Arne Willander schaut fern: Er kam von der falschen Seite der Stadt
Restauriert in HD und schmuddelig wie einst: Der WDR zeigt die ersten fünf Jahre „Tatort“ mit Götz George und Eberhard Feik.
Das erste Bild schon umreißt den ganzen Horst Schimanski. Wir sehen einen kräftigen Rücken in einem roten T-Shirt. Der Mann schaut aus dem Fenster seines Schlafzimmers auf die Schlote von Duisburg. Aus dem Radio auf der Fensterbank singen die Shangri-Las „Leader Of The Pack“: „They told me he was bad/ But I knew he was sad.“
Der Mann geht in die Küche, prüft eine Pfanne, stellt sie zur Seite, nimmt zwei Eier aus dem Kühlschrank, schlägt sie an einem Glas auf und trinkt sie schaudernd. Dann nimmt er eine Tüte mit Müll und verlässt die Wohnung. In der nächsten Szene sehen wir ihn in einer Kneipe, wo er sich ein halbes Brötchen nimmt und „Schimanski!“ ins Telefon brüllt: Für die nächste Stunde sei er hier erreichbar.
„Duisburg-Ruhrort“ war 1981 der erste „Tatort“ mit Götz George als Schimanski und Eberhard Feik als Christian Thanner, geschrieben von Horst Vocks und Thomas Wittenburg, inszeniert von Hajo Gies. Hansjörg Felmy, bisher der Kommissar im Einzugsgebiet des WDR, hatte Amtsmüdigkeit signalisiert und die schlechten Drehbücher beklagt. Horst Vocks bot ihm zwei Bücher an, die er nicht akzeptieren konnte. So kam Eberhard Feik ins Spiel, der einen neuen, einen proletarischen Typus von Kommissar verkörpern sollte.
Die Regisseurin Ilse Hoffmann, die bald als erste Frau einen „Tatort“ inszenieren sollte, brachte einen anderen Schauspieler ins Gespräch, den sie seit den Karl-May-Filmen in den Sechzigern bewunderte und der nie berühmt geworden war. Götz George, ganz anders als seine Rolle, war ein empfindlicher Pedant, der Jeans und eine beigefarbene Militärjacke für Schimanski aussuchte. Feik spielte schließlich den Antipoden, den biederen, ehrpusseligen Amtmann Thanner.
Der WDR hat die ersten fünf Jahre der Schimanski-„Tatorte“ in HD restauriert – und zum Glück sieht alles so muffig und trostlos aus wie ehedem. Ein Satz zur diskriminierenden Sprache wurde vorangestellt. Beim Wiedersehen erkennt man, was für eine putzige Figur dieser Schimanski ist, getrieben von seinen Gefühlen, und dass Thanner immer nur eine grammatikalische Wendung von der schieren Aggression entfernt ist.
Das Lokalkolorit und das Idiom sind überwältigend. Die Namen Poppinga und Petschek. Die Kneipen, die Binnenschifferei, die Imbissbuden, die Amtsstuben. Schimanski trinkt mit der Frau eines Verdächtigen, der im Gefängnis sitzt, in deren Wohnung Bier und schäkert mit einer Kneipenwirtin. Zeitweilig übernachtet er in Thanners Wohnung, dessen Frau Sylvia findet, er sei zu oft zu Gast. Schimanski setzt sich in Unterhose an den Frühstückstisch.
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Ein bankrotter Binnenschiffer, Drogenschmuggel nach Rotterdam und Waffengeschäfte einer türkischen Bande bilden das pittoreske kriminelle Milieu. Regisseur Hajo Gies erinnert sich an das narrative Problem, dass alles durch Schimanski erzählt wird. Und Thanner sagt: „Horst, du verrennst dich. Weil du es jetzt persönlich nimmst.“