Bausteine der Liebe

Für das neue Werk von The Magnetic Fields bündelte Stephin Merritt seine kreativen Kräfte

Es scheint doch was dran zu sein am ewigen Mythos New York. Mehr als ein nostalgischer Witz ist es zwar nicht, wenn Woody Allen in „Manhattan“ sagt, dort würde das Leben im Rhythmus von George-Gershwin-Melodien pulsieren. In einem kleinen Schwulencafe im East Village sitzt aber fast täglich ein noch kleinerer Mann mit Notizbuch, der Gershwin, Cole Porter und den alten Musical-Regisseur Busby Berkeley noch heute für das Größte überhaupt hält. Der seinen Chihuahua Irving getauft hat, nach Irving Berlin. Außerdem mag er Abba und die Pet Shop Boys, und von einigen Zeitungen wurde er kürzlich übereinstimmend zum besten aktiven Songschreiber Amerikas ernannt Das ist Stephin Merritt, Mitte 30, Kopf der Band The Magnetic Fields.

Solch workaholische Eigenbrötler wie Merritt gehen heute freilich nicht mehr an den Broadway, sondern nehmen Platten auf. Sechs Alben haben er und seine Freunde seit 1990 produziert, in Heimarbeit, minimal vertrieben von einem kanadischen Indie-Label. Was da nicht mehr draufpasste, veröffentlichte Merritt mit anderen Freunden unter anderen lustigen Namen (Future Bible Heroes, Gothic Archies, The 6ths). Bis er in seinem Büro-Cafe den Plan fasste, der die kreativen Kräfte ein gutes Jahr lang bündelte: eine monumentale Revue mit 100 Liedern über die Liebe. Das hätte er geschafft. „69 Love Songs“ wurden es am Ende. Eine noch schönere Zahl, leicht zu verteilen auf drei CDs.

Für Liebeslieder hat Stephin Merritt halt ein spezielles Händchen. Es gibt kaum eine Herzensangelegenheit, die er nicht irgendwann in knapp drei Minuten auf den Punkt gebracht hätte, und deshalb mögen viele seiner empfindsamen Hörer ihm gar nicht glauben, wenn er alle autobiografischen Bezüge entschieden abstreitet: „Liebeslieder sind in der Regel doch so allgemein formuliert, dass sie auf jeden zutreffen können.“ Ein Spiel, sonst nichts, mit einem unveränderlichen Bestand an pophistorischen Bausteinen.“ „Dass ein neuer Song sich trotzdem anders anhört als die anderen“, erklärt er knochentrocken, „kriegt man beim Schreiben schon irgendwie hin.“ Die clevere Selbst-Dekonstruktion ist natürlich wieder nur eine Hälfte der Wahrheit. Tatsache ist dagegen, dass Stephin Merritt gerade das zweite Album der 6ths fertigstellt Gastsänger unter anderem: Momus, Gary Numan und Sarah Cracknell von St. Etienne. Das East Village muss keineswegs eine einsame Insel sein.

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