Bad Religion – Eine Band mit Bildungsauftrag
1. Gebot für BAD RELIGION war stets, Hörer zum Denken zu animieren - die richtige Punk/Pop-Mixtur aber fehlte noch. Bis Todd Rundgren kam...
Wie jeder gute Amerikaner ist Greg Graffin ein vehementer Verfechter der Demokratie außer wenn es um Bad Religion geht. Da gibt der Sänger den Ton an, und er tut nicht einmal so, ab ob es anders wäre. „Wer die Songs schreibt, der hat das Sagen“, grinst Graffin und fügt hinzu: „Wer sich über einen meiner Songs beschweren will, hat gefälligst einen besseren anzubieten. Wer keinen besseren hat, muss die Klappe halten.“ Und so waren seine vier Kollegen wieder einmal still und spielten das Album „The New America“ so ein, wie Greg es wollte.
Die Stimmung in der Band trübt dieses Prozedere gar nicht. So funktionieren Bad Religion schließlich seit 20 Jahren. Inzwischen lebt zwar jedes Mitglied woanders, aber in den Schaffenspausen wird viel telefoniert. Wenn man dann zu Aufnahmen oder Touren wieder zusammenkommt, freut sich jeder auf den anderen. „Würden wir alle an einem Ort leben, wären wir sicherlich längst nicht mehr zusammen.“
Noch mehr freute sich Greg diesmal auf den Producer: Todd Rundgren. „Er war schon ewig mein Held, weil es ihm wie keinem anderen gelingt, Pop-Appeal und Punk-Attitüde zu mischen – genau das wollten wir ja auch immer.“
Nebenbei war das Hauptanliegen von Graffins Band allerdings stets, den Hörern etwas beizubringen, sie ein bisschen zu belehren oder zumindest zum Denken zu animieren. „The New America“ ist wieder voller Sozialkritik, die in schlauen Sätzen daherkommt, aber trotzdem leicht verständlich ist. Graffin, selbst Vater, betont gerne seinen Bildungsauftrag: „Alles steht und fällt mit der Erziehung und Ausbildung. Wer nichts weiß, kann auch nichts tun. Ergo müssen wir die Kids motivieren.“
Der Song „You’ve Got A Chance“ fasst die Hauptbotschaft des Werks zusammen, wenngleich Graffin bewusst ist, dass er kaum Getto-Kinder damit erreichen wird. „Natürlich weiß ich, dass ich von privilegierter Position aus spreche. Ich wuchs nicht auf der Straße auf, ich konnte aufs College gehen. Trotzdem sag ich: Die Umstände sind nicht allein entscheidend, denn man kann sie überwinden. Man hat eine Chance.“
Er selbst hat wohl seine Chance, andere Menschen zu beeinflussen, optimal genutzt. Oder? Selbstzweifel gehören genauso zu Graffin wie seine Widersprüchlichkeit. Er schreibt, seit er mit 15 Bad Religion gründete, fast nur zornige Texte, fühlt sich aber durch und durch als „happy guy“. Trotz seines angeborenen Optimismus fragt sich der dreifach promovierte Biologe oft, ob er den richtigen Weg gewählt hat „Hätte ich als Vollzeit-Professor vielleicht mehr erreichen können? Aber wahrscheinlich hören viele Kids doch eher einem Punkrock-Sänger zu.“ Etliche, so Graffin, wollten nur seinetwegen Biologie studieren. Und das ist doch schon was.