Auch nach dem Ende von Pavement setzt Stephen Malkmus auf seine eigenwillige Interpretation der alten Gitarrengötter
Unausgeschlafen und leicht derangiert treffe ich nach fünf Stunden Zugfährt in Köln ein. Beim Gang durch die Stadt kommt mir ein junger Mann entgegen, der mich ziemlich an meinen späteren Gesprächspartner Stephen Malkmus erinnert. Einzig die riesige Brille, die die Hälfte seines Gesichtes verdeckt, und die beige Strickmütze irritieren mich etwas.
Ich schaue ihn interessiert an und sehe, dass er mich schon die ganze Zeit mustert. Wir gehen aneinander vorbei. Ich in den Plattenladen, in dem ich vor acht Jahren oder so mein erstes Pavement-Album „Crooked Rain, Crooked Rain“ kaufte, er in die andere Richtung.
Als ich schließlich Malkmus‘ Hotelzimmer pünktlich zum Interview betrete, sitzt dort eben dieser junge Mann, die große Brille liegt vor ihm auf dem Tisch. „Hey! Haben wir uns nicht eben schon auf der Straße gesehen?“ – ,Ja. Stimmt Ich wollte vor dem Interview noch schnell ’ne Bratwurst essen. Ich dachte gleich: JDer sieht aus wie jemand, der meine Musik mag.'“ So also stellt der Frontmann der cleversten Band der 90er Jahre sich seine Fans von ungekämmt, verschlafen und leicht genervt Diese Selbstironie wird er das ganze Interview nicht mehr ablegen. Kein Promo-Gewäsch wie: „Ich habe in letzter Zeit sehr viel Free Jazz und bulgarische Folklore gehört, und das hat mich musikalisch enorm weitergebracht.“ Stattdessen: „Weißt du, es gibt Leute, die können ein ganzes Album in einem Stil machen, ohne dass es langweilig wird. Will Oldham ist sehr gut darin. Wir haben nicht so viele interessante Sachen zu sagen, und versuchen daher immer, ein paar Variationen einzubauen. Dummerweise ist der größte Teil der neuen Platte trotzdem midtempo. Und das ist wohl nicht das bestverkaufendste Tempo (lacht).“
Einen Bruch zwischen seinen Solo-Alben und der Zeit bei Pavement sieht er nicht, zumal er immer das kreative Zentrum war und seinen Ansatz nach dem Split nicht wesentlich verändert hat. War das erste, selbstbetitelte Solo-Werk in seiner Gefälligkeit eine konsequente, wenn auch weniger schrullige Fortsetzung des fabelhaften Pavement-Schwanengesangs „Terror Twilight“ geht es auf „Pig Lib“, dem neuen Album mit seiner Begleitband The Jicks, zu der neben BassistinJoanna Bolme und Schlagzeuger John Kenneth Moen nun auch der Keyboarder Mike Clark gehört, wieder etwas zerfahrener und launischer zu.
Wie schon in Pavement-Zeiten hat Malkmus das Plattencover wieder selbst gebastelt: „Die Leute sagen, es sehe aus wie eine miese Kopie von ‚Crooked Rain Crooked Rain‘. Ich hatte zwei Wochen Zeit dafür und habe mich natürlich erst am letzten Tag hingesetzt, um es zu machen. Es tut mir Leid (sinkt kurzzeitig beschämt unter den
Tisch). Vielleicht habe ich deswegen damals die Band aufgelöst: Mir fielen einfach keine guten Cover mehr ein.“
Malkmus-Alben erinnern in ihrer homemade-Ästhetik nicht nur äußerlich immer ein wenig an die Federmäppchen aus der Schulzeit, auf die man mit schwarzem Filzer seine Lieblingsbands schrieb. „Die Idee für die Gitarrensoli auf meinen Platten sind häufig Referenzen an meine großen Jugendhelden. Sachen, an die ich mich erinnere, ohne genau zu wissen, von wem sie sind: Metallica, Black Sabbath, Jimmy Page. Manchmal muss man ein bisschen pure rockpower opfern, damit es sich cool anhört. Die Leute sollen nicht sagen: ‚Yeah, er ist voll auf Rock!‘ sondern: ‚Oh, das rockt gut und hat einen schönen groove.'“ Die ironisch-wunderliche Verschleppung von Rock-Elementen in den eigenen Kosmos war immer das Geheimnis des Malkmus-Sounds. Schon im Pavement-Kontext verschwand die peinliche Rocker-Pose zu Gunsten der Coolness.
An „pure rock power“ denkt man wirklich nicht, wenn man das wundervolle erste Stück auf „Pig Lib“ hört. „Water And A Seat“ ist so zerschossen, dass alle davon abrieten, den Song an den Anfang zu stellen: „Aber die Snobs lieben es. David von den Silver Jews und Mark von Pavement“ Das Album musste mit diesem Song beginnen, alles andere wäre feige gewesen. Da ist ja kein ‚Smells Like Teen Spirit‘ drauf. Da sind keine Hits. Ich mache Platten für Leute, von denen ich weiß, dass sie meine Musik mögen.“ Sagt’s, wuschelt sich durch die Haare und gähnt.