Auf der Pirsch nach Billy Jean
Mit N*E*R*D, dem Band-Ableger seines Produzenten-Duos Neptunes, will Pharrell Williams die verlorenen Melodien zurückbringen
Dieses Hotelzimmer ist es zur Abwechslung wirklich wert, beschrieben zu werden, denn hier wird die Berieselungsmusik von Pharrell gemacht, live. Vom Samtpfötchen-Sänger, vom Brustmuskel-Champion, vom Mann, der Justin Timberlake, Britney Spears und Beyonce Knowles so erfunden hat. wie wir sie heute kennen (was ihm auch viele übelnehmen). Pharrell Williams von den Neptunes improvisiert auf dem Klavier, das sicher nur seinetwegen in dieses Zimmer gestellt wurde, und reagiert auf dem Gipfel einer ganz bestimmten Akkordtolge mit keiner Wimper auf die direkte Ansprache durch den Virgin-Promoter. der ihn gerne nebenan beim nächsten Interview hätte. „Satan!“ ruft er auf dem Weg zur Tür und fragt ob man ihn auch verstanden hat, was er damit meine. Wie ein Kind, das auf einen Witz besonders stolz ist. Satan sind die appetitlichen Schmalzkringel auf dem Tablett, die Pharrell nicht essen kann, weil sein Bauch in Videos schön aussehen muss.
Sechs Stücke vom zweiten N*E*R“D-Album „Fly Or Die“ darf man hier auf CD hören, leider nicht mitnehmen. Und mehr sind zur Interview-Tour auch noch nicht fertig, deshalb ist der andere Neptune Chad Hugo nicht mitgekommen, denn er muss mischen. Shay Haley ist dabei, der auf der Platte mitsingt – es ist nicht so sompliziert: Williams und Hugo sind das Duo Veptunes, wenn sie für andere produzieren, und zusammen mit Haley das Trio N*E*R*D, eine Band ohne Elektronik, die nach dem mittelguten Debüt nun zum Umkippen toll klingt. Funk-Rock’n’Roll, unsagbar trocken und transparent, dieses Mal mit richtigen Melodien. „Wir haben das natürlich nicht erfunden“, sagt Pharrell Williams, trotz notorischer Interviewschwäche erstaunlich gesprächig. „Wir haben das von den großen Meistern gelernt, von den Stevie Wonders dieser Welt, von den Donald Fagens dieser Welt. Es ist nichts Neues, es ist nur selten geworden.“ Er spricht über OutKasts „Hey Ya“: „Deshalb lieben die Leute Andre, weil Andre die Melodie zurückbringt. Das ist im Prinzip ein Beatles-Track, im Stil der Beatles, mit einer großartigen Melodie.“ Es packt ihn. sein letzter Satz zerfließt in eine Scat-Performance von „Seven Nation Army“. Shay erwähnt The Darkness, Pharrell singt „I Believe In A Thing Called Love“ – „Wie Queen! Ich will unbedingt was mit ihm machen. Und mit dem Sänger von Mars Volta, he’s a dope guy! Bei welcher Firma sind die?“ So viel Aufregung. Später wird er noch das Intro von „Billy Jean“ darbieten, mit allen Instrumenten.
Dass er als Neptune selbst ein bisschen Schuld daran ist. dass die Melodie verschwand, nimmt Pharrell hin, scheint ihm kein Widerspruch zu sein. N*E*R*D gab es ja schon als Highschool-Band. bevor Hugo und er den ersten Produktionsauftrag bekamen. „Wir sind mittlerweile alle übersättigt von der Elektronik. Wir müssen zum live stuff zurück, Wir haben auch live stuff gemacht, „Beautiful“ mit Snoop Dogg, das waren nur Live-Instrumente. auch die Sachen auf dem Justin-Album. Manchmal streite ich mich mit Chad. Ich sage: „Ich will nicht, dass du noch eine Drummaschine über das Schlagzeug legst!“, und ich mische sie raus, und er mischt sie wieder rein. Aber bei „Billy Jean“ hatten sie keine Drummaschine!“ Dann verrät er, dass das viele Geatme auf den Neptunes Stücken bei Michael Jackson geklaut sei. Nachempfunden, nicht gesampelt. Live geatmet.