Atlantic Records: Legendäre US-Plattenfirma feiert ihr 75-jähriges Jubiläum

Gestartet als Indie mit Jazz und Soul. Später Led Zeppelin, heute Lizzo. Zur Jubelfeier erscheinen 90 Scheiben aus allen Epochen in transparentem Vinyl

Am 31. Juli 2023 wäre Ahmet Ertegün 100 Jahre alt geworden. Der legendäre Mitbegründer der US-Plattenfirma Atlantic Records kam als Sohn eines türkischen Diplomaten nach Washington. Bereits als College-Student stöberte in den Rhythm-and-Blues-Plattenläden der amerikanischen Hauptstadt herum. Auch in den örtlichen Jazz- und Bluesclubs war oft einer der wenigen Nicht-Afro-Amerikaner.

Als Studienfach an der Georgetown University hatte er sich ein exotisches Fach ausgesucht; die Philosophie des Mittelalters. Doch sein Leben sollte eine andere Wendung nehmen, als der privilegierte Auswanderer-Sohn kurz nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs im September 1947 eine Musikfirma aus der Taufe hob, zusammen mit Partner Herb Abramson, einem jungen R&B-Musikproduzenten aus New York. Diese Gründung jährt sich in diesen Tagen zum fünfundsiebzigsten Mal.

Ahmet Ertegun mit den Bobbettes

Der Legende nach entstand Atlantic Records, nachdem Erteguns Zahnarzt ein Darlehen von 10.000 Dollar gewährt hatte. Es waren bescheidene Anfänge zweier Mitzwanziger. Ein Start-Up würde man ihre Firma heute nennen. 1948 veröffentlichte Atlantic erste Aufnahmen. Als Abramson zur US-Army eingezogen wurde, stieg Produzent Jerry Wexler 1953 mit einem Minderheiten-Anteil an Atlantic Records ein. Es war das Gefühl und auch ein kommerzielles Faible für Schwarze Musik, die später zur Entdeckung von Ray Charles und Aretha Franklin führte, die Ertegun und Co bald auch bei einem weißen US-Publikum etablieren konnten.

75 Jahre später ist Atlantic Records weiterhin eines der geschichtsträchtigsten Labels in der amerikanischen Geschichte. Im Laufe der Jahrzehnte veröffentlichte man so unterschiedliche Bands und Künstlerinen wie Led Zeppelin, Crosby, Stills & Nash, Genesis, Stevie Nicks oder Matchbox Twenty und in jüngerer Zeit dann Twenty One Pilots, Bruno Mars, Ed Sheeran und Lizzo.

Zum Jubiläum hat Atlantic Records sein reiches Erbe durchforstet und daraus eine einjährigen Veröffentlichungs-Kampagn gebastelt. Bereits gestartet ist die Veröffentlichung von 90 klassischen Titeln, viele davon auf kristallklarem, farbigem oder recyceltem Vinyl, zusammengestellt von einem Team um den Atlantic-Boss und Plattensammler Craig Kallman.

„Unser 75-jähriges Jubiläum hat uns eine unglaubliche Gelegenheit gegeben, die erstaunliche Bandbreite und Tiefe der Musik, die Atlantic im Laufe der Jahrzehnte veröffentlicht hat, noch einmal Revue passieren zu lassen“, sagte Kallman zum Start der Jubiläumsfeiern. „Diese 90 Alben sind nicht nur eine außergewöhnliche musikalische Reise durch die Jahre, sondern auch ein kultureller Trip, die eine Reihe von seismischen sozialen Veränderungen widerspiegelt. Als bekennender Vinyl-Junkie fühle ich mich geehrt und bin begeistert, gemeinsam mit unseren Kollegen von Rhino, unseren langjährigen Freunden von Acoustic Sounds und den großartigen Leuten von VMP all dieser brillanten Musik eine gerade königliche LP-Behandlung zukommen zu lassen. Diese Aufgabe ist eine wahre Freude gewesen und ein perfektes Mitbringsel zu diesem bedeutenden Jubiläum.“

Im Zuge diverser Absatzkrisen verkaufte Ertegun sein Indielabel bereits 1967 für rund 17 Millionen US-Dollar an Warner Brothers/Seven Arts. Ertegun und sein Musik- und Management-Team blieb weiterhin führend an Bord. Über die Jahre dann weitere Fusionen mit US-Labels zum Musik-Konglomerat WEA (Warner, Electra, Atlantic), woraus wiederum die heutige Warner Music hervorgegangen ist.

Die ersten 60 Titel der Reihe sind ab sofort erhältlich. (siehe auch: https://store.atlanticrecords.com/)

Darunter befinden sich Aretha Franklins „Lady Soul“, Yes‘ „Fragile“, Lizzos „Special“ und „Cuz I Love You“, Dusty Springfields „Dusty in Memphis“, Cardi B.s „Invasion of Privacy“, P. Diddy’s „Press Play“, Ed Sheeran’s „Divide“, Wiz Khalifa’s „Rolling Papers“, Arthur Conley’s „Sweet Soul Music“, INXS‘ „Kick“, Young Boy Never Broke Again’s „The Last Slimeto“ oder Velvet Underground’s „Loaded“.

Funfact zum Ende: Mit Bruder Nesuhi Ertegün gründete Ahmet Ertegun im Jahr 1971 den schillernden New Yorker Fußballclub New York Cosmos. Ein früher Versuch, die in USA seinerzeit randständige Sportart zu etablieren. Mit gefüllter Brieftasche wurden Fußballstars wie Pelé, Franz Beckenbauer oder Johan Neeskens im Herbst ihrer Karrieren ins Umfeld der Disco „Studio 54“ geholt. Ertegun blieb bis 1985 „Präsi“ des Kicker-Clubs, der bald darauf in der Versenkung verschwand.

Gilles Petard Redferns
Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates