Arne Willander über Mark Wahlberg in „BOOGIE NIGHTS“ sowie Glanz und Elend von Sängern und Musikern als Schauspieler
Er war der Mann, der sich für Calvin Klein in den Schritt griff. Er ist der Mann, der sich für den Film „Boogie Nights“ in den Schritt greift. Damals hieß er Marky Mark, heute heißt er Mark Wahlberg. Nur böse Zungen können behaupten, Marky Wahlberg habe mit seinem Schwanz eine Karriere gesteuert. Wahrscheinlicher ist, daß sein Schwanz Markys Karriere gesteuert hat.
Und das nicht schlecht. Denn als weißer HipHop-Teenybopper kam er nicht weiter, und noch mehr Unterwäsche an seinem Adonisleib wollte niemand mehr sehen, nicht mal Calvin Klein, der doch sonst immer gern Adonisleiber sieht. JBoogie Nights“, ein Film über die sorglose Porno-Industrie der 70er Jahre, ist das Vehikel für zwei Könige des Trash: für den hochverschuldeten, Toupet-tragenden Proll-Darsteller Burt Reynolds (der sich bei Thomas Gottschalk schon selbst parodieren mußte, weil die Geschäfte so schlecht liefen) – und für Mark Wahlberg, der bis dahin nur ein paar Nebenrollen abbekam. Die Hauptrolle in „Boogie Nights“ ähnelt ihm sehn Oder wir möchten wenigstens glauben, sie ähnele ihm sehr.
Das Problem von Musikern und Sängern und Leuten, die ein Mikrophon halten, ist die Identifikation mit ihrer öffentlichen Rolle. Sie sind immer schon nicht mehr sie selbst, sie sind ein Popstar, eine Ikone, ein Bild, ein Körper. Sie sind uneigentlich, sind viele, sind schizoid. Das war die Tragödie von Elvis Presleys, der gleich sich selbst spielen mußte und die Gitarre; nur einmal durfte er ein Halbblut sein und am Ende sterben, fast wie später im richtigen Leben. Die Beatles konnten nur noch Klamauk machen; sie waren zu berühmt, als sie erst in England und dann in den Schweizer Bergen für“A Hard Day’s Night“ und „Help“ vor der Kamera standen. „Magical Mystery Tour“ war dann schon ein Drogentrip und ein Desaster. Mick Jagger wirkt in allen Filmen wie bestellt und nicht abgeholt („Freejack“!) – nur in „Performance“ nicht, da performiert er Mick Jagger. Als Transe im jüngst abgedrehten Film „Bent“ kommt er auch gut: der Supermacho als Charleys Tante.
War aber nicht David Bowie in „The Man Who Fell To Earth“ überzeugend? Kunststück, Bowie war vorher schon „Ziggy Stardust“ und „Thin White Duke“ und überhaupt das Chamäleon, wie man immer wieder lesen muß, und später Andy Warhol zum Verwechseln ähnlich. Der ganze Bowie ist ein Phantom, eine Erfindung wie Nat Täte, der Maler, der kürzlich die New Yorker Kunstwelt damit narrte, daß er niemals existierte. Alles ist Inszenierung, alles Kunst.
Bevor alles ging, ging beides: das Singen und das Spielen. Frank Sinatra singt in „Verdammt in alle Ewigkeit“ ein trauriges Lied, dann stirbt er in Burt Lancasters Armen. Dafür gab es einen Oscar. In dem Rührstück „Der Mann mit dem goldenen Arm“ stirbt er schon wieder, diesmal ab drogensüchtiger Schlagzeuger. Dean Martin spielte praktisch gar nicht neben Jerry Lewis, sang aber ständig irgendeine Weise, mit oder ohne seinen Partner, kippte Whiskys und stellte den Weibern nach – Dino wird heute verehrt, sein Schaffen auf Schallplatten ebenso wie sein ökonomisches Agieren. Als er den heiligen Trinker in „Rio Bravo“ gab, fielen Vita und Werk endlich in eins. Dino starb später an der Theke, metaphorisch gesprochen. Sterben steht ihnen überhaupt gut.
Sind die schlechten Musiker die guten Akteure? Die These ist eingängig, aber Unfug. In die Leere von Jon Bon Jovis Harmlosigkeit läßt sich mühelos das rätselhaft Diabolische des Bösewichtes in „Leading Man“ projizieren. Der gelackte Harry Connickjn, scheinbar ein Mann ohne Eigenschaften, ist als der bärtige Psychopath in „Copy Cat“ absolut glaubhaft. Denn hinter Connicks makelloser Fassade vermuten wir natürlich den Wahnsinn, wie Hitchcock ihn uns lehrte. Man stelle sich vor, wie großartig Michael Bolton als koksender Plattenproduzent wäre. Cliff Richard als Blasphemiker. Mariah Carey als „Pretty Woman“. Oder Whitney Houston in „Bodyguard“. Lebensecht!
Madonna hatte nie eine Chance. In der Komödie „Susan – verzweifelt gesucht“ war sie noch ein schrilles Küken, in dem Baseball-Film „A League Of Their Own“ war sie eine zickige Intrigantin, in „Body Of Evidence“ gab es endlich Nacktes auf dem Autokühler – Filmkritik und Publikum wandten sich mit Grausen ab. Ausgerechnet mit „Evita“ hatte Madonna ihre Rolle gefunden : Sie erkannte sich selbst in der Wundertäterin – und alle glaubten es.
Wieder anders liegt der Fall bei Courtney Love: Ihre fabelhafte Darstellung der Gespielin von Larry Flynt in Milos Formans fulminanter Film-Biographie des „Hustler“-Herausgebers deckt sich mit ihrem eigenen Klischee der drogensüchtigen, haltlosen, verwirrten und verlotterten, aber irgendwie auch rührend kindlichen Schlampe mit lichten Momenten und Mutterwitz. Wenn sie am Ende auf dem Schoß des im Rollstuhl kreiselnden Woody Harrelson – das Spritzbesteck im Anschlag – durch die vermüllte Suite braust, feiert sie ihre eigene Existenz in einem Bild triumphaler Dekadenz. Dann dringt Wasser durch die Badezimmertür, und in der Wanne treibt die schöne Leiche wie Ophelia. Kein Oscar dafür, aber mal wieder das größte Stück vom Medien-Kuchen.
Und darum geht es hier wie da: um Bilder, die sich uns einbrennen.