Beigelegt: CD „New Noises – Vol. 109“
Wegen unserer exklusiven Toten-Hosen-Single ein wenig kürzer als gewohnt: die April-CD mit Rufus Wainwright, Xiu Xiu, The Jezabels, Simone Felice und anderen.
01. Mette Lindbergs Band The Asteroid Galaxy Tour hatten wir bereits in der März-Ausgabe vorgestellt: Nachdem die dänischen Musiker nicht zuletzt durch diverse Einsätze in Werbespots und TV-Serien zu Ruhm gekommen waren, legen sie nun mit „Out Of Frequency“ einen beschwipsten Cocktail aus Ska, Reggae, Pop, Disco und R&B vor. Der Song „Galaxy“ eröffnet das Album ebenso wie unsere „New Noises“ und zeigt gleich, wo die Reise hingeht: Stürmische Fanfaren, ein wild swingender Beat, opulente Backings. „This is what you got, major invasion“, kiekst Lindberg — und genau so klingt es auch.
02. Nun tritt Rufus Wainwright also in die klassische Phase seiner Karriere ein: Das neue Album „Out Of The Game“ ist weniger exaltiert als manche Wainwright-Werke der Vergangenheit. Eine Platte, die sich an den frühen 70er-Jahren und dem Songschreiber-Pop von Elton John und Bowie orientiert und Wainwrights bislang reifeste Arbeit darstellt. „I got the outfit for the party, but you’ve taken away the invitation“, singt er in „Rashida“ – und dass besagte Rashida, so interpretieren wir das mal, ihm damit den Grund gegeben hat, diesen Song zu schreiben. Streichen Sie Rufus also beruhigt von Ihren Gästelisten, er wird es Ihnen mit überragender Musik danken! Nur echt übrigens mit „The Great Gig In The Sky“-Gedächtnis-Gesang.
03. Nein, ihre Boxen sind nicht kaputt: Die übersteuerten Sequenzer zu Beginn von „Hi“ sind nur dem ganz normalen Wahnsinn des Jamie Stewart geschuldet. „If you’re wasting your life, say ‚Hi‘/ If you’re alone tonight, say ‚ Hi‘“, singt er mit entrückter Heliumstimme auf der Single des neuen Albums seiner Band Xiu Xiu, „Always“. Wir halten fest: Es gibt nur wenige, die den Abgründen der irdischen Existenz derart erhabene Momente irrlichternder Schönheit abringen können.
04. Klavierakkorde wummern manisch, majestätische Geigen steigern sich zum Crescendo, aus einem stringenten Four-to-the-Floor-Beat wird ein Shuffle: Es passiert eine ganze Menge in „Knots“ − und doch dominiert die irische Sängerin Lisa Hannigan den Song auf unaufdringliche Weise. Aus dem Schatten ihres Langzeitkollaborateurs Damien Rice ist sie schon länger getreten, mit „Passenger“ erweist sie sich endgültig als Künstlerin von eigenem Rang.
05. Das sphärisch Entrückte, atmosphärisch Meisterhafte beherrscht auch Beth Jeans Houghton traumwandlerisch. Mit viel Willen zur Kunst singt sie in „Dodecahedron“ in sirrender Elfendiktion gegen einen im tiefsten Bariton gehaltenen Herrenchor an. Sie erinnert dabei mal an Dido, dann wieder an Florence Welsh – und ein bisschen auch die frühe Suzanne Vega. Mehr davon auf dem LP-Debüt „Yours Truly, Cellophane Nose“.
06. Bereits seit Monaten schwirrt der Name der australischen Band The Jezabels durch Foren und sogenannte Hotlists, nun liegt das Debüt-Album „Prisoner“ endlich vor. Es gilt also, sich ein eigenes Bild zu machen, und siehe da: So sehr, wie stets behauptet, erinnern sie gar nicht an die Cranberries. Es drängt jedenfalls alles nach vorn bei dieser Band, ihre Beschwörungen entbietet die Sängerin Hayley Mary mit äußerster Emphase, der melancholisch unterspülte Indie-Rock der Jezabels fordert selten weniger als alles.
07. Den amerikanischen Songschreiber, Sänger und Schlagzeuger Simone Felice kennen wir von den Felice Brothers, The Duke & The King, den Avett Brothers sowie neuerdings auch als Romanschriftsteller. Nun also ein Soloalbum, sinnigerweise „Simone Felice“ betitelt. Der Protagonist aus dem Song „Hey Bobby Ray“ wurde zwar am amerikanischen Unabhängigkeitstag geboren, ist aber eher kein Tom-Cruise-Typ. Sondern natürlich einer jener strauchelnden Verlierer, wie wir sie auch aus den Songs der Felice Brothers kennen, die hier im Übrigen assistieren. Simone Felice spricht Bobby Ray Mut zu, raunt mit Geisterschwadenstimme: „You go it comin’ boy, you’ll get your day.“ Könnte gut sein, dass nun endgültig die Zeit des Simone Felice gekommen ist.
08. Vielleicht erinnern Sie sich noch an den australischen Songschreiber Steve Smyth, über den wir Anfang des Jahres im Jahresausblick „12 für 12“ berichtet haben. Nun wird die Musik nachgereicht: „Barbiturate Cowbooy And His Dark Horses“ vom Smyth-Debüt „Release“ ist ein prototypischer Song im Werk dieses Mannes. Die weirdness von Screamin’ Jay trifft auf das irre Polternde der frühen Pogues und die tiefe Melancholie von Jeff Buckley. Smyth barmt, Smyth wimmert; er ist traurig und wütend – Steve Smyth berührt.