Arne Willander schaut fern: Dietmar Schönherrs „Je später der Abend“ – Pionier der Talkshow
Vor 50 Jahren begann im WDR mit Dietmar Schönherrs „Je später der Abend“ die Ära der Talkshows im Fernsehen.
Die Idee stammte von dem weltgewandten Schauspieler Dietmar Schönherr, der nicht nur die Welt, sondern in „Raumpatrouille“ auch das All bereist hatte. Mit seiner Frau Vivi Bach revolutionierte er Ende der 60er-Jahre das Unterhaltungsfernsehen: „Wünsch dir was“ war eine anarchische Spielshow; jemand ertrank beinahe in einem Auto, das in ein Wasserbassin gehievt wurde.
Schönherr hatte in den USA die Late-Night-Shows gesehen und bot dem WDR ein Konzept an. Der Titel „Zoom“ wurde verworfen. Werner Höfer, Fernsehdirektor des WDR und Gastgeber des „Internationalen Frühschoppens“, hatte einen deutschen Vorschlag: „Je später der Abend“. Das war ja schon sprichwörtlich. Aber so betulich ging es bei Schönherr nicht zu. Während die älteren Herren beim „Frühschoppen“ über die Weltpolitik deliberierten, war „Je später der Abend“ die Bühne für die sogenannte jüngere Generation. Neben dem notorischen Krawallmacher Klaus Kinski war es vor allem Romy Schneider, deren Auftritt mit dem gefährlichen Burkhard Driest 1974 legendär wurde, schon am nächsten Tag.
Schneider würdigte den aus dem Gefängnis entlassenen Hallodri und Drehbuchautor mit den Sätzen: „Sie gefallen mir. Sie gefallen mir sehr.“ Kundige Zuschauer bemerkten, dass sie diese Sätze in einem der „Sissi“-Filme sagt. Aber sie passten in dieser Situation so gut – obwohl Romy Schneider sonst in Deutschland noch immer dem Sissi-Image entgegenarbeitete.
So schön wie mit dem Bonvivant und Revoluzzer Dietmar Schönherr wurde nie wieder eine Talkshow
Der altersradikale Curd Jürgens, der sich eine Rolle wie Marlon Brandos in „Der letzte Tango in Paris“ wünschte, riss sich in einer Sendung das lästige Toupet vom Kopf. Es waren Jahre des Umbruchs.
Dietmar Schönherr blieb nur drei Jahre und verabschiedete sich mit dem Auftrag, nun möchten die Jüngeren übernehmen. Das war zunächst der joviale Hansjürgen Rosenbauer, dann der umständliche Reinhard Münchenhagen bis zum Ende der Talkshow im Jahr 1978. „3 nach 9“ von Radio Bremen war derweil das beliebteste Forum der Fernseh-Rederei geworden – und diese Talkshow gibt es noch heute.
„Je später der Abend“ ist das Muster geblieben. So schön wie mit dem Bonvivant und Revoluzzer Dietmar Schönherr wurde nie wieder eine Talkshow. Schönherr saß dann noch oft in den Redereien von anderen Moderatoren – er beherrschte beide Seiten.
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