„Barakah Meets Baraka“ – Arab Hipsterism oder: Shakespeare in Dschidda
Systemkritik geht auch anders, wie die saudische Romance-Satire »Barakah Meets Barakah« beweist. Der Film ist eine der kleinen Perlen, die man auf der diesjährigen Berlinale entdecken kann.
Selten sind die Erwartungen an einen Kinobesuch derart übertroffen worden, wie bei diesem Film. Als »abgefahren«, »atemberaubend« und »sehr lustig« wird Mahmoud Sabbaghs in Saudi-Arabiens zweitgrößter Stadt Dschidda angesiedelte Komödie Barakah Meets Baraka (Original: „Barakah yoqabil Baraka“) angekündigt, aber so viele Vorschusslorbeeren machen den Kritiker skeptisch. Den Kinosaal hat er aber mit einem dicken Grinsen verlassen, denn das, was er zu sehen bekam, war nicht moralinsaure Systemkritik, sondern gesellschaftspolitische Satire at it’s best.
Dass der Nahe Osten großartige Filme hervorbringt, hat vor wenigen Wochen die Jury des Sundance-Filmfestival noch einmal bestätigt, als sie mit Sufat Chol (Sand Storm) von der israelischen Regisseurin Elite Zexer einen Film ausgezeichnet hat, der in dramatischer Weise die Schwierigkeiten des Coming-of-Age in einer Beduinenfamilie zeigt. Dass der Film auf der Berlinale gezeigt wird, ist ein großes Glück für das Festival wie für seine Gäste, denn er präsentiert eine dem Kino nahezu unbekannte Welt, die vielfältig Anlass gibt, über die eigenen und fremde Werte nachzudenken. Wer die Gelegenheit hat, diesen Film zu sehen, sollte es tun, denn ob er einen deutschen Verleih findet, ist trotz des Erfolges alles andere als wahrscheinlich.
Ein kleiner Geniestreich
Aber an dieser Stelle sollte von einem anderen Film die Rede sein, für den all das auch gilt. Und doch ist Barakah Meets Barakah – der erste saudi-arabische Kinofilm seit Jahrzehnten – so etwas wie das genaue Gegenteil von Sand Storm. Statt auf dramatische Zuspitzung der Realität setzt das Filmteam hinter diesem kleinen Geniestreich auf Übertreibung und Verfremdung, um in dieser die Kritik an der saudischen Gesellschaft zu verankern.
Der junge Barakah ist ein Tagträumer, der aus armen Verhältnissen kommt und seine Schwierigkeiten mit der ihn umgebenden Klassengesellschaft hat. Zugleich hält er sie als Ordnungshüter aufrecht und verteilt Strafzettel, wenn Gemüsehändler ihre Ware auf dem Gehweg ausbreiten oder Bauherren ihre Angestellten in der Mittagshitze schuften lassen. Dabei verguckt er sich in das saudische It-Girl Bibi Harith, der auf Instagram & Co. tausende Jugendliche folgen, von deren Existenz Barakah aber bislang nichts gewusst hat. Harith ist das Gegenmodel zu dem jungen Mann. Sie kommt aus reichem Haus, ist mit einem gigantischen Selbstbewusstsein gesegnet und pfeift auf die gesellschaftlichen Konventionen.
Ein Mangel an öffentlichen Raum
Sie die aufmüpfige Göre aus gutem Hause, er der unsichere Hipster aus Dschiddas Bronx – das ist eine ganz wunderbare Melange und Grundlage, um das Anbandeln unter erschwerten Bedingungen von der humorigen Seite zu betrachten. Denn in dieser Konstellation wird nicht nur die Klassengesellschaft Saudi-Arabiens gespiegelt, sondern auch die Genderregeln auf den Kopf gestellt. Es ist daher eine bizarre Geschichte, die zeigt, wie sich die beiden näherzukommen versuchen. Die weniger von Liebe als von der Unmöglichkeit ihrer Entstehung erzählt.
Eine Rolle spielt dabei vor allem der Mangel an öffentlichem Raum, in dem sich junge Menschen frei begegnen, wo sie Erfahrungen sammeln und den Umgang miteinander üben können. Dieses Defizit an Austausch dreht die Schraube des Irrsinns, den der ehemalige Journalist Mahmoud Sabbagh mit seiner Komödie veranschaulicht, noch ein wenig weiter, denn Bibi und Barakah müssen sich die absurdesten Dinge einfallen lassen, um überhaupt Zeit miteinander zu verbringen. Um den wahhabitischen Lebensregeln und einigen skurril-schrulligen Nebenfiguren irgendwie aus dem Weg zu gehen, verlagern sie einen Großteil ihres Kennenlernens in virtuelle Welten, was natürlich die nächsten Missverständnisse nach sich zieht. Die Dialoge dieser Satire sind mutig und spritzig, die Themen, die dabei aufgegriffen werden, vielfältig.
Weder ein Kino, noch ein Theater
Mit Hisham Fageeh und Fatima AlBanawi standen dem saudischen Filmemacher zwei Schauspieler zur Seite, die wunderbar miteinander harmonieren. Erlebt man die drei miteinander, versteht man auch, wie dieser Low-Budget-Film in einem Land entstehen konnte, in dem es weder ein Kino noch ein Theater gibt. Die drei saudischen Hipster sind Teil der kritischen Kunst- und Kulturszene im Land, die Dinge bewegen und Dialoge in Gang bringen wollen. Stand-Up-Comedian Fageeh hatte 2013 mit seinem Youtube-Hit No Women, No Drive, in dem er das Fahrverbot für saudische Frauen auf die Schippe nahm. Hier nun schlüpft er sogar in ein Frauenkleid, um in einer exaltierten Laientheatergruppe die Ophelia in einer Hamlet-Aufführung zu spielen und damit einmal mehr die Geschlechterverhältnisse auf den Kopf zu stellen.
»Unsere Generation hat eine Verantwortung«, sagte Sabbagh nach der Weltpremiere des Films am Samstagabend, und Comedy sei ein gutes Mittel, um zum Wandel hin zu einer freieren und liberaleren Gesellschaft beizutragen. Sein Traum sei es, wenn der Film in Saudi-Arabien öffentlich gezeigt würde und damit einen Dialog über den öffentlichen Raum anstoßen würde.
Was dem Film fehlt, ist eine deutliche Kritik an der orthodoxen Religiosität, die den Blogger Raif Badawi in eben jenem Dschidda, in dem diese Komödie spielt, mit ungewisser Aussicht hinter Gitter gebracht hat. Diese Kritik klingt nur dann an, wenn der Film aus der Satire ausschert und Fotos aus Saudi-Arabien aus den siebziger Jahren und von heute zeigt.
Ähnlich wie Iran hat dieses Land schon einmal liberalere Zeiten erlebt. In diesen Sequenzen bekommt Barakah Meets Barakah plötzlich eine todernste Seite. Fremd wirkt das, vielleicht auch, weil es die Erwartungen trifft, die man anfangs an diesen Film hatte. Dass er diese die meiste Zeit nicht erfüllt, sondern in seiner federleichten Satire hintertreibt, ist eine Wohltat.