#BackToLive: Produktionsleiter Dany Rau – „Veranstaltungsbranche schreit nach bundeseinheitlichen Verordnungen, die Planungssicherheit bieten“
Was Dany Rau bei seinen Prozessen über Corona-Entschädigungen für Veranstaltungsprofis erlebte
Dany Rau geht es um Grundsatzfragen. Wegen der Corona-Restriktionen kann er seit fast zwei Jahren seinen Job als Produktionsleiter nicht ausüben. Bereits im März 2021 haben wir mit ihm über die Herkules-Aufgabe gesprochen, vor Gericht eine staatliche Entschädigung zu erstreiten. Er beruft sich auf das Recht auf freie Berufsausübung und sieht in der erzwungenen Arbeitslosigkeit eine Art Sonderopfer für die Gesellschaft. Die Verbände der Selbständigen ISDV und VGSD unterstützen diese Klagen, die eines Tages beim Bundesverfassungsgericht landen könnten. Doch bislang steht die Aussage eines Richters im Raum: „Eine Existenzgefährdung kann erst dann anerkennt werden, wenn man obdachlos auf der Straße leben muss“.
Warum klagst du auf Entschädigung und wieso greifen für dich Maßnahmen wie Überbrückungs- oder Neustarthilfe nicht?
Weil ich meinen Beruf nicht ausüben kann. Das ist wie bei einem Atomkraftwerk, das auf staatliche Anweisung hin abgeschaltet wird. Dessen Betreiber werden auch entschädigt. Die Unterstützungen greifen bei mir und vielen anderen nicht, weil ich kaum Kosten habe, die explizit betriebsbedingt sind. Ich habe keine Angestellten oder Firmenräume. Meine Ausgaben sind auch „privat“. Damit gerät man in eine gefährliche Grauzone, wo es passieren kann, bereits gewährte Hilfen wieder zurückzahlen zu müssen. Das will ich nicht. Ich bekomme aber auch kein Arbeitslosen-Geld II, was ja stets als Sicherheits-Anker angeführt wird.
Aus welchem Grund?
Mein Sachbearbeiter beim Amt meinte am Telefon, ich wäre ja reich! Nach dem vereinfachten Antrags-Verfahren in Corona-Zeiten hatte ich zwar alle Kriterien für das ALG II erfüllt, gäbe es da nicht meine Altersversorgung. Interessante Maßstäbe legen die da an, wenn man mit seiner selbst angesparten Altersvorsorge als „reich“ gilt.
Wovon lebst du aktuell?
Ich konnte im letzten Sommer einige kleine Jobs rund um diese „Strandkorb“-Konzerte machen und bewerbe mich auch laufend. Doch letztlich muss ich auf die eben erwähnte Altersversorgung zurückgreifen, die eigentlich für die Zukunft gedacht war. Auf diese Weise lande ich dann, wenn das Polster aufgebraucht ist irgendwann doch wieder beim Amt. Auf diese Weise erzeugt der Staat Altersarmut.
Nun hast du mit deinem Anwalt insgesamt zwölf Klagen in elf Bundesländern eingereicht. Überall dort, wo du nachweisbar im Jahr 2020 hättest arbeiten können. Wie ist es bislang gelaufen?
Eher ernüchternd. Doch damit war zu rechnen, wir stellen uns auf weiten Weg ein. Das Verfahren in Berlin war mit bewusster Ansage des Gerichtes äußerst kurz gehalten. Gerade mal 45 Minuten. Das Protokoll umfasste drei Zeilen. Der Richter in Neumünster wiederum versah das Urteil mit dem Satz „Eine Existenzgefährdung kann erst dann anerkannt werden, wenn der Kläger obdachlos auf der Straße leben muss“. Die besondere Situation, die wir durch die Tätigkeitsverbote im Veranstaltungsbereich erleben, spielten für ihn keine Rolle. Am 21. Januar wurde auch meine Klage vom Amtsgericht Dresden abgewiesen. Einmal mehr war die Begründung, dass das Gericht keine existenzbedrohende Situation meinerseits sah und auch keinen enteignenden Eingriff des Staates. Alle Verbote mit den damit verbundenen Einkommensverlusten seien ohne Einschränkungen zumutbar. Somit kommt für das Gericht auch eine Anwendung des Entschädigungs-Paragrafen des Infektionsschutz-Gesetztes nicht in Frage. Auch einen Anlass die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen sieht das Gericht nicht. Von uns benannte und anwesende Zeugen, die eine existenzbedrohende Situation belegen könnten, wurden nicht gehört.
„Es sei ja alles in Ordnung. Für mich ist das ein Skandal sondergleichen. Wir werden bei all diesen Verfahren in Berufung gehen“
Wie lief es an den anderen Orten?
Auch bei den anderen Verfahren in Schleswig-Holstein und Berlin haben die Gerichte keinerlei Veranlassung gesehen, die wirklich prekäre Situation der Veranstaltungsbranche und der dort tätigen Selbstständigen Rechnung zu tragen. Eine rechtliche (Neu-)Bewertung dieser Umstände fand nicht statt. Es sei ja alles in Ordnung. Für mich ist das ein Skandal sondergleichen. Wir werden bei all diesen Verfahren in Berufung gehen.
Gab es Lichtblicke?
Wir haben es zumindest geschafft, dass die Protokolle umfangreicher ausfallen. Etwa, dass wir neue Unterlagen beigebracht oder einen Zeugen benannt haben. Was im Protokoll steht, muss in der Urteilsbegründung erwähnt werden. Aus jedem neuen Verfahren entstehen für uns auch neue Argumente. Wir sehen Interessenkonflikte der Richter in meinem speziellen Fall. Ich klage jeweils gegen ein Bundesland; und die Richter werden bestellt von der Landesregierung. Das bedeutet: Der auf der Anklagebank sitzt, ist im Prinzip der Vorgesetzte des jeweiligen Richters. Wir sehen da einen Interessenkonflikt und haben einen Befangenheits-Antrag gegen die Richter in Niedersachsen gestellt. Das ist zwar abgewiesen worden, aber wir wollen diese fehlende Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit in dieser Sache letztlich vor den Europäischen Gerichtshof bringen. Unterschwellig und teilweise ganz offen lautet die Botschaft der Gerichte: Wenn wir euch recht geben, öffnen wir das Tor zu massenhaften Entschädigungsforderungen – und dann geht der Staat pleite. Was natürlich Blödsinn ist, wenn man sich anschaut, wieviel Milliarden bislang ohnehin bereitgestellt wurden. Eine vom Finanzamt gesteuerte Entschädigungs-Auszahlung an steuerlich erfasste Selbstständige wäre dagegen eine zielgenaue, überwachte Maßnahme. Und natürlich will ich wieder Aufträge bekommen, auch wenn mich diese Gerichtsgeschichte noch einige Jahre beschäftigen wird.
Besteht die Gefahr, dass euer Thema mit dem Auslaufen der Pandemie-Maßnahmen aus dem Fokus gerät?
Das befürchte ich. Allerdings sieht es für mich absehbar noch nicht nach Jobs aus. Die ganze Veranstaltungsbranche schreit nach bundeseinheitlichen Verordnungen, die Planungssicherheit bieten. Wenn sich die Lage aber entspannt und Veranstaltungen wieder (uneingeschränkt) möglich sind, wird es das für mich noch schwieriger und mühsamer werden, Aufmerksamkeit innerhalb und vor allem auch außerhalb der Branche zu generieren und dadurch auf Politik und die Gerichte Druck zu machen. Wer wissen möchte, wie es weiter geht, kann diesen Link nutzen: https://gofund.me/1aad9d90. Für mich ist es ein mühsamer und steiniger Weg. Ich brauche gute Nerven, einen langen Atem und am Ende auch die finanziellen Mittel, um vor den Gerichten für Gerechtigkeit zu sorgen.