Beim jungen englischen Alternative-Country-Label LOOSE RECORDS wird vieles locker gesehen. Solange Künstler und Qualität nicht darunter leiden
Tom Bridgewater ist noch jung an Jahren, hat sich aber die Hörner schon gehörig abgestoßen im Nahkampf des Musikbetriebs. Begonnen hatte er wie so viele ab Idealist. Sein Faible für Americana und Schallplatten wollte er ausleben und mit der Menschheit teilen. Sendungsbewusst gründete er 1994 ein Label, nannte es programmatisch „Vinyl Junkie“ und veröffentlichte die feine Doppel-LP „Country“, die vornehmlich Tracks texanischer Künstler kompilierte, von Toni Price über Tish Hinojosa bis Townes Van Zandt. Das Echo war nahezu einhellig positiv, und so peilte Bridgewater die nächst höhere Verbreitungsstufe an: Mega-Stores.
Bei Virgin war man nicht abgeneigt, bestand aber auf einer digitalen Variante, der dreifachen Profitmarge wegen. Bridgewater gab schließlich nach, und so standen bald die Vinyl-Junkie-CDs in den Läden, wie Lammkoteletts mit Veggie-Stempel. Etikettenschwindel? Ein zu schwaches Wort.
Fastforward, sieben Jahre. Tom Bridgewater erinnert sich nicht gern an das Ende jenes Traums. Mit Partner Mark Rogers betreibt er inzwischen vom Londoner Vorort Acton aus ein neues LabeL das musikalisch denselben Kurs fahrt wie das alte, sich aber nicht auf Tonträgerformate festlegt. „Je nach den Gegebenheiten“, zuckt Tom halb entschuldigend mit den Schultern, „wir sehen das mittlerweile eher locker“.
Loose Records, so heißt dann auch das neue Label. Zunächst nur als Lizenznehmer Heimat fiir versprengte Mavericks wie Neko Case, Dakota Suite, Jubilee Allstars, Grand Drive und The Handsome Family. Keine langfristigen Verträge, nicht einmal mittelfristige Planung. Das ändert sich nun allmählich. Man habe ein Dutzend Bands und Künstler um sich geschart, erklärt Bridgewater nicht ohne Stolz, mit denen man über die nächste Platte hinaus zusammenarbeiten möchte. The Arlenes gehören dazu, deren Duette einen so lieblichen Twang haben; der kanadische Rancher und Rodeo-Reiter Corb Lund und seine Country-Swing-Band; das Rock-Quintett Vera Cruise aus Glasgow, halbwegs zwischen Indie-Schräge und Travis-Emphase; der kanadische Songpoet Hayden, der Vergleiche mit dem frühen Neil Young nahe legt; die formidablen Horse Stories um den Aussie Toby Burke, deren aktuelles Album „Travelling Mercies“ klingt wie Wilco in der Hängematte. Entdeckungen, die erst noch gemacht werden müssen. Und die Zeit brauchen, sich zu entwickeln.
Überdies habe man beste Verbindungen zu einigen bereits namhaften Figuren, zu Howe Gelb etwa, mit dem die Loose-Boys auf gleich mehreren Ebenen zu kollaborieren gedenken. Alles in allem komme das Label nicht umhin, vorsichtig zu expandieren und dabei ein Mehr an Professionalität in Kauf zunehmen. Beidseitig bindende Deals und so. Aufkeinen Fall aber aufKosten der Künstler. „Wenn jemand ein gutes Angebot von der Konkurrenz kriegt, werden wir ihm keine Steine in den Weg legen“, versichert Tom. Letztlich basiere alles auf Vertrauen. Als Grand Drive unlängst zu Island wechselten, habe man sich für sie gefreut – andere kleine Labels hätten geklammert oder zumindest versucht, Geld herauszuholen. „Wir hoffen ehrlich, dass sie da groß herauskommen“, sagt er, „wir können damit leben. That’s the nature of the beast for a label our size.“ Ein Idealist eben, unbelehrbar.