Backstage unterm Neonlicht
Der Hamburger Songschreiber Nils Koppruch hat erkannt: Manchmal hilft nur Weitermachen.
Es gibt gute Nachrichten für den Kulturstandort Hamburg, zuletzt von Berlin-Exodus bis Elbphilharmonie-Debatte arg gebeutelt. Nils Koppruch bleibt der Hansestadt erhalten und sagt: „Ich würde nicht auf die Idee kommen zu sagen, dass die Kulturpolitik hier Einfluss auf mich hat. Ich wollte noch nie was haben von irgendwelchen Leuten, um meine Musik machen zu können.“ Also macht der Ex-Fink-Chef einfach weiter, unter einer Tanzschule, in einem mühe- und liebevoll restaurierten Hinterhofsouterrain zwischen Schanzenviertel und St. Pauli. Dort wird’s langsam eng, nachdem er erst ein Klavier und dann auch noch ein Harmonium geschenkt bekam, auf dem sich jetzt die Textberge für „Caruso“ türmen. Auch das neue Album wurde überwiegend hier aufgenommen.
„Den Teufel tun“, 2007 sein Solo-Debüt, wurde nach dem Verkauf von Vertrieb und Firma leider „in die Tonne getreten“ (Koppruch). So ist „Caruso“ auch der Befreiungsschlag eines Mannes, der sich schon öfter mal gefragt hat, ob das alles noch die Arbeit wert ist. Wenn er wieder mal backstage unterm Neonlicht hockte und vor der Bühne 20 Leute warteten. Aber warum ausgerechnet Caruso? „Nee, das hätte niemand anders sein können“, sagt Koppruch. „Ich wollte ihn als starken Kontrast zu meiner Tour-Wirklichkeit – wie würdelos hinten oft das Drumherum ist, während vorne auf große Show gemacht wird. Eine Ikone musste her, aber keine Rock’n‘ Roll-Figur. Und dann fiel mir Caruso ein, da ist ja der Name schon Metapher für Erfolg, Ruhm, Reichtum, Könnerschaft.“
Dass Koppruch seine Musik erstmals mit seinem Gesicht auf dem Cover unter die Leute bringen will (was er bisher tendenziell bescheuert fand), passt zum direkten, unverstellten, fließenden Vibe der zwölf Stücke, die amerikanische Quellen mit großer Selbstverständlichkeit in deutschen Folk-Pop münden lassen. Die ebenso handfeste wie leichte Lebenshilfe-Single „Kirschen (Wenn der Sommer kommt)“ „rutscht gut runter“, so Koppruch, und klingt dabei inklusive Hank-Williams-Zitat gar nicht wie eins dieser peinlichen Lieder, die von Glückshormonen geflutete werdende Väter so in der Regel verfassen.
Dabei trotzdem nicht distanziert zu klingen, ist womöglich die Kunst, die ihn auch mit Gisbert zu Knyphausen verbindet, der einst Konzerte für den Kollegen eröffnete. „Ich hab’s als Glücksfall empfunden, Gisbert kennenzulernen“, sagt Koppruch. Dem „Caruso“-Duett „Die Aussicht“ könnte schon bald ein gemeinsames Album folgen, womöglich mit einer noch festzulegenden Konzept-Prämisse. „Zumindest sprechen wir schon eine Weile darüber. Gisbert darf nur nicht zu berühmt werden, dann hat er keine Zeit mehr dafür.“ Koppruch lacht. Ja, so wie Caruso.