Beck – Odelay

Punkte: 127

Anfang der neunziger Jahre konnte man mit wenig Aufwand Teil einer Jugendbewegung sein. Es genügten verschlissene Jeans und ausgeblichene Flanellhemden, und wer dann noch bar aller beruflichen Dauerperspektiven als mies bezahlter Burgerbrater oder Paketfahrer jobbte, konnte sich mit gewissem Stolz als Slacker fühlen, als Teil der damals medial omnipräsenten „Generation X“. Slacker zu sein, bedeutete das ultimative Kontrastprogramm zu Poppertolle und Bundfaltenhose der Achtziger, zu BWL-Studium, geleastem Cabrio und geistigmoralischer Wende, die ja eigentlich doch nichts anderes gewesen war als eine reaktionäre Wiederbelebung des dumpfen Materialismus aus den fünfziger Jahren. Da kam Becks „Loser“ mit der wunderbaren Refrainzeile „I’m a loser, baby, so why don’t you kill me?“ gerade recht, eine Art Sommerhit der Grunge-Kids, „La Paloma Blanca“ für die Lustlosen und Zukurzgekommenen.

1994 erwartete man von Beck, ein One-Hit-Wonder zu bleiben, doch dann kam alles ganz anders. Zwei Jahre später nämlich erschien sein viertes Album – sein zweites bei einer großen Plattenfirma: Eine liebevoll konstruierte Melange aus ungeheuer kurzweiligem Pop, originellen Beats und obskuren LoFi-Samples, aus intelligent absurden Texten, bizarren Sounds und allerlei bunten Zitaten. Zu einer Zeit, in der Grungebands auf dem absteigenden Ast immer häufiger überkommene Hardrock-Rituale zelebrierten, in der die elektronische Tanzmusik eine erschrekkende Ballermannisierung zu durchleiden hatte, konnte man die Beliebigkeit der Postmoderne als Fluch empfinden. Dank „Odelay“ aber auch als Segen. Denn Becks Interpretation des „alles geht“ war nicht um vordergründige Effekte bemüht, sondern hatte bei aller Exotik der verwendeten Samples – Schuberts „Unvollendete“ etwa, Van Morrisons Beatcombo Them und Laurindo Almeidas Bossa Nova All Stars – dennoch Stil. Sogar einen ganz eigenen, unverwechselbaren.

Beck war so cool, weil er sich traute, ganz furchtbar uncool zu wirken: ein blasser Nerd, der verstaubte, angegilbte Plattensammlungen plünderte und zu hippen Tracks zusammenschusterte. Dafür spendierte Amerikas Unterhaltungsestablishment 1997 erstaunlicherweise sogar einen Grammy: „Odelay“ wurde zum „Best Alternative Album“ gekürt.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates