Beat mit Gesicht
Demba Nabe, Sänger von Seeed, hat als Boundzound ein Soloalbum gemacht - ein kurzer Schritt aus dem Kollektiv heraus
Wenn die Berliner Dancehall-Posse Seeed bei Konzerten die schwitzenden Körper des Publikums zu einer zuckenden Masse vereint, ist das auch ein Sieg des Kollektivs über die Individualität. Auf der Bühne und davor. Die elf Seeed-Akteure gebärden sich bei solchen Gelegenheiten als quirliger Haufen, für den stets nur das große Ganze zu zählen scheint. Auch wenn die drei Frontleute natürlich herausragen.
Über kaum eine der großen deutschen Bands weiß man abseits der Musik so wenig wie über Seeed, und auch den Vokalisten Demba Nabe würde vermutlich kaum einer auf der Straße erkennen. Jetzt nutzt der 1972 im Berliner Stadtteil Buch Geborene nach Stationen als Straßenmusiker und am Theater die Pause der Stammband für ein erstes Soloalbum. Auf „Boundzound“ thematisiert der im Seeed-Kontext unter dem Nickname Ear agierende Demba Aspekte menschlichen Zusammenlebens, stilistisch bedient er sich einmal mehr bei Reggae, Dub, R&B und HipHop. „Wenn wir all unsere Ideen bei Seeed unterbringen wollten, müssten wir jeden Monat ein Album machen“, erklärt Demba beim Treffen in einem Kreuzberger Cafe.
Boundzound taucht als Überbegriff für dein Schaffen bereits seit Anfang der Neunziger auf, jetzt heißt dein Soloalbum so. Wie definierst du das – „Boundzound“?
Der Boundzound ist ein Ding, das Grenzen überwindet, Sachen und Leute zusammenbringt. Früher bin ich oft mit unsinnigen Dogmen und Grenzen konfrontiert worden, wenn ich konventionelle Strukturen durchbrach. Ständig hieß es: „Geht nicht, kann man so nicht machen.“ Aber wenn ich hartnäckig geblieben bin, hat sich oft herausgestellt, dass das eben doch ging.
Auch eine erfolgreiche Band wie Seeed kann einem durch ihre Struktur ja gewisse Grenzen aufzwingen. Wie befreiend war es, nun einmal nicht alles mit elf Leuten abstimmen zu müssen?
Genossen habe ich vor allem die Freiheit, einem eigenen, festen Plan folgen zu können. Das Gegenteil von Freiheit, ich weiß. Aber ich will gar nicht unabhängig und flexibel sein! Ich mag es, in geregelten Bahnen zu arbeiten. Künstlerisch will ich nicht die Freiheit haben, alles zu entscheiden, um den Preis, dass jemand anders damit nicht zufrieden ist. Ich habe da mit sehr guten Leuten zusammengearbeitet, wir haben das Optimum aus der Sache rausgeholt.
Das Element der Grenzuberschreitung zieht sich ja auch durch deine Geschichte. Wie hat sich dein künstlerisches Leben zu Ostzeiten nach der Wende geändert?
Damals war ich hauptsächlich mit Malerei und Schreiben beschäftigt. Musik und auch Theater kamen erst später. Generell lässt sich sagen: Alles, was mit Material zu tun hat, war im Osten schwierig. Ich hatte einen Bleistift und ein Blatt, konnte mich also ausdrücken. Das hat mir damals auch gereicht. Nach der Wende habe ich dann begonnen, meine vorher skizzierten Ideen umzusetzen. Ich hatte eine Menge Theater-Skripte auf Lager, die ich mit Senatsmitteln realisieren konnte.
Hort sich nach einem relativ bruchlosen Übergang an.
Es gab schon einen Bruch. Aber wahrscheinlich anders als für die meisten anderen Leute, da ich ja so einer Art Zwischengeneration angehöre. Ich bin bereits 1987 rübergekommen und war so bereits im Westen angekommen, als dann später dieser große, kollektive Umschwung kam. Außerdem habe ich mich auch zu Ostzeiten nicht als Ostler gefühlt. Und fühle mich auch jetzt nicht als Westler.
In deiner Musik ist der schwarze Einfluss deutlich. Hast du den afrikanischen Teil deiner Herkunft auch jenseits der musikalischen Wurzelsuche erforscht?
Ich war schon oft in Afrika, habe da auch Familie. Im Prinzip habe ich ja zwei Väter- meinen leiblichen in Afrika und den Mann meiner Mutter in der Schweiz-, und beide waren wichtig. Mein Stiefvater durch physische Präsenz, aber auch mein „richtiger“ Vater war und ist auf andere Weise eine sehr prägende Figur. Leider bin ich durch die Arbeit mit Seeed in den letzten Jahren nicht mehr dazu gekommen, ihn in Afrika zu besuchen, der Kontakt besteht aber.
Deine Heimat ist aber klar Berlin, oder? Wie wichtig ist die Stadt?
Sehr wichtig. Berlin bietet für eine Großstadt enorm viel Raum. Die Häuser sind nicht so hoch wie in New York zum Beispiel, es ist nicht so voll, und man merkt immer noch, dass das eigentlich nur ein paar zusammengefügte Dörfer sind. Kein industrielles Ballungszentrum mit dem Hauptzweck der Arbeitsbeschaffung. Viele Leute sind hierhergekommen, weil sie Frieden wollten und nicht zur Armee, auch dieser Geist schwebt über der Stadt. Und dann natürlich die Mauer, die früher da war. Diese zwei unterschiedlichen Ideen, die so lange parallel existiert haben und jetzt wieder zusammengeführt werden. Daraus ergeben sich eine Menge interessante und auch schöne Dinge.