Auf Heimaturlaub mit Dirk Nowitzki
Drüben wird er als "German Wunder- kind" gefeiert. Der 2,13-Mann gilt als der beste Europäer, der je in der NBA spielte. Wir trafen das deutsche Korb- Wunder auf seinem Heimaturlaub in Würzburg, wo er für die kommende Basketball-Europa- Meisterschaft fit gemacht wurde.
Konzentriertes Arbeiten im Basketballzentrum Würzburg. Nowitzki übt mit Individual-Coach Holger Geschwindner und dem Nationalmannschaftskoliegen Robert Garrett am Korb. Schrittfolgen, Drehungen, Würfe – alles muss perfekt sitzen. In der schnellsten Basketball-Liga der Welt hat man keine Zeit zum Überlegen.
Zwei Stunden täglich schuftet der blonde Riese. Seine Kollegen aus Dallas haben frei und genießen die Sommerpause, der Deutsche arbeitet im Urlaub an Form und fine-tuning. „Während der Saison habe ich nicht die Zeit,“ sagt Nowitzki. „Wir sind ständig unterwegs und spielen jeden zweiten oder dritten Tag, da kann ich nicht auch noch an freien Tagen trainieren wie ein Wilder. Deswegen ist der Sommer ideal, da habe ich Zeit, da gibt’s keine wichtigen Spiele. In Amerika machen wir außerdem nie Einzeltraining, da wird viel mit der Mannschaft gemacht. In Deutschland arbeite ich an vielen individuellen Bereichen wie Verteidigung oder Athletik.“
Der 25-Jährige könnte glatt als kalifornischer Surfer durchgehen, wenn er bloß nicht so groß wäre. Lange Haare, lässiger Kinnbart, Badelatschen an den Füßen – so zeigt sich der bodenständige Überflieger am liebsten. In der NBA-Sommerpause trainiert er entweder in seiner Heimatstadt Würzburg oder in einer kleinen Turnhalle in Rattelsdorf bei Bamberg. Das Training ist unkonventionell: Nowitzki stemmt nicht nur Gewichte und schult seine Treffsicherheit, sondern verfeinert seine Bewegungsabläufe mit Jazzdance. Zur Verbesserung der Motorik nimmt er sogar Ballettstunden.
Entwickelt hat die Strategie sein Coach und Guru Holger Geschwindner. „Wir haben einen theoretischen Anspruch, was wir mit Dirks physischen und intellektuellen Voraussetzungen erreichen können,“ sagt er. „Wir schauen nicht, wie die anderen trainieren; statt dessen haben wir gemeinsam Übungen erfunden. Konkret heißt das: Wir haben die technischen Fertigkeiten und das Denken des Basketballspiels in sieben Stufen eingeteilt. Mittlerweile sind wir am Ende der fünften Stufe angelangt und probieren zur Zeit die Stufen sechs und sieben.“
Entdeckt wird Dirk Nowitzki vom DJK Würzburg-Jugendtrainer Pit Stahl im zarten Alter von elfjahren. Der steckt ihn gleich in eine Unterfranken-Auswahl, obwohl er noch gar nicht in einem Verein ist. Doch das Talent ist mit beiden Händen greifbar: Mutter Helga spielte in der Basketball-Nationahnannschaft, genauso wie die fünfjahre ältere Schwester Silke, die inzwischen für die National Basketball Association in New brk arbeitet; Vater Jörg war wurfgewaltiger Rückraumschürze im Handball-Team der TG Würzburg und stand kurz vorm Wechsel zum Bundesligisten TV Großwallstadt. Weil Dirk für sein Alter relativ groß ist und Trainingsinhalte sehr schnell umsetzen kann, ist für Jugendtrainer Pit Stahl die Sachlage klar: ,4990 – das zweite Jahr, das er gespielt hat – habe ich ihn einfach zur Bayerischen Meisterschaft mitgenommen. Er wurde bester Scorer und bester Spieler. Und wir wurden Bayerischer Meister. Da hat er gemerkt, dass ihm dieser Sport Spaß macht – und hat dann Handball und Tennis aufgegeben.“
Denn Dirk ist auch in diesen Sportarten erfolgreich. Mit dem Tennisschläger stößt er 1992 ins Halbfinale der Bayerischen Nachwuchs-Meisterschaft vor. Doch nach einem Sichtungslehrgang stellt der damalige Verbandstrainer dem 13-Jährigen ein vernichtendes Urteil aus. Auf einer Bewertungsskala von eins (sehr gut) bis fünf (ungenügend) gibt er Nowitzki für Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Flexibilität jeweils die Note vier. „Für eine kontinuierliche Verbesserung lässt seine Einsatzbereitschaft zu wünschen übrig“, lautet die wenig schmeichelhafte Schlussbemerkung.
Basketball-Jugendtrainer Stahl urteilt ein Jahr später ganz anders. „Mit 14 kam Dirk in die bayerische Auswahl und in die Jugend-Nationalmannschaft. Die Auswahl von Bayern wurde ganz überlegen deutscher Meister, und er war eindeutig der beste Spieler. Wir wussten damals schon, dass Dirk sehr groß werden würde. Ich habe damals schon zu seinem Vater gesagt, dass er für mich im Alter von 14 bereits der beste Spieler in Europa sei.“
Mit 12 Jahren ist Nowitzki knapp 1 Meter 80 groß, mit 14 Jahren deutlich über 1,90. Immer wenn er ein paar Tage mit Fieber ausfiel, erinnert sich Pit Stahl, kam er drei, vier Zentimeter größer zurück. „Was Dirk von den anderen abhebt, ist eben die Tatsache, dass er trotz seiner Größe unglaublich mobil ist. Er spielt mit dem Gesicht zum Korb und lässt sich nicht – was für große Spieler typisch ist – auf irgendwelche Ringkämpfe ein. Er ist einer, der sich durch Bewegung seine Vorteile verschafft. Und das Problem für seine Gegenspieler besteht darin, dass die Leute auf seiner Position normalerweise zehn Zentimeter kleiner sind.“
1993 lernt Nowitzki Holger Geschwindner kennen. Der staksige Jungstar fallt dem Routinier auf, als Nowitzki mit seiner Mannschaft das Vorprogramm für ein Altherrenspiel bestreitet. „Ich habe ihn gefragt: Wer trainiert denn mit dir das Handwerkszeug für Basketball?“ erzählt Geschwindner. „Er hat gesagt: Niemand! Also habe ich ihm angeboten, mit ihm zu trainieren. Dann haben wir Kaffee bei den Nowitzkis getrunken, und es ging um die Frage, wie es weitergeht Ich sagte: ,Wenn er der beste Spieler Deutschlands werden soll, können wir eigentlich aufhören zu trainieren; denn das schafft er sowieso, das kann niemand verhindern. Wenn er sich aber mit den Weltbesten anlegen will, dann müssen wir jeden Tag trainieren. Das müssen Sie nun entscheiden.‘ Einen Tag später hat Dirk angerufen und gesagt .Los, probieren wir’s.“
Geschwindner ist Nowitzkis Mädchen für alles. Wenn es in Dallas nicht läuft, düst er schnell nach Amerika und trainiert mit ihm ein paar Sondereinheiten. Dirks „Schussdoktor“ wird er dort genannt. Der 58-jährige studierte Mathematiker holte mit Vereinen in Gießen und Göttingen selbst vier deutsche Meistertitel, ist mit 150 Einsätzen Rekordnationalspieler und war Kapitän des deutschen Teams bei den Olympischen Spielen 1972. Von dieser geballten Erfahrung profitiert Nowitzki heute noch. „Hätte ich Holger damals nicht getroffen, dann wäre ich heute nicht hier und würde das Interview geben. Ich weiß nicht mal, ob ich überhaupt noch Basketball spielen würde. Ihm habe ich alles zu verdanken, er hat mir alles gezeigt – und deswegen trainiere ich auch weiterhin im Sommer mit ihm, weil ich glaube, er kann mir noch eine Menge beibringen. Wir sind Freunde, er ist mein Coach, mein Mentor, mein Manager.“
Geschwindner sorgt dafür, dass Nowitzki beim Basketball nicht „verblödet“, wie er sagt. Er schickt ihm Bücher über Albert Einstein oder Alexander den Großen und schenkt ihm ein Saxofon und eine Gitarre. Nowitzki weiß die außersportlichen Aufmerksamkeiten zu schätzen. „Es ist einfach notwendig, mal auf andere Gedanken zu kommen. Wir spielen so oft und so vieL Da kannst du nicht nach Hause gehen und immer noch über Basketball nachdenken. Dann kommst du eben heim, nimmst die Gitarre und lenkst dich einfach ab.“ Im Laufe der Jahre hat Nowitzki Rockklassiker wie Led Zeppelin oder die Stones für sich entdeckt, die inzwischen in seinem CD-Player neben Mozart und Beethoven eine friedliche Koexistenz führen. Letzlich geht alles auf Geschwindners Einfluss zurück, dessen Medioden – vor Nowitzkis Erfolg – als grober Unfug verunglimpft wurden. Seitdem er ein Camp für Basketballtalente leitet, hat er sich eine neue Visitenkarte zugelegt: „Holger Geschwindner, Institut für angewandten Unfug“.
„Dass die Amerikaner inzwischen NBA-Spieler zu uns schicken, hat natürlich damit zu tun, dass die sich nicht erklären können, wie es gelingt, dass Dirk sich sukzessive verbessert, während viele andere Spieler stagnieren“, erklärt Geschwindner nicht ganz ohne Stolz. Spieler wie Adam Harrington von den Dallas Mavericks verbringen inzwischen einige Wochen in der fränkischen Provinz und werden von Geschwindner individuell geschult. „Ein Mensch besteht nicht nur aus Balldribbeln,“ beschreibt er seine Philosophie. „Dirk hat hochgradig Talent für diese Sportart, was natürlich auch mit seiner Körpergröße zu tun hat. Aber primär geht es in unserer Zeit doch darum, dass man sich im Leben zurechtfindet und auf allen Klaviaturen halbwegs spielen kann. Und dazu gehört auch, dass er sich auf dem musikalischen Sektor selbst weiterbilden kann, dass man emotionale Intelligenz schult. Man bringt ihn ja praktisch um seine Möglichkeit zu studieren. Also versuchen wir ihm einfach die Möglichkeit zu verschaffen, auf den vielen Reisen Bücher zu lesen oder seine Musik zu machen, um sich auch in dieser Hinsicht weiter zu entwickeln.“
Geschwindner meldet Nowitzki am 29. März 1998 zum „Nike Hoop Summit“ in San Antonio an, einem speziellen Talent-Sichtungsspiel, bei dem eine Vifeltauswahl gegen die besten Highschool-Kids der USA antritt. Nowitzki erzielt mit 33 Punkten und 14 Rebounds einen neuen Punkterekord und wird daraufhin sofort verpflichtet. Bis dahin hat er noch kein einziges Bundesliga-Spiel absolviert, sein Verein DJK Würzburg spielt zu diesem Zeitpunkt noch zweite Bundesliga. Über die Milwaukee Bucks kommt der Deutsche zu den Dallas Mavericks – Mavericks, so nennt man in Texas Rinder ohne Brandzeichen. Trainer Don Nelson, dreimaliger „Coach Of The ear“, hält von Anfang an große Stücke auf den Deutschen, selbst als die erste Spielzeit gründlich daneben geht. Nowitzki erzielt im Schnitt nur knapp 8 Punkte und 3 Rebounds pro Spiel, wird von der eigenen Mannschaft nicht akzeptiert und von den Gegenspielern kaum ernstgenommen. In Dallas verpasst man ihm den Spitznamen ,Jrk“, bei dem das „D“ seines Namens wegen seiner schwachen Defensivleistungen gestrichen wird. Nach einigen Wochen meldet er sich am Telefon verzweifelt bei Geschwindner und will aufgeben. Doch der Basketball-Guru überredet ihn weiterzumachen. „Anfangs hat er sich als 20-jähriger Ausländer natürlich schwergetan,“ so Geschwindner. ,Wenn etwas schiefläuft, geht normalerweise jeder Student heim zu Mami und lässt sich erst mal die Wäsche waschen. Aber Dirk musste jeden Tag Vvfeltklasseleistungen bringen. Es gab hier und da Probleme, aber das hat er meisterhaft hingekriegt. Und dann hat er sich von Jahr zu Jahr gesteigert. Die meisten Spieler haben einen Einstiegspunkt – und gewinnen dann nur noch an Erfahrung. Aber Dirk hat nicht nur in der Trefferstatistik, sondern auch in Sachen Spielauffassung und Führungsrolle ständig nachgelegt.“
Inzwischen ist Nowitzki nach Detlef Schrempf der zweite Deutsche, der sich in der härtesten Basketball-Liga der Welt einen Stammplatz erkämpft hat. Schon jetzt ist er mit durchschnittlich 24,4 Punkten sechstbester Scorer der NBA, und an der Auszeichnung zum „most valuable player“ schrammte er in der letzten Saison nur knapp vorbei. Er zahlt dafür allerdings einen hohen Preis: 100 Spiele in 210 Tagen, das geht auf die Knochen. Viermal pro Woche muss er Punktspiele absolvieren und fliegt dafür zum Beispiel im Januar 2003 in 20 Tagen knapp 15000 Kilometer quer durch die USA. Trotzdem ist die Korbjagd in der NBA für ihn ein Traumjob. „Es macht einfach Spaß, jeden zweiten Abend in der besten Liga der Welt zu spielen. Und spielen ist immer besser als Training. Natürlich bin ich mal ausgelaugt, aber sobald um halb acht das Licht angeht und es sind wieder 20 000 Zuschauer in der Arena, ist alles vergessen.“
Selbst wenn politische Ereignisse wie der Irak-Krieg den NBA-Job stellenweise zum Spießrutenlauf machen. Nowitzki bekommt die Verschlechterung der deutsch-amerikanischen Beziehung leibhaftig zu spüren und wird bei einem Auswärtsspiel in Los Angeles sogar als Nazi beschimpft. Zu guter Letzt gibt es sogar noch einen Maulkorb für die Spieler. „Mark Cuban (der Eigentürmer des Teams) hat uns nahegelegt, unsere Meinung für uns behalten. Nachdem Steve Nash und ein paar andere ihre Meinung zum Irak-Krieg geäußert hatten, gab es sogar Morddrohungen. Und viele Zuschauer drohten damit, ihre Saison-Karten zurückzugeben. Was natürlich für das ganze Team schlecht gewesen wäre. Deshalb kam von Mark die Bitte, lieber den Mund zu halten. Und das wird auch in Zukunft so bleiben.“
Genauso hält es Nowitzki mit seinem Privatleben. Nach der Trennung von seiner langjährigen Freundin Sybille gibt er kaum noch Informationen über sein Privatleben preis. Ex-Spice-Girl Geri Halüwell verbreitete vor zwei Jahren, dass sie sich in den Deutschen verliebt habe und mit ihm zusammen sei. Ein Gerücht, so Nowitzki lachend. „Ich kenne sie, wir waren mal essen. Steve Nash, mein bester Kumpel bei den Mavericks und Nachbar in meinem Apartment-Komplex, ist ein guter Freund von ihr.“ Inzwischen ist Nowitzki trotz NBA-Stress wieder in festen Händen. „Zeit für eine Beziehung gibt es schon. Es kann durchaus sein, dass wir zehn Tage unterwegs sind, aber dann haben wir auch Heimspiele, so dass wir manchmal über eine Woche zu Hause sind. Da hat man früh Training und den Rest des Tages frei, wenn nicht gerade ein Spiel ist Eine neue Freundin habe ich schon seit längerem, aber das Privatleben ist bei mir schon immer tabu, und daran wird sich auch nichts ändern.“
Nowitzki lässt sich das Leben auf dem Präsentierteller mit 90 Millionen Dollar in sechs Jahren vergolden. Trotzdem sei ihm Geld nicht wichtig, sagt er. Nur mit Mühe können ihn die Mavericks aus Image-Gründen überreden, seinen japanischen Kleinwagen gegen einen standesgemäßen Mercedes einzutauschen, und wenn die Mavericks nach dem Training gemeinsam Essen gehen, lässt sich Nowitzki öfter was für zu Hause einpacken. Vor gut sechs Monaten kaufte er sich ein Haus in Dallas, wohnte davor aber fünf Jahre lang in einem kleinen Zwei-Zimmer-Apartment. Luxus ist für den Würzburger ein Fremdwort. „Ich schmeiße nicht mit Geld um mich, so bin ich einfach erzogen worden. Ich habe genau ein Auto und ein Haus, damit hat es sich. Dafür habe ich zu hart gearbeitet, als dass ich das Geld einfach aus dem Fenster werfen würde. Konsum ist für mich ein Fremdwort.“
Dafür macht Mavericks-Besitzer Cuban mit dem Deutschen solide Umsätze. Sein Trikot mit der Nummer 41 ist regelmäßig ausverkauft. Inzwischen gibt es Nowitzki sogar als Spielzeug-Action-Figur. In Dallas kann Nowitzki nur noch nachts in den Supermarkt, um einigermaßen ungestört einkaufen zu können. Wenn er im Scheinwerferlicht bei einem Heimspiel in die „Reunion Arena“ einläuft, toben die Fans, als würden Bonjovi die Halle betreten. Starrummel und Vermarktungspotenziale interessieren ihn trotzdem nicht. „Wir stehen nun mal im öffentlichen Interesse. Natürlich möchte man schon mal unerkannt irgendwo hingehen, was praktisch unmöglich ist. Das bringt der Rummel einfach mit sich. Vermarktung ist sowieso nicht mein Ding. Ich versuche mir einen Namen auf dem Basketball-Feld zu machen und die Mavericks zur Meisterschaft zu führen. Das Drumherum gehört dazu, aber daraufstehe ich nicht unbedingt.“
Ein Traum, den Nowitzki mit Mark Cuban teilt, der die Mavericks vor dreieinhalb Jahren für 280 Millionen Dollar gekauft hatte. Der 45-jährige Milliardär hat im E-Commerce ein Vermögen angehäuft und allein durch den Verkauf von Broadcastcom an Yahoo 5,7 Milliarden Dollar eingesackt – Geld, das Cuban mit beiden Händen wieder in seine Truppe investiert. In Dallas lässt er mit der „Reunion Arena“ eine 340 Millionen Dollar teure Basketball-Halle bauen; die Mannschaft wird mit einem eigenen Jet zu den Auswärtsspielen geflogen. Anders als sein Vorgänger sitzt Cuban während des Spiels neben Trainer Don Nelson auf der Bank. Als es in Dallas einmal kräftig hagelt, schickt er allen Spielern eine Limousine nach Hause, damit sie trocken zum Spiel gelangen. „Seine Jungs“ behandelt er, als wären sie seine eigenen Kinder, und vor allem Nowitzki hat es ihm angetan. Ihn fordert der Patron gern zum Basketball-Privatspielchen eins gegen eins. „Er ist unser größter Fan, der 100 Prozent hinter uns steht,“ erzählt Nowitzki. „Man muss einfach sehen, was er aus den Mavericks gemacht hat Als er das Team gekauft hat, waren wir am Boden -jetzt gehören wir zu den vier besten Mannschaften der Liga. Das ist schon Wahnsinn, was er aus uns herausgeholt, wie er uns vermarktet hat Und jetzt die neue Arena, das neue Flugzeug – das ist alles spitze.“
Jeder Spieler findet in seinem Mahagoni-Spind in der Umkleidekabine nicht nur einen frischen Satz Trikots, sondern auch eine Stereoanlage, einen DVD-Player samt Monitor und eine Sony Play-Station. Doch dafür hat Nowitzki eh keine Zeit. „Ich habe meine Anlage in zwei Jahren vielleicht dreimal eingeschaltet. Ich konzentriere mich voll auf das Spiel und schaue höchstens ein Video vom Gegner an. Ich habe vor dem Spiel immer dieselbe Routine: warm machen, schießen, stretchen, bandagieren.“
Nowitzki gilt als Arbeitstier. „Dirk the Work“ ist einer der vielen Spitznamen, den ihm die Amis verpasst haben. Wenn es sein muss, trainiert er sogar nachts um zehn Uhr. Selbst als NBA-Star fährt Nowitzki mit seinen alten Würzburger Mannschaftskameraden zum Trainingscamp an den Starnberger See und pennt im Schlafsack auf dem Hallenboden. Nur diese Einstellung habe ihn soweit gebracht, sagt Holger Geschwindner. „Er hat sein Talent als Aufgabe verstanden – und daraus resultiert die Konsequenz, dass er trainingsfleißig ist Wir versuchen, hochgradig konzentriert zu arbeiten. Da seine Leistung stimmt, gibt es auch gar nichts zu managen. Alle schreien nach ihm, und der Verein hat ihm automatisch Max-Out, also die höchstmögliche Summe angeboten. Dass die Medien inzwischen einen Riesenzirkus veranstalten, damit muss man leben. Er weiß genau, dass die Scheinwerfer der Medien zwar hell sind, aber ihn nicht wärmen. Und das ist auch die Basis dafür, dass wir weiter vorankommen können.“
Ex-Präsident Clinton ernennt Nowitzki zum Botschafter des Sports, NBA-Stars wie Michael Jordan oder Magic Johnson loben den Deutschen in höchsten Tönen, Sport-Experten vergleichen ihn mit Larry Bird, dem erfolgreichsten weißen Basketballer überhaupt „Mit Larry Bird verglichen zu werden ist schon eine unglaubliche Ehre“, gibt sich Nowitzki bescheiden. „Aber irgendwie fühle ich mich noch lange nicht dort angekommen. Zudem habe ich – im Vergleich zu Larry Bird – in dieser Liga noch gar nichts erreicht.“
Für Nowitzki zählt nur die Meisterschaft mit den Mavericks und die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Athen. Dafür muss Nowitzki mit der Nationalmannschaft bei der EM in Schweden mindestens Platz drei erreichen. Und braucht dafür natürlich eine gute Versicherung, denn vergangenes Jahr (als Nowitzki bei der WM in Indianapolis mit dem deutschen Team überraschend Bronze holte) wollten ihn die Mavericks erst gar nicht freigeben. Erst als Nowitzki selbst in die Tasche griff und 70 000 Euro für seine Versicherung auf den Tisch legte, gaben die Amis grünes Licht.
Dirk Nowitzki lebt für seinen Sport. Alles andere, sagt sein Vater Jörg, ist ihm ziemlich egal. „Dirk möchte Basketball spielen und anschließend in Ruhe gelassen werden. Er hat auch in Dallas soziale Verpflichtungen gegenüber Kindergärten und Schulen. Das wird ihm vom Verein auferlegt Darüberhinaus hat er natürlich Werbeverträge, die er erfüllen muss. Außerdem rennen ihm natürlich viele deutsche Medien inzwischen in Dallas die Bude ein. Daraufist er natürlich nicht sehr gut zu sprechen.“ Interviews gibt der 2 Meter B-Mann höchst widerwillig, Fernsehspots für Sponsoren findet er wahnsinnig anstrengend. Während Kollegen wie Shaquille O’Neil und Dennis Rodman HipHop-Platten aufnehmen, regelmäßig in Kinofilmen auftauchen und die Öffentlichkeit suchen, genießt Nowitzki die Provinz in Würzburg. „Wenn ich hier bin, brauche ich meine Ruhe. Klar, jeder will was von mir, und wenn ich das alles machen sollte, müsste ich mich zerreißen. Da müsste ich jeden Abend in irgendeine Fernseh-Show. Das ist eben alles nicht möglich, und deshalb versuche ich mich – so gut es geht abzuschirmen und meine Zeit nur mit den Leuten zu verbringen, mit denen ich wirklich will.“
Das sind vor allem seine Eltern, die ihn einmal im Jahr in Dallas besuchen, und Freunde aus seiner Würzburger Zeit ,£,r kartet nach wie vor mit seinen Kumpels einen gepflegten Schafkopf,“ erzählt Vater Jörg. „Und wenn sein alter Freund Burkard zur Heu-Ernte ruft, dann ist Dirk auch dabei und hilft auf seinem landwirtschaftlichen Betrieb. Also, mit der Clique hier trifft er sich jeden Tag.“
Aber auch der Kontakt zu seinen Eltern ist Nowitzki wichtig. Vater Jörg hat in seinem Büro mannshohe Poster seines Sohnes aufgehängt und steht während der Saison nachts auf, um sich bei CNN über die Zwischenergebnisse der Mavericks zu informieren. Eigentlich sollte Dirk einmal das elterliche Malergeschäft übernehmen, das seit 1960 in Familienbesitz ist Drese Pläne aber hat sich Vater Jörg längst abgeschminkt „Das hätte ich schon gerne gemacht,“ sagt Dirk. „Aber das hat sich einfach so entwickelt, dass ich im Basketball immer besser wurde. Und dann mit 20 Jahren in die NBA – das war natürlich Wahnsinn. Es ist schon schade, dass der Familienbetrieb ein Nachwuchsproblem hat. Mein Vater wird auch nicht jünger. Ich weiß nicht, was wir damit machen sollen, das müssen wir uns in den nächsten Jahren überlegen. Aber ich glaube, mit der NBA habe ich schon das bessere Los gezogen.“ ‚Zehn, zwölfjahre will Dirk noch in der NBA spielen, eine Rückkehr nach Deutschland sei aber nicht ausgeschlossen. Dort könnte vor allem die Nachwuchsförderung ein Thema werden. Schon jetzt hat er gemeinsam mit einem Limonade-Hersteller die „Dirk Nowitzki Basketball Academy“ ins Leben gerufen. Er unterstützt Holger Geschwindners Trainings-Camp „Players Development Project“ am Starnberger See und hat mit der „Dirk Nowitzki Foundation“ bereits eine eigene Stiftung für soziale Zwecke ins Leben gerufen. Nowitzki ist trotz Millionengage immer noch am Boden geblieben und denkt auch an andere. Nach fünfjahren NBA hat sich Dirk kaum verändert, sagt sein Vater. „Er ist nach wie vor der große Spaßvogel, in der Mannschaft wie in der Familie. Wenn wir zusammen sind, wird nur herumgeblödelt Deswegen ist er für mich – und das gibt er auch selber zu – immer noch ein großes Kind.“