Bei King Crimson herrscht mehr denn je der alte Zwiespalt zwischen Mystik und Musik
Adrian Belew, das wird man so sagen können, always hangs out with the coolguys. Der US-amerikanische Gitarrist begann seine beeindruckende Laufbahn bei Frank Zappa, gehörte den Talking Heads und später dem Tom Tom Club an, spielte bei David Bowie und wurde von Robert Fripp Anfang der Achtziger in dessen Prog-Rock-AG King Crimson gebeten. Und dann sind da ja noch die unendlich vielen Studiosessions für Ikonen wie Laune Anderson, Herbie Hancock, Riuchi Sakamoto oder Nine Inch Nails, die alle sein vielseitiges Können für die eigene Musik nutzen wollten.
„All diese Musiker, die Interesse an der innovativen, intellektuellen Seite der Musik haben, kommen mir im Laufe der Jahre immer mehr wie eine Art Familie im Geist vor“, sinniert Belew, „ich schätze, mittlerweile gehöre ich irgendwie dazu. Sie laden mich jedenfalls immer zu ihren Partys ein!“
In den letzten drei Jahren indes war kaum Zeit für Kollaborationen; zusammen mit Robert Fripp leitete Belew die Wiedergeburt des Crimson King ein – und nun blockiert ein weiteres Studioprojekt jede kreative Vielhochzeiterei: „The Power To Believe“ist freilich wieder eine Expertise des Unmöglichen, Prog-Rock für das dritte Jahrtausend, mal faszinierend, mal unhörbar, oft beides. „Für King Crimson gibt es nur einen kleinen Kreidekasten mit fünf, sechs Farben“, erklärt Belew. „Aus diesen Kreiden jedesmal ein neues, stimmiges Bild zu entwerfen, ist eine echte Herausforderung.“
Belew ist jetzt ganz Musikologe, spricht von chromatischen und symmetrischenSkalen, die den Songs von King Crimson zugrunde lägen, und davon, dass die besagte Herausforderung schon auch eine theoretische sei -tatsächlich ist der klinisch-technische Handgriffhier ja ein wichtiges, stilbildendes Mittel, dem der komische Mystizismus des irren Fripp ein skurriles Halbleben einhaucht ,,Für Robert ist all dieses metaphorische Gerede von King Crimson wirklich irgendwie wahr“, lächelt Beiew, „der Rest der Band ist da etwas bodenständiger.“
Nun ist Belew kein kühl distanzierter Technokrat. Der zerknautschte Trenchcoat, die roten Turnschuhe, das wirre Haupthaar, all das verleiht dem 52-jährigen Familienvater die Aura des Künstlers, der seine Geschichten aber mit warmer Freundlichkeit und gar nicht kauzig zum Besten gibt. Geschichten gibt’s unendlich viele: Die von dem ungeprobten Konzert mit Les Claypools bekloppter Frog Brigade letzte Woche in Columbia, die von den ständigen Mails von Bowie, der auf eine neue Zusammenarbeit dränge, oder die von den Sessions mit Tori Arnos in Cornwall. „Da ist soviel Musik, die gemacht werden will“, sagt Belew und meint nicht zuletzt die drei, vier halbfertigen Soloplatten, „was fehlt, ist die Zeit.“
Das wohl auch bis auf Weiteres. Der purpurrote König ist wieder am Leben, brüllt und will wieder auf seinen Thron, und da muss das Medium sich nun sputen. „Für King Crimson hat eine neue Ära begonnen“, sagt Belew und erinnert sich an die Tour mit Tool 2001. „Nach einer Show belauschte ich zwei Fans. ‚Tool were great‘, sagte der eine, und der andere erwiderte: ‚Yeah, but that other band played some real tricky shit!‘ Das sind wir wohl nun:
That other band that plays some tricky shit.“