Beigelegt: Rare Trax Vol. 77 – „Rare Wave Tracks“
Die 80er-Jahre: Mode-Sünden, Acrylfarben, Synthesizer allerorten. Als das Jahrzehnt aber jung war, wurde die Popmusik im Handstreich runderneuert
01. Der Schlachtruf von Orange Juice „Rip it up and start again!“ steht deshalb am Anfang unserer Reise. „Rip It Up“ ist der Titelsong des gleichnamigen Albums von 1982. Der schmatzende Klang des Roland 303 Synthesizers prägt den funky Pop-Sound des erfolgreichsten Orange-Juice-Songs ebenso sehr wie Edwyn Collins’ beseelter Gesang.
02. The Honeymoon Killers waren eine belgische Avantgarde-Band um Yvon Vromman und Marc Hollander, der seit 1980 das renommierte Label Crammed Discs betreibt. „Histoire à Suivre“ ist eine raffinierte Mischung aus New Yorker No-Wave-Einflüssen und der französischen Chanson-Tradition. „Les Tueurs De La Lune De Miel“, von dem der Song stammt, wurde kürzlich von dem Magazin „Mofo“ zum besten belgischen Album aller Zeiten gekürt.
03. Der älteste Song der Compilation ist die B-Seite der ersten Go-Betweens-Single, die 1978 nur wenigen Glücklichen zuteil wurde. „Karen“ ist ein Liebeslied an eine Bibliothekarin, und zugleich ein Rohdiamant von unschätzbarem Wert: „And she stands there in the library/ Like a nun in a church does“, singt Robert Foster und macht klar: „She’s my god, she’s my god/ She’s my g-o-d.“ Weil all die anderen Mädchen, die er auf der Straße sieht, so verdammt kalt sind, als hätten sie Eskimoblut in ihren Venen. Die Geburt einer Haltung, die den gesamten späteren Indie-Pop prägen sollte.
04. Warum zum Teufel, fragt man sich, sitzen The Monochrome Set nicht längst auf dem Olymp des Gitarren-Pop, also dort, wo sie hingehören? Der 1982 auf dem Album „Eligible Bachelors“ erschienene Song „The Jet Set Junta“ dokumentiert die rasante Eleganz der britischen Band. The Monochrome Set sind noch immer – oder vielmehr: wieder – aktiv, und von ihren aktuellen Auftritten werden schon wahre Wunderdinge berichtet.
05. Eine faszinierende Wandlung: Vic Godard & The Subway Sect standen bereits 1976 auf der Bühne des Londoner 100 Clubs, spielten zusammen mit The Clash und den Sex Pistols. Doch nach diversen Umbesetzungen und musikalischen Richtungswechseln präsentierte der Songwriter Godard 1982 das ganz anders klingende, von Swing und altem Rock’n’Roll beeinflusste Album „Songs For Sale“. Hier findet sich auch das wunderschöne, zuvor bereits als Single veröffentlichte „Stamp of A Vamp“.
06. Zu den vielen Bands, die vom schwelgerischen, leisetreterischen Pop von Felt inspiriert wurden, gehören auch Belle & Sebastian. „Sunlight Bathed The Golden Glow“ stammt von dem 1984 veröffentlichten Album „The Strange Idols Pattern And Other Short Stories“. Die kristallklar perlenden Gitarrenläufe von Maurice Deebank umtanzen den dezent blasierten Gesang von Lawrence wie ein Ornament des Jugendstils.
07. Spizzenergi haben ihren Namen öfter gewechselt als andere Musiker die Gitarrensaiten: Als Athletico Spizz 80 und The Spizzles veröffentlichten sie zwei Alben. Doch ihren kleinen Hit, die Single „Where’s Captain Kirk?“, brachte die Band 1979 als Spizzenergi in die Läden. Getrieben von einer wuchtigen Bassline und diversen futuristischen Effekten, war der atemlose Song für John Peel der beste musikalische Beitrag zum Thema „Star Trek“.
08. „Ricky’s Hand“ ist mehr als nur ein schlimmer Finger, denn sie zwingt ihren Besitzer, Dinge zu tun, die er besser nicht tun sollte: Trinken und Fahren zum Beispiel. Im Duo mit seinem Label-Boss – Mute-Chef Daniel Miller – packt uns Fad Gadget auf den Rücksitz, und los geht der böse Elektro-Trip. Maschinen klingen hier noch wie Maschinen, kalt und furchteinflößend.
09. Wenn es um die Young Marble Giants geht, verfallen viele Musikfans in ein ehrfürchtiges Raunen. „Colossal Youth“, das Debüt-album des Trios aus Cardiff, gilt als einer der großen Klassiker des Post-Punk. Die Single „Final Day“ wurde zwar erst danach veröffentlicht, ist aber inzwischen auch auf dem Re-Release der Platte zu finden. Eine minimalistische Meditation, über der die Stimme von Alison Statton schwebt.
10. „You Must Be Mad“ wurde produziert von Stuart Moxham, dem Kopf der Young Marble Giants. Doch das Stück atmet die sommerliche Leichtigkeit der Marine Girls. Tracey Thorn entdeckte bei der Mädchenband aus Hertfordshire ihr gesangliches Talent, bevor sie 1983 Ben Watt kennenlernte und mit ihm zusammen Everything But The Girl gründete. „You Must Be Mad“ ist eine melancholisch urbane Annäherung an so etwas wie – Folk.