Arctic Monkeys: Erkalteter Tanzboden
Vom enormen Erfolg überrumpelt und erschöpft, geben die Arctic Monkeys vor ausverkauftem Haus ein ziemlich lustloses Deutschland-Gastspiel.
HAMBURG, GROSSE FREIHEIT:
Ach, vielleicht hat man sich das ja einfach zu romantisch vorgestellt: Vier Halbwüchsige aus Sheffield setzen die Bühne der Großen Freiheit in Brand, das Feuer greift auf den Saal über, und schon lodert ganz Hamburg im Fegefeuer explodierender Gitarren und sich überschlagender Rhythmen. „Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not“, das Debütalbum der Arctic Monkeys, überzeugte mit atemloser Leidenschaft und dem Willen, dem eigenen, möglicherweise belanglosen Leben ein befreiendes Funkeln abzutrotzen. Doch die Realität in Hamburg sah anders aus. Selten wirkte die Bühne der Großen Freiheit so trist und grau. Im Hintergrund stapelten sich Teile der Lichtanlage und diverse Kisten und Koffer. Das Publikum war keinesfalls so jung und enthusiastisch wie erhofft. Zwischen angetrunkenen Rockfans inden obligatorischen Band-T-Shirts verloren sich wenige Altersgenossen der 19jährigen Musiker. Im Prinzip sah es aus wie auf einem Tomte-Konzert, nur daß dort vermutlich vorher nicht M.I.A.s „Galang“ gespielt wird.
Als Alex Turner, Jamie Cook, Andy Nicholson und Matt Helders auf die Bühne schlendern, badet sie das Publikum in frenetischem Applaus. Die Monkeys machen keine großen Worte, sondern geben Gas, und zwar richtig: „RedLightsIndicates DoorsAreSecured“ ist, wie die meisten Songs des Abends, deutlich schneller als auf dem Album. Auch der Hit „I Bet You Look Good On The Dancefloor“, der als zweiter Song zu früh kommt, leidet stark unter der hohen Drehzahl. In der Zeit, in der die Songs an einem vorbeirauschen, kann man selbst nicht mal die ellenlangen Songtitel fehlerfrei hersagen. Das Debüt hat ja nur 13 Stücke – da muß man doch nicht so hetzen!
Wie eigentlich alle Bands, die aus Großbritannien zu uns herüberkommen, besteht auch die Reputation der Arctic Monkeys – neben dem Erfolg übers Internet (vgl. Clap Your Hands Say Yeah) hauptsächlich aus Verweisen. Also auf in die Referenzhölle: Die Art, wie Turner und Cook ihre Gitarren peitschen, erinnert bisweilen an das lustvolle Schrammeln von Wedding Present. Das rhythmische Wühlen von Baß und Schlagzeug hat dagegen etwas vom Groove der Gang of Four und dem manischen Aufbäumen der Birthday Party. Und wenn Turner in seinem braunen Poloshirt – natürlich mit hochgeschlagenem Kragen-ins Mikro schreit, klingt er nicht nur so, er sieht auch aus wie der junge Paul Weller.
Ein Höhepunkt ist das wild und frei gespielte „Perhaps Vampires Is A Bit Strong, But…“, bei dem die Band jene Leidenschaft und Spielfreude zeigt, die bei anderen Stücken fehlt. Ausgerechnet! „Cause all you people are vampires/ And all your stories are stale/And though you pretend to stand by us/ I know you’re certain we’ll fail.“
Die Musiker machen auch kaum Ansagen, wirken müde und ein wenig lustlos. Das Lukas-Podolski-Phänomen: Der enorme Erfolg – über 360 000 verkaufte Alben in einer Woche allein auf der Insel, alle Gigs ausverkauft hat die Monkeys überrumpelt und ausgelaugt. Man wünscht sich die Band in einen kleinen Club, wo die Schweißtropfen aus den Haaren des Gitarristen direkt in die Gesichter der ersten Fan-Reihe fliegen. Daß die vier Milchbärte am Ende des Konzerts statt einer Zugabe einen stampfenden Happy-Hardcore-Techno-Track vom Band spielen, zeugt zwar von proletarischem Stilgefühl, ist aber auch nicht gerade der Anfang einer Teenager-Revolte. Das Publikum klatscht dann auch nicht besonders lange. Der lustvoll kauzige Prog-Pop der gerade schon im UK gefeierten Mysteryjets aus dem Vorprogramm hat mir besser gefallen. Die Arctic Monkeys sollten sich etwas Zeit lassen, doch eine gute Band sind sie auf jeden Fall.