Arne Willander schaut fern: „Tamara Danz – Raus aus der Spur“
Mont Klamott, die Wiesen so grün: Der Dokumentarfilm „Tamara Danz – Raus aus der Spur“ erinnert an Zeit und Leben der großen Rocksängerin der Band Silly
Vielleicht hat Jim Rakete den schwärmerischsten Blick auf Tamara Danz. Der Fotograf und Musikmanager verantwortete in den frühen 80erJahren die Geschicke von Spliff, Nena und Manfred Maurenbrecher. Dann hörte er auf einer Kassette die Songs von Silly. Die Band lebte wenige Kilometer entfernt jenseits der Berliner Mauer. Rakete sagt, er habe nicht einen Ton einer Band aus dem Osten je gehört, nie.
Aber nun Silly und Tamara Danz. „Dieses Pathos, das wir uns im Westen nicht getraut hätten. Tamara war ein Raubtier auf der Bühne.“ Rakete handelte für Silly einen Vertrag aus, sodass „Mont Klamott“ 1984 auch im Westen veröffentlicht wurde. In diesem Dokumentarfilm ist wenig Pathos. Die Musiker Rüdiger Barton und Uwe Hassbecker, beide einst Geliebte von Tamara Danz, erinnern sich innig, aber ohne Kitsch an ihre Sängerin. Man sieht Julia Neigel beim Singen eines Danz-Liedes im Aufnahmestudio im Landhaus der Band. Neigel ist neben AnNa R. die Nachfolgerin von Anna Loos, die nach Tamara Danz die Sängerin von Silly wurde.
Was Tamara Danz uns sagte und was Silly uns noch immer sagen: Es gab niemals so etwas wie Ost-Rock. Es gab immer nur Rock
Neigel kannte keine Platte von Silly, als sie gefragt wurde. Nun singt sie mit viel Röhren für das neue Album ins Mikrofon. Am ehesten versteht man, wer Tamara Danz war, wenn man die Schwarz-Weiß-Fotos aus den 60er- und 70er-Jahren sieht, die frühen Fernsehauftritte, und wenn man Toni Krahl, Sänger von City, zuhört. Krahl kannte die junge Aufmüpfige damals und schildert, dass sie Silly übernahm, indem sie den Keyboarder Barton, den Gitarristen Hassbecker und den Bassisten Hans-Jürgen Reznicek verpflichtete. Reznicek erzählt, wie sie eine Woche vor ihrem Tod 1996 jedem Musiker das Versprechen abnahm, Silly nicht sterben zu lassen. „Sie haben sich daran gehalten“, sagt eine Freundin Tamaras, und sie sagt auch: „Tamara wollte nicht ostig sein – wer wollte das schon.“
Die von Danz kunstvoll mit Haarspray drapierten Frisuren der Band trugen auch im Westen fast alle. Einmal wechselt Tamara Danz in einem Hinterzimmer ihren Pullover unter einem großen Porträt von Erich Honecker an der Wand.
Aber das Pathos? Es gab natürlich auch im Westen großes Pathos zu der Zeit – Nenas „99 Luftballons“ war sogar das größtmögliche Pathos. „Mont Klamott“ ist Poesie. Was Tamara Danz uns sagte und was Silly uns noch immer sagen: Es gab niemals so etwas wie Ost-Rock. Es gab immer nur Rock.