ARD verteidigt ESC-Entscheidung – „Xavier Naidoo steht für Relevanz“
Die ARD überraschte mit der Entscheidung, Xavier Naidoo 2016 zum ESC zu schicken. Der öffentlich-rechtliche Sender begründet den Entschluss nun mit der musikalischen Bedeutung des Sängers - und seiner offenherzigen Toleranz.
Die herbe Pleite von Ann Sophie beim diesjährigen Eurovision Songcontest (ESC) in Salzburg (23. Mai 2015) hat den Verantwortlichen vor allem von der ARD, wo das Musik-Event Jahr für Jahr übertragen wird, wohl doch weniger geschmeckt, als man gemeinhin zugeben wollte. Zur Erinnerung: Die Sängerin holte nicht einen einzigen Punkt in dem Musikwettbewerb.
Nun hat man für 2016 kurzerhand entschieden, das Publikum bei der Wahl des Künstlers in einem Vorentscheid gar nicht erst zu fragen und still und heimlich Xavier Naidoo bestimmt. Eine Entscheidung, die im Netz für allerlei Häme sorgte und auch viele Medienkritiker auf den Plan rief.
„Sehr guter Sänger mit hervorragender Bühnenpräsenz“
Thomas Schreiber, der Unterhaltungskoordinator der ARD, hat den Entschluss nun in einem Interview mit der dpa verteidigt: „Für uns war es wichtig, mit jemandem anzutreten, der über eine hervorragende Bühnenpräsenz verfügt, der ein sehr guter Sänger ist und der mit uns auf die Suche nach einem Lied geht – und bei dem das Lied nicht von vornherein feststeht, weil es die neue Single ist.“
Auch auf die umstrittenen, von einigen Kritikern als homophob und rechtslastig identifizierten Äußerungen Naidoos in der Vergangenheit (so z.B. bei seinem Auftritt vor dem Reichstag im Oktober 2014) ging Schreiber ein: „Dass Xavier Naidoo polarisiert, wussten wir. Die Frage ist, ob alle Hassäußerungen, die es in den sozialen Netzwerken gibt, eine sachliche Grundlage haben.“
Für den Programmverantwortlichen scheinen diese Kritikpunkte gegenüber der musikalischen Relevanz zurückzustehen. Außerdem behauptet er in dem Interview, dass der Sänger für „Toleranz allen Lebensentwürfen gegenüber“ einstehe, „die es in dieser Republik gibt“.
Vor allem die Vorwürfe, der Sänger habe eine antisemitische Grundhaltung, findet Schreiber aus der Luft gegriffen: „Xavier Naidoo setzt sich seit vielen Jahren für die deutsch-israelische Freundschaft ein, unter anderem, weil er weiß, dass sein Vater nur aufgrund der Hilfe eines jüdischen Onkels nach Deutschland kommen konnte. Hat Xavier Naidoo keine Fehler in seinem Leben gemacht? Sicher hat er – wie wir alle – nicht nur in jedem Moment alles richtig gemacht.“
Schwammige Erklärungen
Bliebe noch die Frage, warum die ARD im nächsten Jahr auf ihren bewährten Modus verzichtet, die Zuschauer in einem Vorentscheid über einen Teilnehmer abstimmen zu lassen. Hier wich Schreiber aus, sagte, dass man das Publikum doch über den Song entscheiden lasse und mit der Präsentation „mit Studenten der deutschen Film- und Kunsthochschulen einen neuen Weg gehen“ wolle.
So schwammig die Entkräftung der Kritik an Naidoos in mehreren Interviews geäußerten politischen Standpunkten auch sein mag, die Erklärung für die einseitige und undemokratische Vorauswahl vom Sender erschreckt noch wesentlich mehr.
Naidoo selbst äußerte sich auch schon in einem Interview zu seiner Bestimmung als ESC-Kandidat und sagte: „Dass die Deutschen einen dunkelhäutigen Deutschen schicken, das zeigt für mich auch, dass Deutschland weltoffen ist.“