicht so explizit wie die „Wild Things“, aber deftig ist „Boshafte Absichten“ (ab 5.8.), die Adaption der „Gefährlichen Liebschaften“ mit Gellar als nymphomanischem Biest und einem adoleszenten Casanova, der die tugendhafte Tochter des Schuldirektors verführt. „Der Widerspenstigen Zähmung“ wird als „10 Things I Hate About You“ (ab 9.9.) genauso zum Pennälersujet wie demnächst „Hamlet“ und „Othello“.
„School’s Out Forever“ höhnt Alice Cooper in „The Faculty“ doppeldeutig. In „Dich kriegen wir auch noch“ (ab 27.3.) hetzt „Akte X“-Regisseur David Nutter seine Adoleszenten durch einen Paranoia-Thriller, der allen Teenager-Trivialitäten den Garaus macht. Selbst Williamson will in seinem Regiedebüt „Killing Mrs. Tingle“ richtig fies sein. Damit rächt er sich an seiner Englischlehrerin.