Ausgeübter Beruf: Gast
Es muss schon eine ziemlich gruselige Sache sein, wenn man morgens aufwacht, in den Spiegel schaut und feststellt, dass man Georg Uecker ist. Oder Simon Gosejohann. Oder Ruth Moschner. Doch damit nicht genug. Beim genauen Blick stellt man dann ziemlich sicher fest, dass man von Halbprominenz befallen ist, einem üblen Phänomen, das die Betroffenen bis an den Rand der öffentlich zelebrierten Verzweiflung treiben kann. Halbprominenz ist für die Befallenen deshalb so schlimm, weil sie ihnen immer nur Plätze zwischen allen Stühlen zugewiesen werden. Unbekannt sind sie nicht mehr, aber ihren Namen kann sich auch niemand merken. Sie haben also ihr Recht auf Privatsphäre an irgendeiner Studio-Tür abgegeben, im Gegenzug aber hat niemand den erhofften Ruhm angeliefert. Infolge dessen müssen sie sich ihren Lebensunterhalt nun mit äußert zweifelhaften Tätigkeiten verdienen. Sie sitzen herum in so genannten Panel-Shows, müssen ihre Wohnungen für seltsame Kollegen-Gelage öffnen, und wenn es ganz schlimm kommt, werden sie abgeordnet zu Ereignissen, die sich Event nennen und manchmal die Einstufung in die niedrigste Kaste der Prominenz nach sich ziehen.
Sehr schön kann man einen solchen Vorgang demonstrieren am Ochsenrennen, das Pro Sieben in diesem Jahr inszenieren ließ. Als der Sender nämlich ankündigte, so genannte Prominente auf Ochsen reiten zu lassen und daraus eine dreistündige Sendung zu zimmern, geschah etwas beinahe Zwangsläufiges. Prompt standen Tierschützer auf der Matte und mahnten die körperliche und seelische Unversehrtheit der Rindviecher an. Das ist gängiges Ritual bei allen Sendungen mit Tieren und ebenso normal wie der Umstand, dass sich niemand meldete, der für eine besonderen Schutz der menschlichen Rennteilnehmer plädierte. Niemand setzt sich für den durchschnittlichen D-Promi ein, zu dessen artgerechter Haltung es offenbar gehört, wenn er sich auf einem Ochsen zum Affen machen darf.
So etwas bringt eben Aufmerksamkeit und scheint für eine kurze Zeit das nach Großem strebende Ego der televisionären Randbegabungen zu befriedigen gemäß der Erkenntnis: Ich werde gesendet, also bin ich wenigstens ein bisschen was.
Nicht bei allen lässt sich indes die Herkunft der Halb- oder Einviertel-Prominenz erklären. Leicht macht es da noch einer wie Georg Uecker. Der spielt halt seit immer den Schwulettendoktorin der Lindenstraße. Das wäre nicht weiter schlimm, und man kann von einer solchen Rolle auch passabel leben. Nicht so Herr Uecker. Der lässt keine Kamera aus, sodass man sich manchmal fragt, ob er möglicherweise auch an der Ampel losbrabbelt, wenn dort Rotlicht an der Reihe ist. Uecker ist überall. Er sagt seine überflüssige Meinung in Panelshows, ist hier zu Gast und da zu Gast, und wenn gar nichts mehr sonst geht, dann lädt er Kollegen zum großen Prominenten-Dinner in die eigenen vier Wände ein.
Das Prominenten-Dinner ist eine gemeine Masche von Vox, just an die Homestorys zu kommen, die Verhaltensauffällige immer häufiger und aus gutem Grund verweigern. Wer nämlich die Kamera in sein Intimstes lässt, verliert schnell den Schutz, der jenen zusteht, die sich etwas verhaltener präsentieren. Vox aber hat die Hintertür in die Promiwohnungen gefunden. Der Privatsender kommt einfach durch die Küche und greift dabei die Restbilder der Wohnung im Vorbeischwenken ab.
Ist die Halbprominenz im Falle Uecker noch leicht zu erklären, so wird es im Falle von Simon Gosejohann schon schwieriger. Fragt man, woher diese unbegabte Randfigur ins Scheinwerferlicht gespült wurde, bekommt man eine Antwort, die klingt wie „Hat mal was mit Elton gemacht“. Das ist lustig, weil der Mann namens Elton ja auch so eine Gestalt ist, deren Auffälligkeit sich allein aus dem gelegentlichen Auftauchen in der Show von Stefan Raab erklärt. Dort wurde er als Showpraktikant eingeführt und permanent erniedrigt. Zum Dank bekam er eine nicht weiter erwähnenswerte Show und durfte in allen möglichen Panelshows seine Meinung zu allem kundtun. Ähnliches gilt nun für Simon Gosejohann, der gleichfalls gut gebucht wird und all überall zeigen kann, was er alles nicht kann. So trat er kürzlich in der neuen Impro-Show „Gott sei Dank… dass Sie da sind!“ auf und stammelte sich derart einen zurecht, dass selbst bei abgebrühten Zuschauern Mitleid aufkam. Dazu muss man wissen, dass Impro-Shows inzwischen jene Ghettos sind, in die das Fernsehen seine unfähigen Komiker abschiebt. Die heißen dort Comedians und müssen spontan reagieren, weil sie in der Regel nicht in der Lage sind, ordentlich Texte auswendig zu lernen.
In solchen Shows trifft man auch auf einen wie Oli P., der früher mal in einer Seifenoper mitspielte, dann sehr schlecht rappte und nun hauptberuflich Gast ist. Gast beim Eistanz, Gast bei „Gott sei Dank…“, Gast überall. Für Oli P. ist das immerhin eine kleine Steigerung, musste er in Zeiten ganz großen Elends sogar bei „Big Brother“ moderieren. Wäre Oli P. ein korrekter Mensch, müsste er in Fragebögen die Rubrik „Beruf‘ mit einem einfachen „Gast“ veredeln. Ist man oft Gast, kann man davon gut leben. Ist man noch häufiger Gast, kann man davon sogar sehr gut leben. Ist man ganz häufig Gast, erhält man zusätzlich die
Chance, am Ende doch noch ein wenig prominent zu werden, weil halt alles, was im deutschen Fernsehen immer wieder kommt, als erfolgreich gilt. Da zählt dann nicht mehr, dass man früher mal einfach nur die kleine dumme Verona F. war.
Nun ist es aber nicht so, dass nur die Sternchen die Sender brauchen, um sich präsentieren zu können. Nein, die Sender brauchen auch die Gäste. Ohne die ist die Schwemme überflüssiger Shows schlichtweg nicht mehr zu besetzen. Eine akzeptable Produktion ohne einen Griff in die Schar der Halbprominenz auf die Beine zu stellen, scheint dieser Tage schlechterdings unmöglich, denn jene, die wirklich prominent sind, verweigern sich aus gutem Grund solch zweifelhaften Angeboten.
So erhält dann auch eine wie Ruth Moschner eine Chance ausgerechnet bei RTL, dem Sender, der sie kurz zuvor erst gefeuert hat. Bekanntlich war Ruth Moschner früher Sprecherin bei den „Freitag Nacht News“, wo sie weniger durch Wortgewalt als vielmehr durch vielfache Verweise auf ihre üppige Oberweite und durch stetig wieder kehrende Lachanfälle auffiel. Ausgerechnet diese Frau musste RTL nun in seiner Schliddershow „Dancing On Ice“ feiern, weil sie von den Zuschauern zur Siegerin gekürt wurde. Ob sie damit den Durchbruch geschafft hat, muss sich erweisen, aber für eine Einladung zum Prominenten-Dinner hat es schon gereicht. Demnächst dann: Teil zwei mit Elton, Simon Gosejohann, Oli P. und Georg Uecker.