Der Barbie-Film hat die Plastikpuppe (endlich?) modern gemacht
Eine Selbstermächtigungsgeschichte, der das sonst übliche heteronormative Happy End fehlt.
Barbie hat abgeguckt: Vor hundert Jahren entwarf die Designerin Elsa Schiaparelli bereits Kleider in „Shocking Pink“ und malte Riesenhummer auf Abendroben. Wenn man die diesem Jahr wie eine Flamingobombe eingeschlagene Pinkisierung der Welt durch Mattels und Greta Gerwigs erfolgreichen Puppenfilm-Schachzug beklagt, müsste man also dort anfangen. (Oder noch früher: Laut dem „National Geographic“ sind Pinktöne die ältesten Nuancen der Welt, mit denen Menschen sich, ihre Lippen und ihre Kleider färbten.)
Die große sexy Schwesterfarbe des Babyrosa war genauso wenig je weg wie die Modepuppe selbst. Zu Recht wiesen vernünftige Menschen vor Jahrzehnten schon auf den Zusammenhang ihrer unrealistischen Proportionen mit der Zunahme an Körperstörungen bei jungen Mädchen hin – aber all das wäre vermutlich auch ohne Barbie ungefähr der gleiche Schlamassel. Und Gerwigs genial zwischen Mitläufertum und Anarchie angesiedelter Plastik-Albtraum wurde ohnehin eher von den bereits ihrem Körpergefühl verhafteten Müttern der potenziellen Puppenspieler:innen geschaut: Die größte Gruppe der Millionen Kinogänger weltweit sind Frauen über dreißig (von denen fast ein Viertel seit Jahren nicht im Kino waren, geschweige denn in einem Film einer Regisseurin).
Was bedeutet das Ende von „Barbie“?
Mit dem Barbie-Film sahen sie zudem eine Selbstermächtigungsgeschichte, der das sonst meist übliche heteronormative Happy End fehlt. Obwohl die letzte Szene des Films unter Kritiker:innen unterschiedlich interpretiert wird: Die einen beklagen bitter, Barbie gehe nur zur Gynäkologin, um sich reproduzieren und damit die Mutterrolle erleben zu können, die anderen sind freudig sicher, dass Barbie sich rumpfunterhalb sensibilisieren lassen will, um endlich suffizienten Sex mit Fremden zu haben.
Dieses Jahr, das Barbie-Jahr 2023, sollte man eher als Befreiungsschlag denn als Zurück-zur-Puppe-Bewegung lesen. Barbie (und damit die altmodische, nach strengen Gendervorgaben existierende Gesellschaft) ist nicht „wieder da“. Sie morpht sich stattdessen hoffentlich langsam, aber sicher zu einer genderbewussteren, diverseren, inklusiveren und realistischeren Version ihrer selbst.
Welche Farben sie dabei trägt, ist schnurz. Denn weder Pink noch Grau, weder High-Heels noch Birkenstock sind in der Lage, den Zustand der Gendergerechtigkeit ausreichend zu repräsentieren: Es handelt sich unterm Strich doch nur um Farb- und Modevorlieben. Wer sich aufregt, dass der Großkonzern Mattel durch den Erfolgsfilm noch mehr abgesahnt hat, der hat zwar recht. Allerdings ist in diesem Jahr das Familienunternehmen Birkenstock hoffnungsfroh (und bequem) an die Börse gegangen.