Bee Gees
Sie schienen bereits auf der Geröllhalde der Popgeschichte gelandet zu sein, dochso behaupten die unfehlbaren Trendforscher: Disco is back, die längst verdrängten Geschmacksverirrungen, ja selbst die Bee Gees sind wieder hip. Frisch abgelichtet vom oberhippen Fotografen Anton Corbijn, trafen wir die neo-hippen Brüder Gibb im immer-hippen Miami.
Bands wie N-Trance covern Eure Songs, und selbst U 2 zieht’s in die Disco. Holt Ihr jetzt die weißen Anzüge aus der Mottenkiste?
BARRY: Das Problem ist: Die wenigen FummeL, die ich noch habe, passen nicht mehr. Die „Saturday Night Fever“-Kostüme hab ich verschenkt.
ROBIN: Wir haben sie einem Museum in Washington gestiftet Weiße Anzüge hatten wir ohnehin nie; das war John Travolta.
MAURICE: Aber man projizierte das Image des tanzenden Travoltas immer auf uns. Der Arme hatte unter dem „Fever“-Trauma noch mehr zu leiden – aber auch er mischt nun wieder vorn mit.
Wie kann etwas, das jahrelang so verpönt war, heute hip und kultig sein?
MAURICE: Das sind immer die gleichen Zyklen. Wenn eine Ära weit genug weg ist, wächst der Mythos. Viele, die heute auf den Sound abfahren, waren nicht mal geboren, als „Fever“ herauskam.
ROBIN: Zappa hatte völlig recht, als er sagte, die 90er seien eine Mixtur aus den 50er, 60er, 70er und 80er Jahren. Und die Ära von „Saturday Night Fever“ ist nun mal Teil der Pop-Kultur. Die 70er waren einflußreicher, als viele damals wahrhaben wollten. Was man von den 80ern nicht behaupten kann – da ging’s ja los mit der Aufsplittung in Stile und Nischen. Was letztlich eine konservative Entwicklung war: Musik mußte immer mehr limitierten Image-Vorgaben entsprechen und konnte nicht mehr so frei und verspielt sein wie früher. In den 90ern ist es noch schlimmer. Kein Wunder, daß mir Jüngere oft vorschwärmen: „Mensch, ich wünschte, ich hätte damals gelebt.“ BARRY: Irritierend ist das Disco-Revival trotzdem. Damals haben uns die Journalisten niedergemacht, und jetzt sitzen wir hier mir Dir. (Lacht zu den anderen) „Los, Tür zu, wir geben ihm eins auf die Nase und machen ihn fertig.“ „Die Medien bleiben das große Ungeheuer, das dich schluckt und wieder ausspuckt.
Nicht nur die bösen Medien haben Euch gerupft. Iggy Pop etwa beschimpfte Euch als „Abschaum“.
Maurice: Wo ist Iggy Pop denn heute? Wenn wir Mimosen gewesen wären, wären wir nicht da, wo wir heute sind. Unter der Gürtellinie war nur eine Kampagne in Chicago. Da haben sie 1980 Buttons mit dem Slogan „Disco sucks – kill the Bee Gees“ verteilt.
Take That, Boyzone und N-Factor landeten mit Euren Oldies Hits. Wart Ihr mit ihnen zufrieden?
MAURICE: Die machen’s ja nur, weil sie wissen, es wird ein Hit und bringt Geld. Was natürlich ein Kompliment für die zeitlose Klasse unserer Songs ist Boyzone und Take That haben uns respektiert, aber ich kann es nicht ausstehen, wenn sich andere Bands über uns lustig machen.
Die N-Trance-Version von „Stayin‘ Alive“ war aber doch nicht nur komisch, sondern auch gelungen.
BARRY: Geschmackssache. Sie haben unsere Stimmen gesampelt. Sowas gilt heute ja als Kavaliersdelikt Aber ich find das nicht originell, zumal sie uns nicht mal gefragt hatten. Aber selbst wenn sie gefragt hätten, hätten wir nein gesagt. Wir mögen es nunmal nicht. Es hat aber auch keinen Sinn, deshalb zu prozessieren. Wer uns samplen will, sollte gar nicht erst fragen. Macht es einfach.
Auf dem neuen Album „Still Waters“ habt Ihr mit Produzenten-Legenden wie Russ Titelman und Arif Mardin gearbeitet Keine Lust, mit Dancefloor-Acts zu experimentieren, wie das McCartney gemacht hat?
ROBIN: Paul hat das Experiment sicherheitshalber unter Pseudonym veröffentlicht – es war ein Flop.
BARRY: Ich werde in diesem Jahr 50 und will guten Pop schreiben mit erfahrenen Produzenten, die ein Leben lang Platten produziert haben -Leute, die ich bewundere, von denen ich etwas lernen kann.
Euer gleichaltriger Kollege John Meilencamp hat gejammert, er würde nicht mehr durchblicken: Heute würden allein mehr Rap-Alben veröffentlicht als vor 20 Jahren im gesamten Pop-Sektor. Leidet Ihr mit? BARRY: Viele kommen angesichts der Flut nicht mehr mit; das geht nicht nur uns und Mellencamp so. Wenn ich in den USA einen schwarzen Musik-Channel einschalte, kenne ich keinen der Sänger mehr. Doggy Dog, Snoopy Snoop, Kakki Kak – es ist eine fremde Welt mit einer eigenen Sprache.
Also geht Ihr auch nur noch in Clubs, wo klassische Disco gespielt wird? ROBIN: Quatsch. Natürlich checken wir aus, was draußen gerade so läuft ohne daß uns das beeinflussen würde. MAURICE: Wir waren immer nur die drei Kids aus Manchaster, die Songs machen und wie die Beatles sein wollten. Ich bin immer ein Fan von ihnen geblieben. Wie Du siehst, laufe ich auch heute wieder in Beatles-Boots nun.
Mußtet Ihr denn deshalb gleich auch die Beatles spielen? Euer Leinwand-Opus „Sgt Peppers Lonely Hearts Club Band“ ist als unsäglichstes Werk in die Geschichte des Popfilms eingegangen.
Maurice: Is ja gut. Der Film war wirklich Scheiße. Wir haben an dem Projekt auch nur mitgemacht, weil wir mal mit George Martin die alten Beatles-Songs einspielen wollten. Was soll’s, heute kann ich nur drüber lachen.