BACK IN BLACK
Es ist 21 Uhr an diesem Samstagabend – und Trent Reznor klingt, als sei er am Ende seiner Kräfte. Monatelange Proben für die erste Nine-Inch-Nails-Tour seit 14 Jahren haben ihre Spuren hinterlassen. In einer Woche wird die Bühne verpackt und nach Japan verfrachtet, wo die Band beim Fuji Rock Festival erstmals wieder auftreten wird. Vom Publikum werden sie die Belohnung für die monatelange Plackerei schon kriegen, hofft Reznor. „Irgendwas kommt garantiert“, prustet er. „Und wenn’s nur die Tomaten sind, die mir an den Kopf fliegen.“
Er kokettiert natürlich. Viele erwarteten sehnsüchtig die Rückkehr von Nine Inch Nails -der Band, die in den 90er-Jahren gegen jede Wahrscheinlichkeit ihre finstere Mischung aus Industrial-Sounds und hartem Rock weltweit in die Charts führte. Seit Reznor 2009 das vorläufige Ende von NIN verkündete, hat der berüchtigte Workaholic seine Taktzahl noch einmal verschärft: Reznor produzierte zwei Soundtracks („The Social Network“, für den er einen Oscar bekam, und „The Girl With The Dragon Tattoo“, deutsch:“Verblendung“, beide von Regisseur David Fincher), lieferte die Titelmelodie für das Videospiel „Call of Duty: Black Ops II“ und wurde „Chief Creative Officer“ bei dem neuen Streaming-Service, den Interscope-Chef Jimmy Iovine und Dr. Dre bald vorstellen werden. Im April ging er mit seiner „anderen“ Band auf Tour, dem Quintett How To Destroy Angels, zu dem neben seiner Frau Mariqueen Maandig auch die alten NIN-Mitstreiter Atticus Ross, Rob Sheridan und Alessandro Cortini zählen. Nach einer EP aus dem Jahre 2010 veröffentlichten sie unlängst auch ihr Debüt „Welcome Oblivion“. Zwischenzeitlich fand Reznor noch Zeit, einen Song für Dave Grohls „Sound City“-Projekt abzuliefern, auf dem letzten Queens-Of-The-Stone-Age-Album mitzuarbeiten, Maandig zu ehelichen und zwei Söhne zu zeugen. Man kann es ihm also nicht verübeln, dass er in seinem Haus in Los Angeles alle viere von sich streckt und seufzt: „Ich bin so müde, dass ich fast schon deliriere. Ich würd’s nicht mal merken, wenn Sie sich ein fiktives Interview mit mir ausdenken würden.“
Doch allen Nebenprojekten zum Trotz sind es Nine Inch Nails, mit denen sein Name unauflöslich verbunden ist. Am 28. Mai verkündete er, dass er seit einem Jahr an einem NIN-Album gearbeitet habe, das inzwischen als „Hesitation Marks“ veröffentlicht wurde. Der Versuch, eine Live-Band zusammenzustellen, erhielt allerdings einen Rückschlag, als zunächst Eric Avery (der frühere Jane’s-Addiction-Bassist) und dann auch Adrian Belew (King Crimson) absagten. Erst der langjährige NIN-Gitarrist Robin Finck sagte schließlich zu, und mit Schlagzeuger Ilan Rubin, Bassist Josh Eustis und Keyboarder Cortini verkroch sich Reznor für drei Monate im Proberaum.
Reznor mag hundemüde sein, bleibt aber immer ein aufmerksamer Gesprächspartner. Auf Fragen reagiert er zunächst mit längerem Schweigen, um dann eine Antwort zu formulieren, die meist umfangreich ist und oft erst über Umwege zur eigentlichen Frage zurückfindet. Nur wenn er sich einmal einen Scherz erlaubt, verändert sich die Monotonie seiner Stimme -doch das ist nicht gerade häufig der Fall.
Wie sieht Ihr momentaner Arbeitstag aus?
Es ist das reinste Chaos. Es war eine endlose Abfolge von Projekten. Das NIN-Album wurde in letzter Sekunde fertig, bevor Proben und Auftritte mit How To Destroy Angels anstanden. Am Tag nach meiner Rückkehr begannen die Proben mit Nine Inch Nails, drei Monate lang. Und nun stecken wir in den letzten Details einer umfangreichen Produktion, machen Videos, Interviews, Fototermine – und bereiten uns darauf vor, ein Jahr auf Tour zu sein.
Kann es sein, dass Sie womöglich erst im Chaos aufblühen?
Ich hasse Chaos. Ich liebe die Arbeit, aber ich hasse die ständigen Unterbrechungen. Ich kann mich richtig in eine Sache reinknien, aber wenn acht Sachen gleichzeitig passieren, drehe ich durch. Und das ist im Moment der Fall.
Empfinden Sie die NIN-Arbeit zwischen all ihren Projekten denn nicht als eine Art Heimkehr?
Sicher, aber ich bin in den letzten Wochen durch ein Wechselbad der Gefühle gegangen. Es ist eine Sache, zu Hause zu sitzen und sich auszumalen, wie schön es doch wäre, die Band zu reaktivieren – das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite, und die rosa Brille ist immer in Reichweite -, aber dann die Frustrationen und Probleme zu durchleben, um die richtigen Leute zusammenzubringen, ist ein höllisches Stück Arbeit. Ich möchte ja nicht jammern, aber Sie haben mich wahrscheinlich am schlimmsten Tag der letzten drei Monate erwischt. War es im Rückblick die richtige Entscheidung, die Band 2009 aufzulösen?
Ja, ich war irgendwie ausgebrannt. Je älter ich wurde und je mehr ich verstand, was meine Motivation ist, warum ich funktioniere, wie ich funktioniere, umso mehr wollte ich einen Schlussstrich ziehen. Die Liste der Sachen, die über das Aufnehmen, Touren, Aufnehmen, Touren hinausgingen, war immer länger geworden. Und Jahre waren vergangen, in denen ich nichts von dem anpackte, was ich mir vorgenommen hatte. Und all das passierte vor dem Hintergrund, dass die Musikindustrie kollabierte und die kulturelle Bedeutung von
Musik immer mehr reduziert wurde. Ich kam zu dem Punkt, wo ich mir sagte: „Das ist nicht das, was du im Moment wirklich tun willst.“ Und es war nicht Arroganz, die da aus mir sprach. Ich liebe Musik, ich liebe das Musikmachen und sehe es als Privileg, damit meinen Lebensunterhalt verdienen zu können. Aber um sicherzustellen, dass ich meine Arbeit nie als bloßen Job verstehe, musste ich einfach einen Schritt zurücktreten. Und es lief dann auch tatsächlich so, wie ich’s mir erhofft hatte.
Was waren die ersten Indizien, dass Sie wieder eine neue Perspektive gefunden hatten?
Die echte Zusammenarbeit war etwas, das neu in meine Welt trat -sei es die mit David Fincher bei seinen Filmen, sei es bei How To Destroy Angels. Auch wenn die Gesichter wohlvertraut waren, spielten wir doch in neuen Rollen. Nicht im Mittelpunkt zu stehen, nicht das Exposé für die komplette Band schreiben zu müssen -das war wirklich neu und aufregend für mich. Aber gleichzeitig lernte ich, gewisse Aspekte der anderen Konstellation wieder zu schätzen -und das brachte den Ball ins Rollen.
„Hesitation Marks“ besitzt eine ungemein konzentrierte Atmosphäre. Es ist minimalistisch, elektronisch…
Wenn ich mit einem Album loslege, gebe ich mir selbst gewisse Regeln und Beschränkungen vor, um diesen Prozess zu unterstützen. Bei „The Slip“(von 2008) war die Idee die, dass alles so klingen sollte, als sei es live in der Garage aufgenommen worden – ohne jede Vorgaben. Und diese Vorgehensweise bedeutet mir sehr viel. Das neue Album entstand völlig organisch und ist letztlich nur eine Verlängerung der Software -dazu eine Drum-Maschine, alles sehr Lowtech, aufgenommen in meinem Schlafzimmer und meinem Büro.
Fragen Sie sich manchmal, ob Sie nicht schon alles gesagt haben, was Sie mit Nine Inch Nails sagen können?
Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen. Nine Inch Nails waren immer der Behälter für eine bestimmte Art von Musik. Als sich die Band herauskristallisierte, war die einzige Musik, die ich schreiben konnte, autobiografisch und wurde oft genug von Wut oder Angst gespeist. Wenn ich plötzlich gelernt hätte, wie man glückliche Songs schreibt, hätte ich sie wohl kaum unter dem Label Nine Inch Nails veröffentlicht. Zum Glück habe ich mir um dieses Problem nie Gedanken machen müssen.
Aber nachdem ich mich in den letzten Jahren doch erheblich verändert habe, fragte ich mich, ob es irgendetwas zu sagen gibt, das ich unter dem Etikett Nine Inch Nails sagen möchte. Oder sollte ich dem Projekt lieber einen ganz neuen Namen geben? Das Material, das sich diesmal einstellte, schien so etwas wie eine erwachsene Version zu sein – wie eine Reise von der Person, die ich einmal war, bis zu meiner heutigen Person, und deshalb schien das Etikett Nine Inch Nails durchaus angemessen.
Ohne nun gleich psychologisieren zu wollen: An welchem Punkt Ihres Weges befinden Sie sich?
Mir ist bewusst, dass sich verschiedene Dinge in meinem Leben verändert haben. Ich kämpfe heute nicht mehr so viel mit mir selbst wie früher -und ich bin dankbar dafür, weil das ein extrem unangenehmer Zustand war. Ich verstehe jetzt die Defekte in meinem Hirn und in meinem Charakter, ich bin in der Lage, sie zu umgehen oder zumindest zu identifizieren, wenn sie sich wieder einmal zu Wort melden. Und weil dem so ist, schaffe ich es zumindest zeitweise, das Leben zu genießen, Liebe zu fühlen, eine Familie zu haben, Freude an meinen beiden kleinen Jungs zu haben. Was aber nun nicht bedeutet, dass ich jeden Morgen aufwache und von einer Woge endlosen Glücks überwältigt werde. Ich bin noch immer ich. Ich kämpfe noch immer mit mir selbst. Aber früher war’s eben ein Fulltime-Job -was auch der Grund war, warum ich so viel Zeit für ein Album brauchte: Ich war so geladen mit Zweifeln, Unsicherheit und Selbsthass, dass ich alle Resultate infrage stellte und Problemen lieber gleich aus dem Wege ging. Daraufhin fühlte ich mich natürlich noch beschissener -und so ging’s endlos weiter.
Sie sagten, das neue Material sei so etwas wie die erwachsene Version einer Person, die Sie früher einmal waren. Beziehen Sie sich da auf eine spezifische Phase?
Ich weiß nicht, ob Außenstehende das nachvollziehen können, aber für mich gibt es eine Verbindung zu „Downward Spiral“. Es ist so, als wäre die Person, die das Album schrieb, nun tatsächlich die Person geworden, die ich heute bin. Bei der Produktion des neuen Albums hab ich jedenfalls oft an „Downward Spiral“ denken müssen – und dass ich die Welt inzwischen mit einem anderen, abgeklärteren Blick betrachte. Sicher, man kann schreien, bis einem die Kehle blutet, man kann mit dem Kopf durch die Wand, aber zum Glück habe ich heute einen anderen Weg für mich gefunden.
Es muss eine Tortur gewesen sein, ein deprimierendes Album wie „The Downward Spiral“ noch einmal durchleben zu müssen…
Lustigerweise war es überhaupt nicht deprimierend, als ich es schrieb. Das Album war mehr so was wie eine dunkle Ahnung, eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Mein Leben war interessant und aufregend, als ich „Downward Spiral“ konzipierte. Als ich die Geschichte (über den unaufhaltsamen Verfall eines Mannes, der im Selbstmord endet) schrieb, war es ein fiktiver Lebenslauf -der dann aber Realität wurde. Fast bis zum krönenden Ende. „The Fragile“, das nächste Album, wurde in einem Zustand geschrieben, den man nur mit Hölle, Sucht und Selbstverlust beschreiben kann. Ich war völlig verloren.
Wenn es etwas gibt, auf das Reznor sichtlich stolz ist, dann ist es sein Gefühl dafür, was es bedeutet, ein Fan zu sein -und wie man diesen gut behandelt. „The Slip“, das siebte Album der Band, stellte er 2008 zum kostenlosen Download auf die NIN-Website („This one’s on me“, kommentierte er trocken). Und auch wenn er dezidierte Vorstellungen über den adäquaten Musikkonsum hat („schwarze Vinylscheiben mit 12-Inch-Durchmesser“), so ist er doch Realist genug, um die Vorteile der neuen Streaming-Dienste würdigen zu können: „Es geht nicht darum, die eh schon populären Hits herauszuhauen. Aber wie wäre es, wenn man dadurch Billie Holiday kennenlernt? Oder den Musikkatalog der ganzen Welt zur Verfügung hätte?“(Was seine Aufgaben bei Project Daisy, dem neuen Streaming-Service von Dr. Dre, betrifft, so will er den Empfehlungs-Charakter des Dienstes betont wissen: „Mach mich auf eine neue Band aufmerksam, die ich noch nie gehört habe.“) 2007 ließ er bei einem Konzert in Sydney eine Hasstirade gegen sein Label Universal vom Stapel, das angeblich unsittliche Preise für Nine-Inch-Nails-CDs verlange. Er riet dem Publikum, unter diesen Umständen die CDs besser zu klauen.
Bekamen Sie damals Ärger mit Ihrem Label? Wie waren die Reaktionen?
Nun, man hat mir nicht den Hintern versohlt und auch sonst keinen Ärger gemacht. Ich glaube sogar, dass ich damit eine notwendige Diskussion angestoßen habe, weil die Situation wirklich unhaltbar war. Ich hatte das Gefühl, dass die Majors kopflos und katastrophal auf die neuen Technologien reagierten. Napster und Musikfans zu verklagen oder eben die hohen Preise, wie ich sie beispielsweise in Australien erlebte -das war alles andere als eine angemessene Antwort. Wie kann man sich da noch wundern, dass Fans die Musik lieber stehlen?
Ich habe immer versucht, die Dinge aus der Sicht eines Fans zu sehen -weil ich selbst auch ein Fan war. Was geht im Kopf eines Kids vor, das in Musik vernarrt ist? Was für ein Gefühl ist es, auf eine lang gesuchte Platte zu stoßen? Mit neuer Musik konfrontiert zu werden? Ein Konzert zu besuchen? Gab es einen angemessenen Gegenwert? Hat sich der Aufwand gelohnt? Ich habe selbst diese Erfahrungen gemacht, bei Konzerten ein überteuertes T-Shirt gekauft, das nach einmaligem Waschen nicht mehr brauchbar war. Das sind nur kleine Dinge, aber ich vergesse sie nicht. Und ich stehe nun auf der anderen Seite des Zaunes und bin in der Lage, etwas dagegen unternehmen zu können. Womit ich nicht behaupten will, dass ich immer alles im Blick habe, aber zumindest versuche ich, die Situation aus der Sicht eines Fans zu verstehen.
Sie sind jetzt wieder bei einem Major: Columbia in den USA, Universal in Deutschland. Heißt das, dass Ihr Experiment mit dem eigenen Label fehlgeschlagen ist?
Es gab gute Gründe dafür. Wir haben Fehler gemacht, aber es waren unsere Fehler. Ich produzierte zum Beispiel ein Album für Saul Williams („The Inevitable Rise And Liberation Of Niggy Tardust!“ von 2007) und steckte viel Geld rein, um wirklich das Optimum rauszuholen. Als wir merkten, dass kein Label Interesse hatte, versuchten wir meine Theorie in die Praxis umzusetzen: dass echte Fans liebend gern einen kleinen Obolus zahlen würden, um das Album zu kaufen -vor allem, wenn sie wissen, dass das Geld direkt beim Künstler landet. Wir stellten das Album auf unsere Website und gaben den Interessenten zwei Möglichkeiten: Klick hier, wenn du es kostenlos haben willst. Es gibt keine Tricks und Haken -es ist das gleiche Album mit der gleichen Soundqualität. Oder klick hier, wenn du fünf Dollar zahlen willst, die direkt an Saul gehen. Das Ergebnis war deprimierend: Ich glaube, es waren 18 Prozent, die gezahlt haben. Ich verfolgte dann auch noch die Diskussionen im Forum: „Ich mochte nur drei Songs“, schrieb da einer, „und für die zahle ich doch keine fünf Dollar.“(Sichtlich verärgert) Fuck you. Go fuck yourself. Du hast heute genauso viel für einen beschissenen Kaffee bezahlt.(Seufzt) Ich weiß auch nicht, warum ich mir das jetzt unbedingt von der Seele reden musste.
Im kommenden Jahr kann Reznor bereits das 25. Jubiläum von „Pretty Hate Machine“ feiern. Angesichts des Widerstandes, der der Band damals entgegenschlug, war das Debütalbum von Nine Inch Nails eine bemerkenswerte Leistung. In einem Umfeld, das durch den spaßwütigen Party-Sound der Hair-Metal-Bands dominiert wurde, wirkte NIN wie ein asozialer, deprimierender Fremdkörper. Musikalisch stand man in der Tradition von Industrial-und Electronic-Pionieren wie Ministry und Skinny Puppy, doch gleichzeitig repräsentierte Reznor eine Bewegung, die eine Alternative-Nische im neuen Mainstream schaffen sollte. Innerhalb von zwei Jahren hatte „Pretty Hate Machine“ allein in den USA die Millionenmarke geknackt. Und „The Downward Spiral“ machte sie 1994 weltweit berühmt.
Mit dem 25-jährigen Jubiläum erfüllen Sie die Kriterien, um in die Rock and Roll Hall Of Fame aufgenommen zu werden. In Ihren Anfangstagen muss diese Vorstellung hysterische Lachanfälle ausgelöst haben
Mir war diese Möglichkeit gar nicht bewusst, bis mich neulich jemand darauf hinwies. Eine ähnliche Situation erlebte ich, als ich die Arbeit am „Social Network“-Film abgeschlossen hatte. Wir saßen bei einer privaten Vorführung, als David Fincher auf mich zukam. „Ich glaube wirklich, dass du dafür den Oscar verdient hast“, meinte er. „Du wirst ihn nicht kriegen, weil es für die Jury zu abgefahren ist. Ein Soundtrack muss schon ein Orchester haben, um in deren Augen preiswürdig zu sein. Außerdem ist der ganze Film nicht der Stoff, der nach Oscar schreit.“ Ich sag das nicht aus falscher Bescheidenheit, aber ich hatte nicht mal im Traum daran gedacht, dass meine Arbeit in irgendeiner Beziehung zu einem möglichen Oscar stand. Ich erwähne das nur, weil es eine ähnliche Erfahrung war -und das sind Dinge, mit denen ich mich gewöhnlich nicht beschäftige. Aber natürlich ist es ein gutes Gefühl, wenn die Arbeit von Außenstehenden anerkannt wird.
Um einen derart langen Atem zu haben, muss man im Lauf der Jahre doch einige grundsätzliche Entscheidungen treffen. Wie würden Sie Ihre entscheidenden Weichenstellungen beschreiben?
Nun, ich habe immer versucht, meine Arbeit zu respektieren und sie so rein und unverfälscht zu halten wie nur irgend möglich – was uns wieder zu dem Punkt bringt, warum ich die Band vor vier Jahren aufgelöst habe. Alles, was ich veröffentliche, sollte das Optimum sein, das ich zu diesem Zeitpunkt leisten kann. Wenn eine andere Person meine Arbeit für beschissen hält -kein Problem! Ich kann nicht beeinflussen, was andere über meine Musik denken. Aber ich kann dafür sorgen, dass ich so hart und konsequent arbeite, wie es nur möglich ist. Es war bis vor Kurzem das Einzige, was meinem Leben Sinn gab, das Einzige, zu dem ich wirklich Talent habe. Ich habe früh realisiert, dass die Musik meine eigentliche Identität ist. Wann immer meine Welt zusammenbrach, wann immer ich mich beschissen fühlte, war die Musik mein Rettungsanker. Ich glaube, ich war an meinem Tiefpunkt, als Drogen und Alkohol diese Beziehung unterminierten. Es erschien mir fast nebensächlich, was die Drogen aus mir persönlich machten -aber dass sie dieses Talent, dieses Geschenk zerstörten, war unverzeihlich.
Wenn Sie sich mit Ihren 48 Jahren jetzt umschauen: Gibt es andere Musiker, die ihre Integrität auch in fortgeschrittenem Alter bewahrt haben?
Gene Simmons!(lacht) Nein, aber Bowie ist noch immer der Meister. Niemand ist so cool wie er. Und auch Leute wie Tom Petty, der seit Jahren vital und produktiv ist, oder Neil Young womit ich nicht sagen will, dass sie mir persönlich viel bedeuten, aber sie sind noch immer vital und geben nicht vor, die Person zu sein, die sie vor vielen Jahren einmal waren. Nick Cave wäre ein weiteres Beispiel -und es gibt sicher noch viele mehr, aber scheiß doch auf all die alten Säcke! (lacht)