Arto Lindsay
Es ist, als würde die Melodie gefressen. Eben noch schwebte sie in den weich gesungenen Zeilen über einem mild dahingezupften Gitarrenstrom, doch nun versiegt das sonnige Flirren. An seiner Stelle schiebt sich eine dunkel lärmende Wolke aus dem Synthesizer, ein unförmiges Krachen, das weniger mit den gleichmäßigen Maschinengeräuschen des mechanischen Zeitalters zu tun hat, als mit dem allgegenwärtigen Atem einer Stadt zum Feierabend. Die Melodie vergeht darin wie Butter in Glut, während gleichzeitig eine Gitarre zu hacken beginnt, unrhythmisch, dissonant, abstrakt. Doch das brachiale Inferno tobt nicht lange. Eine auf einer Geige gezupfte harmonische Phrase erblüht langsam und vorsichtig, bald hat sie die Geräuschattacken gezügelt und Raum für die wieder erwachsende Melodie geschaffen.
Ein Heimspiel – was man Arto Lindsay allerdings nicht anmerkte: Eher vorsichtig schlurfte er seinem Gitarristen, seinem Keyboarder und seiner Geigerin hinterher, als betrete er ein Minenfeld. Der schüchternen Mittdreißiger, anerkannt schon vor dem ersten Ton, lächelte, während er mit schmelzwarmer Stimme zu singen begann. Und seine Fans lächelten zurück.
Denn natürlich lieben sie den etwas tapsig wirkenden Intellektuellen. Und natürlich kannten sie die Songs seines neuen Albums „Mundo Civilkado“, die er an diesem Abend spielte. Angesichts des mühelosen Hin- und Hergleitens zwischen sanfter Entspannung in wunderschönen Melodien und heftigen Adrenalinstößen in härtestem Lärm waren die Anwesenden dennoch schwer begeistert – erst recht, als zu den Zugaben Marisa Monte auf die Bühne kam. Die brasilianische Sängerin, die in ihrer Heimat in Fußballstadien auftritt, und der Minderheitenheld verwoben ihre Stimmen zu einem weichen Klangteppich, der Raum und Seele ausfüllte und für alle Anwesenden keine Zweifel ließ: Wo auch immer sonst die beste aller Welten sein mag – an diesem Abend war sie in New York