Audre Lorde: Schwarze Feministin mit eigener Straße in Berlin

Nicht nur die gefeierte Rap- und Soulsängerin Yaya Bey feiert Audre Lorde als Vorbild. Auch in Deutschland entdecken immer mehr Menschen die Schwarze Dichterin und Feministin. In Berlin wurde sogar eine Straße nach ihr benannt.

„I / Is the total black, being spoken / From the earth’s inside / There are many kinds of open.” Das Gedicht „Coal” von Audre Lorde, veröffentlicht erstmalig 1976 in einer Gedichtsammlung, erzählt von den bitteren Erfahrungen Schwarzer Menschen mit Rassismus – und der Möglichkeit, diese Erfahrungen durch Poesie und politischen Aktivismus in einen schimmernden Diamanten zu verwandeln. Es endet mit den Worten „I am black because I come from the earth’s inside / Take my word for jewel in your open light.” Worte können, genau wie die titelgebende Kohle, zu harten, glänzenden Juwelen werden.

Audre Lorde, die 1992 mit 58 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung verstarb, ist die Lieblingsdichterin der gefeierten Soul- und HipHop-Künstlerin Yaya Bey. Sie war eine der wichtigsten, poetischsten und kompromisslosesten Stimmen der Schwarz-feministischen Bürgerrechtsbewegung. „Ich wurde Schwarz geboren, und als Frau“, schrieb sie 1983 in der Textsammlung „Interracial Books for Children Bulletin“. „Ich versuche, die stärkste Person zu werden, die ich werden kann.“ Sie sei eine „Schwarze, lesbische, feministische, sozialistische Dichterin und zweifache Mutter“, führt sie aus. Aber bei all diesen von der Mehrheitsgesellschaft marginalisierten Gruppen dürfe es keine „Hierarchie der Unterdrückungen“ geben: Wenn man Schwarze Menschen angreift, sei das immer auch ein Angriff auf Schwule und Lesben.

Audre Lorde (Photo by Jack Mitchell/Getty Images)

Mit dieser gleichzeitig versöhnenden und radikalen Einstellung eckte Lorde bei Teilen der weißen, queer-feministischen Szene an. Die meisten verstanden jedoch die Weitsichtigkeit und Konsequenz im Denken Lordes. Ihr überbordendes Talent für Worte und Ideen zeigte sich früh. Als Tochter karibischer Immigrant:innen wurde sie 1934 in New York geboren, ihre starke Kurzsichtigkeit weckte ihre Liebe zum Klang der Sprache. Mit vier Jahren lernte sie gleichzeitig sprechen und lesen, mit 12 begann sie zu dichten. In ihrer – von Yaya Bey für ihr zweites Album als Idee aufgegriffenen – Biomythografie mit dem Titel „Zami: A new spelling of my name“, in dem sie von ihrer Kindheit, einem problematischen Verhältnis zu ihren Eltern und ihrer Beziehung zu Sprache erzählt, beschreibt sie, wie sie sogar „in Poesie denkt“.

Als lesbische Aktivistin von Greenwich Village nach Kreuzberg

1959 beendete sie ihr Studium mit Diplom, und zog als lesbische Aktivistin durch die queere Szene des Künstler:innenviertels Greenwich Village in New York. Sie bildete sich in den nächsten Jahren zur Bibliothekarin weiter, schloss sich verschiedenen Bürgerrechts-, Antikriegs- und feministischen Gruppen an, und begann, ihre Gedichte und Geschichte zu veröffentlichen. Nebenbei gründete sie Hilfsorganisationen für Schwarze Frauen, Mütter und Kinder, unterrichtete Englisch an Universitäten, schrieb ein vielbeachtetes Essay über die „Stärke der Erotik“, und setzte sich für die Entwicklung und Förderung einer feministischen Presse ein.

Mit einem schwulen, weißen Freund hatte sie zwei Kinder; lange Liebesbeziehungen pflegte sie mit Frauen. Die Erfahrung, mehrfach Teil eines „interracial Couples“ gewesen zu sein, ließ sie in ihre Positionen zur Intersektionalität einfließen.

Die Zartheit und mitreißende Stärke ihrer Sprachbilder ist beispiellos.

Dass sie ab 1984 wegen einer Gastprofessur an der Freien Universität ein paar Jahre lang in Berlin lebte, beeinflusste die Entstehung der Afrodeutschen Bewegung stark. Was sich – wie üblich – viel zu spät seit Neuestem im Straßenbild der Hauptstadt zeigt: Nachdem im September 2023 ein Teil der Kreuzberger Manteuffelstraße in „Audre Lorde-Straße“ umbenannt wurde, brachte man im April auch endlich die entsprechenden Schilder an. Aus der Ehrung für den preußischen, hochkonservativen, weißen Monarchisten und Antidemokraten Otto Theodor von Manteuffel, wurde die Huldigung für eine queer-feministische, nicht-weiße Kulturschaffende, Philosophin und Aktivistin.
Lorde schrieb sechs Bücher, unzählige Essays und Zeitungsartikel, ihre vielen, vielen Gedichte erschienen in – bis heute – dreizehn Sammlungen.

Die Zartheit und mitreißende Stärke ihrer Sprachbilder ist beispiellos. Im Gedicht „Generation” analysiert sie sinnlich, aber messerscharf das Aufwachsen als Schwarzes Mädchen in einer misogynen Welt: „We were brown free girls / Love singing beneath their skin /Sun in the hair in their eyes / Sun their fortune / The taste of their young boys’ manhood / Swelling like birds in heir mouths”. Ihre Kunst (wieder-) zu entdecken, ist überfällig.

Jack Mitchell Getty Images
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