Aufruhr! Gewalt! Umsturz!
Drei Dinge, die sich bequem vom Fernsehsessel aus beobachten lassen. Dann ist man zwar nur dabei statt mittendrin, kann dafür aber in Ruhe ein Bier trinken. Die richtigen DVDs fürs private Rebellen-TV gibt's hier.
Es ist fast eine antike Tragödie, mit der die Jugendkultur ins Kino Einzug hielt: Eigentlich will Johnny mit seiner Motorradgang nur ein bisschen Stunk machen, doch dann taucht Polizeichefs Töchterchen auf, Amors Blitz schlägt ein, und das dicke Ende kommt nach. „Der Wilde“ (Sony Pictures), 1953 von Laszlo Benedek gedreht, markierte den Beginn von Marion Brandos Kinokarriere. Und geht als prototypisches Rebellen-Epos in die Filmgeschichte ein. Die Halbstarken waren auf der Leinwand angekommen, sei es nun in Person von James Dean („Denn sie wissen nicht, was sie tun“, 1955, Warner Home Video) oder als Duo Vic Morrow und Sidney Poitier („Die Saat der Gewalt“, 1955, Warner Home Video). Zu letzterem lieferte Bill Haley den Soundtrack, und manche Lichtspielhäuser lagen nach der Vorführung dank enthusiasmierter Mopedfahrer in Schutt und Asche.
Das Zeitalter von Liebe und Frieden brach bekanntlich erst später an, so um 1967, als Jack Nicholson in „Psych Out“ (MGM) auf LSD durch San Francisco irrte. Gute Musik von The Seeds und The Strawberry Alarm Clock. Nicht ganz so bunt, aber auch unterhaltsam: Werner Enke als renitenter Sponti in May Spils‘ „Zur Sache, Schätzchen“ (1967, Komplett Video). Von München-Schwabing in Arizonas Wüste: Dennis Hoppers „Easy Rider“ (1969, Sony Pictures) gilt trotz überschaubarer Handlung als Klassiker des Pop-Kinos. Die Musik jedenfalls ist legendär, und Steppenwolfs „Born To Be Wild“ seitdem der Inbegriff des Biker-Rock. Männer auf Motorrädern und ein dickes Ende, das kommt einem bekannt vor. Mit Liebe und Frieden hat all das natürlich genau so wenig zu tun wie Barbet Schroeders Junkie-Moritat „More“ (1969, Alive), die allerdings den noch besseren Soundtrack hat: geschrieben von Pink Floyd in ihrer psychedelischen Frühphase.
Er brauchte keine Drogen, um lustig zu sein: Frank Zappa, naturstoned wie er war, schuf mit Tony Palmer und „200 Motels“ (1971, United Artitst) eine dadaistische Bilderflut der extremen Sorte. Worum es in diesem Film geht? Schwer zu sagen. Eine Rockband auf Tour vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Mit stringent erzählter Filmkunst hat das noch weniger zu tun als Julien Temples „The Great Rock’n’Roll Swindle“ (1979, Sony BMG), den die Sex Pistols abzogen, um mit den „boring old farts“ aufzuräumen. Zappa können sie damit allerdings nicht gemeint haben. Und The Who eigentlich auch nicht. Denn Franc Roddams 1979 erschienenes Mod-Spektakel „Quadrophenia“ (1979, Universal) basierte auf dem gleichnamigen Album der Britrocker und war alles andere als trüber Hippie-Quark: Hedonismus und Eskapismus der britischen Arbeiterklasse, festgemacht an Parkaträger Jimmy.
Aus England, nämlich als Import, kommt auch die DVD „The Harder They Come“ (1972, Revolver Entertainment), und selten hat der Name der Vertriebsfirma so gut zum Inhalt gepasst wie in diesem Fall: Ein armer Junge vom Lande (Jimmy Cliff) und die Gangster-Szene in Kingston sind das Thema, der dazugehörige Soundtrack ist schlicht phänomenal. Stichwort: „Pressure Drop“ von den Maytals. Armer Junge, böse Umwelt, aber der Junge obsiegt: „8 Mile“ (2002, Universal) ist Underdog-schafft-es-ganz-nach-oben-Kino der Marke Hollywood. Aber dennoch gut anzusehen. Was auch – wir bleiben beim HipHop – auf „Wild Style“ (1983, Metrodome) zutrifft: Der Film gewordene Beweis, dass HipHop-Kultur mehr zu bieten hat als goldene Ketten, dicke Karren und nackte Mädels. Die spielen auch bei „Rude Boy“ (1980, Sony BMG) keine Rolle, dafür geht’s um einen Loser, der bei The Clash als Roadie anheuert und deren Wirken zwischen Pop und Politik aus nächster Nähe erlebt. Großartiger Film. Der blanke Hedonismus indes regiert bei „Velvet Goldmine“ (1998, Ufa), der an Iggy Pop und David Bowie angelehnten Glamrock-Sause mit sexuell befreitem Seventies-Flair. Ebenfalls Rückschau, wenn auch auf eine reale Band, hält „Monks – The Transatlantic Feedback“ (2006, Play Loud, ab Januar auf DVD): Ein paar Ex-G.l.s, die im Deutschland des Jahres 1966 avantgardistischen Punk spielten. Schräger als alles, was die Sex Pistols jemals zustande gebracht en. Auch er war schon Rebell, als Johnny Rotten noch in kurzen Hosen rumlief: Johnny Cash, dem mit „Walk The Line“ (2005, 20th Century Fox) ein filmisches Denkmal gesetzt wurde. a
Von Nashville nach Seattle, von Country zum Grunge: „Hype!“ (1996, KSM) heißt der Film, mit dem Doug Pray die Entstehung des Seattle-Sounds nachzeichnete. Leckerbissen: die erste auf Film festgehaltene Live-Performance von Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“. Eine tragende Rollen spielen Nirvana auch in „1991: The Year Punk Broke“ (1992, Sony BMG), einer Momentaufnahme der unmittelbaren Prä-Grunge-Zeit. Mit dabei: Sonic Youth und Dinosaur Jr. Lärm spielt auch im schleswig-holsteinischen Wacken eine Rolle. Zumindest einmal im Jahr, wenn die Metal-Fans anrücken und das beschauliche Dorf Wacken in eine Höllenküche verwandeln. Wunderbar dokumentiert von Sung-Hyung Cho in ihrem Film „Full Metal Village“ (2006, Indigo).