Auch die Drecksarbeit machen
Anfang der Neunziger half Jayhawks-Boss Louris mit, ein neues Genre zu kreieren: Alternative Country. Doch anfangs tat er sich schwer damit
Kann das Zufall sein? Kaum. „Just smile all die time“, empfahl Jeff Tweedy gerade noch auf Wilcos „Summerteeth“ als ein probates Mittel im Kampf gegen Einsamkeit. „Smile when you’re down and out“, zieht Gary Louris im Titelsong der neuen Jayhawks-LP „Smile“ nach. Tweedy und Louris teilen gewiss mehr als die gemeinsame Spaß-Band Golden Smog, die zurzeit mal wieder ohne Plattenfirma ist. „Der Firma Rykodisc missfiel wohl, dass wir nie tourten“, vermutet Louris hinter dem Rauswurf, ohne weitere Golden Smog-Aktivitäten auszuschließen.
Beide definierten mit Uncle Tupelo und den Jayhawks Anfang der Neunziger ein neues Genre – Alternative Country – fast im Alleingang. Beide mussten quasi über Nacht den Abgang ihrer Kreativpartner Jay Farrar bzw. Mark Olson verkraften. Beide orientierten sich danach neu, Tweedy mit Wilco eher schleichend, Louris mit dem bedeckten Rock-Pop von „Sound Of Lies“ ziemlich abrupt „Fast beängstigend“ nennt Louris diese Parallelen.
Wirklich beängstigend war die zynische Herablassung, mit der Tweedy wie Louris ihre Country-(Rock)-Vergangenheit verdammten. Dass sie raus wollten aus der übervollen Alt-Country-Schublade – geschenkt. Aber muss man, wie Louris 1997, das Feuer der frühen Jahre gleich als bloße „Formel“ denunzieren? Heute gibt sich der 45-jährige Songwriter schon konzilianter. Er „renne nicht davon vor dieser Vergangenheit“, sagt Louris, um abends beim Akustik-Showcase in der Hamburger Prinzenbar demonstrativ Olson/Louris-Oldies zu zelebrieren. Ja, er sei „heute stolz auf diese Country-Einflüsse“, glaube aber, dass „wir als Country-Band nicht sooo gut waren“. Es sei nun mal „verdammt schwer, George Jones nachzueifern“.
Auf neuem Terrain brauchten beide einen Gegenpol. Tweedy fand den gewieften Musikus Jay Bennett, Louris Produzent Bob Ezrin. Dass dessen Name schon das erste Album ziert, das Louris je erwarb (Alice Coopers „Killer“), habe ihn nicht mehr einschüchtern können. Doch vormachen konnte Louris dem erfahrenen Ezrin auch nichts. In der Vorproduktion fuhr er öfter nach Santa Monica, um Ezrin aktuelle Fortschritte zu präsentieren. „Irgendwann“, so Louris, „guckte Bob mich an und meinte: „Gary, ich kenne deinen Songwriter-Typ. Du bist einer der inspirierten!“ Louris bedankte sich ob des vermeintlichen Kompliments. „Aber Ezrin sagte: Nein, ich meine, Du schreibst nur, wenn Du Dich inspiriert fühlst, nicht, um die nötige Drecksarbeit zu machen!“
Rückblickend wünscht er sich, „an manchen Songs länger gearbeitet“ zu haben – aber tröstet sich, dass „alle großen Songwriter auch die Drecksarbeit machen mussten“. Wohl wahr.